Rheinland-Pfalz Hintergrund: Staatsanwaltschaft lässt Alter des Messerstechers von Kandel ermitteln

Mit in der Nähe des Tatortes abgelegten Blumen und Kerzen bekundeten Bürger nach der Bluttat von Kandel ihre Anteilnahme.
Mit in der Nähe des Tatortes abgelegten Blumen und Kerzen bekundeten Bürger nach der Bluttat von Kandel ihre Anteilnahme.

Das Alter des Flüchtlings aus Afghanistan, der am 27. Dezember in Kandel seine 15-jährige Ex-Freundin niedergestochen hat, soll durch ein medizinisches Gutachten ermittelt werden. Dies teilte gestern die Staatsanwaltschaft in Landau mit. Wie berichtet, behauptete der junge Mann bei seiner Einreise im Jahre 2016 erst 14 Jahre alt gewesen zu sein.

Das Gutachten wird laut Staatsanwaltschaft benötigt, weil „keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse zum tatsächlichen Alter des Beschuldigten vorliegen“. Die Ermittler bestätigten RHEINPFALZ-Informationen, wonach der Afghane behauptete, er habe bei seiner Einreise im April 2016 keinen Ausweis besessen. Sein Geburtsdatum gab er mit 1. Januar 2002 an. Die Kreisverwaltung Germersheim versicherte am Dienstag: „Eine Volljährigkeit wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen.“ Das 15-jährige Opfer ist durch mehrere Messerstiche verletzt worden, so die Staatsanwaltschaft unter Berufung auf das „vorläufige Obduktionsergebnis“. Dabei sei ein Stich im Bereich des Herzens tödlich gewesen. Der in Untersuchungshaft sitzende Afghane mache indessen weiter von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Abschiebung für Minderjährige ausgeschlossen

Die Kreisverwaltung Germersheim hat zudem Informationen der RHEINPFALZ bestätigt, wonach der Asylantrag des Inhaftierten abgelehnt wurde: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat am 13. Februar 2017 entschieden, dass dem Afghanen weder die Flüchtlingseigenschaft noch ein anderer Schutzstatus zuerkannt werde. Gleichwohl verhängte das Amt ein Abschiebeverbot nach Paragraph 60, Absatz 5 Aufenthaltsgesetz. Danach würde die Abschiebung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechts-Konvention darstellen. Diese Praxis wird laut dem „Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ insbesondere bei minderjährigen alleinreisenden Afghanen angewandt. Faktisch ist damit eine Abschiebung vor Vollendung des 18. Lebensjahres ausgeschlossen. Die Mainzer Landesregierung lehnt darüber hinaus grundsätzlich Abschiebungen nach Afghanistan ab, auch die von Straftätern.

Saarland ermittelt Alter von Flüchtlingen zentral

Wie gestern berichtet, hat das Mainzer Integrationsministerium keinen Überblick darüber, wie vielen jungen alleinreisenden Flüchtlingen im vergangenen Jahr eine falsche Altersangabe nachgewiesen wurde. Der Grund, so das Ministerium: Diese Zahlen liegen im Verantwortungsbereich der 41 Jugendämter im Land. „Dazu liegen uns keine Zahlen vor.“ Anders dagegen im Saarland, obwohl die Altersfeststellung grundsätzlich bundeseinheitlich geregelt ist. Aber, wie das Saarbrücker Sozialministerium gestern bestätigte, werde die „Praxis zur Altersfeststellung von Bundesland zu Bundesland und von Jugendamt zu Jugendamt verschieden“ gehandhabt. Die saarländische Landesregierung habe deshalb Anfang 2016 entschieden, neu eintreffende alleinreisende minderjährige Ausländer zunächst in einer „Vorclearingstelle“ in Tholey in Obhut zu nehmen, bevor sie auf die Jugendämter verteilt werden. Ziel sei es nicht zuletzt gewesen, die Jugendämter zu entlasten. In der Vorclearingstelle werde unter anderem das Alter der jungen Ausländer einheitlich für das gesamte Saarland eingeschätzt.

528 Personen „als nicht zweifelsfrei minderjährig eingeschätzt“

Zwischen dem 1. Februar 2016 und Dienstag dieser Woche wurden in der zentralen Vorclearingstelle 968 Personen vorübergehend aufgenommen, so das Saarbrücker Sozialministerium weiter. Die meisten dieser jungen Flüchtlinge hätten behauptet, erst zwischen 16 und 18 Jahren alt, also minderjährig zu sein. 241 der 968 Flüchtlinge seien noch bevor ihr Alter eingeschätzt werden konnte verschwunden. Von den übrigen 727 Personen habe das professionelle Team der Vorclearingstelle 528 „als nicht zweifelsfrei minderjährig eingeschätzt“. Deshalb seien deren Hände geröntgt worden. Das Ergebnis laut Ministerium: 254 Personen wurden als volljährig eingestuft. Das sind rund 35 Prozent der Personen, die behauptet hatten, minderjährig zu sein. Die angeblich minderjährigen Flüchtlinge, die sich vor dieser Röntgen-Untersuchung aus dem Staub gemacht haben, nicht mitgerechnet. Laut dem Saarbrücker Sozialministerium wurden zur Altersfeststellung in nur wenigen Ausnahmefällen neben dem Handgelenk ergänzend auch das Gebiss sowie das Brustbein-Schlüsselbeingelenk radiologisch untersucht. Wenn eine ärztliche Untersuchung für nötig erachtet werde, werde der Betroffene über die Methode und die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufgeklärt. Außerdem erfolge die Untersuchung nur mit Zustimmung des Minderjährigen. Wie bewertet das Mainzer Integrationsministerium die Vorclearingstelle im Nachbarland? – Antwort: Das Saarland sei wesentlich kleiner. Vor dem massiven Anstieg der Anzahl einreisender unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge habe es auch hierzulande eine zentrale Clearingstelle gegeben. Die Jugendämter hätten sich dann aber überwiegend dazu entschieden, das Clearingverfahren jeweils eigenständig wahrzunehmen. Daher gebe es heute nur einige Schwerpunktjugendämter für mehrere Kommunen. Hier gibt es einen Überblick zu dem Fall in Kandel.

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