Rheinland-Pfalz Gag aus dem Gäu

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Sie ist für Winzer und Weinfreunde unverzichtbar, handlich und vielseitig verwendbar. Nicht nur für ihren eigentlichen Zweck – zum Aufbewahren sowie Transportieren von Flaschen – lässt sie sich nutzen, sondern beispielsweise auch zum Bauen rustikaler Regale, als uriges Beistelltischchen oder mit Folie ausgelegt als Blumenkasten: So schlicht eine ganz normale Weinkiste auch ist, so viel Freude kann man doch an ihr haben. Ganz besondere Freude auf andere Art bereitete eine wahrhaft außergewöhnliche Variante davon, die in diesem Herbst beim Winzerumzug auf dem Deutschen Weinlesefest in Neustadt zu bestaunen war. Und sie wird hoffentlich auch künftig noch für Spaß sorgen. Ist sie doch eine jener Kreationen für eine fantasievolle Zugnummer, die es wert sind (und bei denen es das Material ermöglicht), nach der Präsentation nicht gleich entsorgt zu werden. Es handelt sich um eine imposante Spezial-Weinkiste. Gut verwahrt steht es in einem großen Schuppen, jenes Prachtstück, das die „Goisemer Baschone“ gezimmert haben. Und für das sie ebenso wie für seine Begleitung durch pfiffig als Weinflaschen und Korkenzieher verkleidete Akteure den Publikumspreis gewannen. Gepunktet hat man wohl allein schon mit dem gewitzten Motto „30 Johr Baschone im Gäu – do darf’s Woi-Kischdl mol größer soi!“ Dass so was ankommen würde in der Pfalz, war (weinglas-)klar. Die im Maßstab 10:1 – bis auf den Boden – fast originalgetreu nachgebaute Kiste erwies sich als bejubelter Hingucker. Womit sich die „Baschone“ fürs Schweißvergießen beim Werkeln an dem rund 4,60 Meter langen, 3,05 Meter breiten und 2,40 Meter hohen Objekt belohnt sehen dürfen. Damit es weniger wiegt, wurde es übrigens zum Teil aus Sperrholz gebaut. Trotzdem ist es so schwer, dass es nicht leicht war, geeignete Rollen für seine Fortbewegung zu finden. Die ersten, mit denen man’s versuchte, hielten das Gewicht nicht aus, wie man uns im Nachhinein verriet. Erst solche, wie sie zum Befördern einer großen Kelter verwendet werden, bestanden den Tauglichkeitstest. Das gilt’s auch zu bedenken bei der künftigen Nutzung der tollen Konstruktion, die deren Erschaffer auf Dauer leider nicht behalten können. Für jene, die sie noch nicht kennen, sei hier aber zunächst mal näher erklärt, wer die „Goisemer Baschone“ sind. Des Pfälzischen gut Kundige wissen zumindest, dass „Goise“ im Dialekt für den Neustadter Ortsteil Geinsheim steht. Erstaunen dürfte es manche eher, dass „Baschon“ als „pfälzische Ableitung“ von „Sebastian“ gesehen wird. Einheimische verweisen dazu auf Historisches: Nachdem im Mittelalter ein Altar in der Geinsheimer Kirche dem Heiligen Sebastian als Schutzpatron gegen die Pest geweiht worden war, wurden Jungen gern nach ihm benannt. Weil daher schließlich viele in der Gemeinde Sebastian hießen, veruzte man die Geinsheimer des bei diesen sehr verbreiteten Krautanbaus wegen in Nachbarorten – vor allem in „Gummersche“ (für Nichtpfälzer Gommersheim) – als „Krautbaschone“. Die heutigen „Baschone“ beschreiben sich selbst als „Gruppe junger und jung gebliebener Leute, die gerne feiern“. Gegründet wurde sie 1988, als Geinsheim zu seiner 1200-Jahr-Feier so viele Ausschankstellen wie möglich haben wollte. Angesichts des Erfolgs baute der Verein seine Aktivitäten in den Folgejahren aus und zählte immer mehr Mitglieder. Er sorgt nicht nur für Gaudi und nette Events im Ort – wie beispielsweise mit der „Kerwesau-Kür“ oder der heutigen „Weißen Wein-Nacht“–, sondern sammelt zudem fleißig Spenden und spendiert Aktionsreinerlöse für einen guten Zweck. Dafür ist auch gedacht, was beim erhofften Verkauf der Riesenkiste herausspringt, wie uns der Vereinsvorsitzende Christian Kaufmann sagte. Anfragen von Interessenten, darunter von Winzern, gebe es bereits – und Vorschläge zur Nutzung ebenfalls. Spruchreif sei aber noch nichts. Da kann einem so manches einfallen – angefangen vom Umbau in einen originellen Ausschankstand. Durchaus passend könnte man’s auch finden, das „Super-Woikischdl“ für ein Superfest mit Magnumsektflaschen zu füllen. Aufpassen müsste man dabei trotz deren Größe nur, dass nicht welche durch die Lücken zwischen den Brettern rausrutschen. Es so krachen zu lassen, wäre weniger berauschend ... | MARTINA RÖBEL

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