Rheinland-Pfalz Fall Torun: Schweige-Gebot für Polizisten

Kritisieren die Polizei: Eyüp Torun, der Sohn des entführten und erdrosselten Unternehmers Ismail Torun (Zweiter von links), mit
Kritisieren die Polizei: Eyüp Torun, der Sohn des entführten und erdrosselten Unternehmers Ismail Torun (Zweiter von links), mit dem Anwalt Jens Graf (Dritter von links).

Ermittler dürfen im Prozess um den Tod des Ludwigshafener Unternehmers Ismail Torun nur zum Teil über ihre Arbeit berichten.

Dossier: Der Fall Torun Die Opfer-Anwälte in dem Verfahren sind deshalb empört, sie argwöhnen: Die Polizei will ihr Versagen vertuschen. Auch die Richter haben schon protestiert.  Verteidiger der drei Angeklagten nicken ebenso nachdrücklich wie Anwälte der Opferfamilien, die ihnen gegenüber sitzen. Auf beiden Seiten sind sich die Juristen einig: Soeben hat ihnen ein Chef-Ermittler berichtet, dass seine Kollegen in diesem Fall die über abgehörte Leitungen geführten Telefonate nicht nur mitschnitten, um sie irgendwann später auszuwerten – sondern dass sie zwei Tage lang „live“ mitverfolgten, wie der Ludwigshafener Bauunternehmer Ismail Torun rund eine Million Euro zusammentrommelte. Tage später lag die erdrosselte Leiche des 49-Jährigen im Bad Dürkheimer Bruch. Und die Polizisten ahnten, dass auf sie kritische Fragen zukommen würden. Schließlich war wenige Wochen zuvor bereits ein anderer Geschäftsmann entführt und getötet worden. Den Tätern waren die Ermittler auch schon bald auf der Spur. Trotzdem erkannten sie nicht, dass ihre Verdächtigen nun schon wieder einen reichen Unternehmer in ihrer Gewalt hatten. Denn die Beamten dachten, der nun wegen hoher Bargeldbeträge herumtelefonierende Mann sei selbst einer der Verbrecher.

Schweigen zu „taktischen Maßnahmen“

So jedenfalls hat es der Chef-Ermittler nach Toruns Tod dessen Sohn Eyüp gesagt, das bestätigt der 53-jährige Beamte nun als Zeuge im Frankenthaler Gerichtssaal. Prompt will der Mannheimer Opfer-Anwalt Jens Graf von ihm wissen, ob die Fahnder genauso reagiert hätten, wenn der entführte Chef einer Firmengruppe mit mehr als 200 Beschäftigten einen deutschen Namen getragen hätte. Woraufhin der Kommissar beteuert: Dann wäre alles ganz genauso gelaufen. Andere Fragen hingegen lässt er unbeantwortet. Und dabei kann er sich auf seine Vorgesetzten berufen. Denn mit Unterschrift des stellvertretenden Polizeipräsidenten ist ihm aufgetragen: Als Zeuge hat er im Prozess über vieles zu schweigen. Zum Beispiel über die „taktischen Maßnahmen zur Täterermittlung und Beweisführung einschließlich Dienstbesprechungen und Gespräche mit dienstlichem Inhalt“. Mit solchen Auflagen soll üblicherweise verhindert werden, dass andere Ermittlungsverfahren gefährdet werden. Oder dass Informanten auffliegen. Oder dass Kriminelle ganz allgemein wertvolle Informationen über Polizeimethoden bekommen. Also stuft das Ludwigshafener Polizeipräsidium auf RHEINPFALZ-Anfrage das dienstliche Schweige-Gebot für den Torun-Prozess als völlig normalen Vorgang ein. Doch in Frankenthal sagt derweil der Chef-Ermittler, dass ihm ein Schreiben mit derartigen Auflagen zum allerersten Mal für eine Zeugenaussage mitgegeben wurde. Im Gerichtssaal ist da schon längst Empörung aufgekommen. Der Torun-Anwalt Graf zum Beispiel kommentiert: „Vorher hat man es nur vermutet, aber jetzt ist man sich sicher – der Staat versucht, mit allen Mitteln Aufklärung zu verhindern. “

Regeln sind im Prozess zu befolgen

Um so entschlossener fragt der Jurist nach Dingen, über die der Kommissar nichts sagen darf. So will Graf die Richter dazu bringen, dass auch sie Stellung nehmen. Immerhin kann er davon ausgehen, dass sie sich ebenfalls über die Schweige-Gebote ärgern. Denn die hat ihnen das Polizeipräsidium vier Tage zuvor schon als Entwurf zukommen lassen. Und die Kammer hat prompt ein Protest-Fax zurückgeschickt. In dem steht sinngemäß: Diese Aussageregeln sind derart weitgehend, dass sich noch nicht einmal überprüfen lässt, ob ein Beamter zu Recht oder zu Unrecht schweigt. Doch genützt hat dieser Einspruch vorerst nichts. Und der Vorsitzende Richter Alexander Schräder sagt: Die im Polizeipräsidium für die Aussagen der Ermittler festgelegten Regeln sind im Prozess zu befolgen – selbst wenn sie überzogen und deshalb rechtswidrig sein sollten. Immerhin: Er und seine Kollegen wollen noch einmal prüfen, ob sie die Vorgaben aus Ludwigshafen tatsächlich für ungesetzlich halten. Und deshalb muss der Chef-Ermittler damit rechnen, dass er ein weiteres Mal als Zeuge einbestellt wird. Dabei hatte er gerade Urlaub, als Torun entführt wurde. Das bedeutet: Auch er kann wichtige Dinge nur von anderen Ermittlern wissen, doch gerade über die Gespräche mit ihnen hat er ja zu schweigen. Die Anwälte allerdings wollen noch genauer erfahren, wie das mit der Telefonüberwachung nun war. Denn nach einer Verhandlungspause hat der Kommissar auf einmal davon gesprochen, dass die abgehörten Gespräche „überwiegend“ doch nur mitgeschnitten und später ausgewertet worden seien. Und dass er keinesfalls soeben gesagt habe, dass die Polizei zwei Tage lang „live“ mitverfolgte, wie der Ludwigshafener Bauunternehmer Ismail Torun rund eine Million Euro zusammentrommelte. Dossier: Der Fall Torun

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