Rheinland-Pfalz Falsche Altersangaben ohne Folgen

Rund 2500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit in Rheinland-Pfalz untergebracht.
Rund 2500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit in Rheinland-Pfalz untergebracht.

«Mainz». 72 junge Flüchtlinge, die behauptet hatten, noch keine 18 Jahre alt zu sein, waren im vergangenen Jahr von den Jugendämtern in Rheinland-Pfalz nach einer Befragung als volljährig eingestuft worden. Welche Konsequenzen dies für die Betroffenen hatte, wollte jetzt die CDU-Landtagsfraktion wissen. Eine Abfrage des Mainzer Integrationsministeriums dazu bei den Jugendämtern blieb jedoch weitgehend unbeantwortet.

Zwölf der insgesamt 41 Jugendämter hatten Anfang des Jahres angegeben, dass sie die Altersangaben von unbegleiteten, angeblich minderjährigen Flüchtlinge aufgrund der Befragung – der so genannten qualifizierten Inaugenscheinnahme – korrigiert hätten: Die Betroffenen wurden als „älter und volljährig“ eingestuft. Vorgekommen war dies in der Pfalz bei den Stadtjugendämtern Kaiserslautern (fünf Fälle), Speyer (3) und Ludwigshafen (1) sowie bei den Kreisjugendämtern Südwestpfalz (2) und Rhein-Pfalz-Kreis (1). Deutlich häufiger war dies bei den Stadtjugendämtern Trier (20) und Mainz (21) der Fall gewesen. In einer Kleinen Anfrage hatte sich der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Matthias Lammert danach erkundigt, ob diese Alterskorrekturen nach oben zu Strafanzeigen wegen Betrugs geführt hätten und ob zu viel geleistete Zahlungen zurückgefordert worden seien. Das Mainzer Integrationsministerium hakte dazu bei den zwölf betroffenen Jugendämtern nach, doch nur zwei antworteten: die Behörden in Trier und im Kreis Ahrweiler. Ergebnis: Trier hatte in keinem seiner 20 Fälle Strafanzeige gestellt, im Kreis Ahrweiler, wo es nur einen Fall einer Alterskorrektur gegeben hatte, kam es dagegen dazu: Dort war die Strafanzeige allerdings von der Polizei gestellt worden, die im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung involviert gewesen sei, schreibt Integrationsstaatssekretärin Christian Rohleder (Grüne) an Lammert. Doch was passierte in den anderen 51 Fällen der zehn Jugendämter, die dem Ministerium nicht geantwortet haben? Die RHEINPFALZ hat bei den fünf betroffenen Pfälzer Jugendämtern nachgeforscht. Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Der Kreis Südwestpfalz verwies auf eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Süd der Jugendämter zu diesem Vorgang: Sie habe sich gegen eine Beantwortung der Ministeriumsanfrage ausgesprochen: „Unter Beachtung der Fürsorgepflicht sind keine Detailauskünfte möglich.“ Die Parteien des Landtags könnten gegenüber den örtlichen Jugendhilfeträgern zudem „weder eine fachliche noch eine dienstrechtliche Aufsicht ausüben.“ Auch das Jugendamt der Stadt Ludwigshafen verzichtete auf eine Antwort ans Ministerium, weil man den Datenschutz nicht gewährleistet sah. Das Jugendamt der Stadt Kaiserslautern verwies darauf, dass man dem Ministerium entgegen dessen Darstellung durchaus geantwortet habe. Das Referat Jugend und Sport erstatte in Fällen von Alterskorrekturen grundsätzlich keine Strafanzeige. Dazu sei eine Überprüfung des jeweiligen Einzelfalls erforderlich, die jedoch außerhalb der Zuständigkeit des Referats liege. Auch die Stadt Speyer und der Rhein-Pfalz-Kreis haben keine Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Ebenso die Stadt Ludwigshafen. Eine Grundlage für die Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen gibt es in der Regel nicht: Einerseits werden die Betroffenen nach der Feststellung ihrer Volljährigkeit unmittelbar einer Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene zugewiesen. Andererseits seien die bis zur Feststellung der Volljährigkeit ausgegebenen Gelder rechtens erfolgt, „da die Minderjährigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen angenommen wurde“, sagt Staatssekretärin Rohleder. Mit diesem Umstand begründet auch die Stadt Ludwigshafen, dass sie in ihrem Fall keine Anzeige wegen Betrugs erstattet hatte. Andere Konsequenzen haben die falschen Altersangaben für die Flüchtlinge ebenfalls nicht, so kommt es deswegen nicht zu einer Beendigung des Aufenthalts. Nach Überstellung dieser Flüchtlinge in eine Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende würden sie dort behandelt „wie gerade eingereiste Flüchtlinge und gegebenenfalls bundesweit als erwachsene Einzelreisende verteilt“, sagt Rohleder. In Rheinland-Pfalz leben aktuell 2507 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – das sind rund 200 weniger als Ende 2017. Die Jugendämter sind für ihre Inobhutnahme, Unterbringung und Versorgung zuständig. Sie erhalten einen Vormund, der sie bei der Klärung von ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Fragen sowie bei der Zusammenführung wegen familiärer oder anderer sozialer Bezüge begleitet. Die Kosten für die Unterbringung und Betreuung dieser jungen Flüchtlinge erstattet das Land den Kommunen. Untergebracht werden die jungen Menschen in Einrichtungen der Jugendhilfe, aber auch in Gast- und Pflegefamilien oder in Wohngruppen.

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