Rheinland-Pfalz „Er wollte Bürgermeister spielen“

«Frankenthal.» Im Frankenthaler Doppelmord-Prozess haben gestern zwei Themen im Mittelpunkt gestanden: Der Fund eines selbstgebastelten Messers im Spind eines der Angeklagten und Geschehnisse rund um eine Ludwigshafener Tankstelle. Letztere haben einen Kaufmann aus der Südwestpfalz nach eigenen Angaben um fast eine Million Euro gebracht.

Wie das selbstgebastelte Rasierklingen-Messer in den Spind eines der drei Angeklagten im Torun-Prozess gelangen konnte, darf als strittig bezeichnet werden. Der unter dem Namen „Can“ bekannte 50-Jährige behauptet, es sei ihm untergeschoben worden. Von Mithäftlingen, Justizvollzugsbeamten oder gar der Gefängnispfarrerin. Er habe es jedenfalls nicht gebaut. Allerdings hat sich besagter Can seit Beginn des Prozesses im Herbst 2017 durch viele abenteuerliche Geschichten hervorgetan. Dazu gehören die Behauptungen, er sei von seinem 39-jährigen Mitangeklagten vergewaltigt und dann erpresst worden und habe weltweit 5000 Atombomben versteckt, die er per Fernzünder auslösen könne. All das wirft ohnehin Fragen auf, im Fall der behelfsmäßigen Waffe treten die Aussagen von Mithäftlingen und Justizvollzugsbeamten hinzu. Die gaben gestern an, dass es Spannungen zwischen Can und anderen Insassen der JVA gegeben habe. „Er wollte den Bürgermeister spielen“, sagte der Leiter der geschlossenen Abteilung, in der der Angeklagte untergebracht ist. „Es gab Unmut, weil er anderen zum Beispiel Aufträge erteilt hat, was sie für ihn einkaufen sollten.“ Bevor die Situation sich verschärfen konnte, sei der Angeklagte in die geschlossene Abteilung verlegt worden, in der andere Häftlinge kaum Möglichkeiten hätten, in seine Zelle zu gelangen. Can habe das Messer gebastelt, um sich an einem Mitinsassen zu rächen, der sich zuvor über ihn beschwerte, lautet eine Vermutung, die schon länger im Raum steht. Sie hat den sachverständigen Psychiater Peter Haag auf den Plan gerufen. Er soll die Gefährlichkeit der Angeklagten beurteilen. In einer ersten Stellungnahme hatte er sich nach RHEINPFALZ-Informationen dahingehend geäußert, dass die drei nur in der Gruppe ein großes Risiko für die Allgemeinheit darstellen. Deshalb wurde zunächst auch keine Sicherungsverwahrung in Betracht gezogen. Für Haag dürfte interessant gewesen sein, dass ein Zeuge die „Bürgermeister“ in Gefängnissen als selbstbewusste Anführer charakterisierte. Auch die Aussage eines Kaufmanns aus Erfweiler über seine Erfahrungen mit Can waren aufschlussreich. Der 37-jährige Zeuge hatte eine Tankstelle des Angeklagten beliefert. „Er hat mich erst mit pünktlichen Zahlungen in Sicherheit gewiegt und dann über den Tisch gezogen“, sagte der Mann. Durch ausbleibende Zahlungen und einen fingierten Mineralöl-Deal habe er knapp eine Million Euro verloren. Und das nicht an ein Trio.

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