Rheinland-Pfalz Ein kalter Ort für heiße Tage: Besuch in den Birresborner Eishöhlen

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Stimmiges Bild: Blick aus den Eishöhlen auf einen Felsen aus Schweißschlacke.

In den Höhlen herrschen ganzjährig Temperaturen zwischen ein und vier Grad. Heute kann man dort der Hitzewelle eine Weile entkommen.

Nähert sich das Thermometer den 40 Grad, wird der Mensch erfinderisch: Plötzlich wird Unterwäsche im Kühlschrank gelagert, um sich wenigstens ein paar Minuten frisch zu fühlen. Marktleiter in Supermärkten bieten gönnerhaft ein paar Minuten in ihrem Kühlhaus an, natürlich zu Fantasiepreisen, die in erster Linie demonstrieren sollen, dass der Marktleiter über ein Kühlhaus verfügt und der Rest der Bevölkerung nicht. Für Sparfüchse gibt es bei Birresborn Eishöhlen, für jeden zugänglich und ohne begrenzte Verweildauer. Auch hier war der Anfang jedoch heiß: Vor etwa einer Million Jahren spuckte der wenige Kilometer entfernte Vulkan Kalem die gewaltigsten Basaltlavaströme aus, die wohl jemals in der Eifel geflossen sind. Die Ablagerungen sind bis zu 40 Meter dick. Der zur Vulkangruppe gehörende Fischbachvulkan förderte derweil neben Lava auch Schweißschlacke zutage, die noch heute als markante Felsformationen vor den fünf Höhleneingängen zu finden ist. Die harten Eifelbasaltschlacken wurden von der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert als Mühlsteine gebrochen, so entstanden nach und nach die Eishöhlen. In den dunklen Jahreszeiten liegt die Temperatur hier unterhalb des Gefrierpunkts, doch auch im Sommer wird es in den Schächten selten wärmer als vier Grad.

Nach wenigen Metern: Stockdunkel und kühl

In Kriegszeiten dienten die Höhlen über dem Fischbachtal der Bevölkerung seitdem als Schutzraum, in Friedenszeiten wurden hier Vorräte gelagert oder man schaufelte im Winter Schnee hinein und nutze sie als Eiskeller. Ob der eine oder andere hier auch Erleichterung vor der Sommerhitze suchte, ist nicht überliefert. Wer mit festem Schuhwerk und einer Taschenlampe ausgerüstet ist, kann zwischen April und Oktober völlig frei in das Höhlensystem hinabsteigen. Schon nach ein paar Schritten wird es merklich kalt, es lohnt sich, neben dem Campingstuhl und einem guten Buch auch einen Pullover mitzunehmen. Nicht aus jeder Höhle wird eine Eishöhle, bei Birresborn kommen jedoch mehrere Faktoren zusammen: Zum einen ist das poröse Vulkangestein sehr feucht, was die Entstehung von Verdunstungskälte begünstigt. Zum anderen liegen die Eingänge relativ hoch und die Gänge führen abwärts. So kann die kalte Luft nicht abziehen. Nach wenigen Metern ist es stockdunkel, ohne Taschenlampe läuft man Gefahr, hier und da über Brocken aus bröseligem Gestein zu stolpern. Das Innere der fünf Höhlen ähnelt sich: Über lange Stollen erreicht man Abbaukammern. Hier sind die Wände mit den Kerben von Spitzhacken übersäht, auch halbfertige oder zerbrochene Mühlsteine liegen herum. Vereinzelt tropft es von der Decke, im Winter bilden sich hier Eiszapfen. Viele der Kammern münden in weitere, teilweise nur auf allen vieren erreichbare Schächte. Im Ganzen sind die Höhlen jedoch verwinkelte Sackgassen, solange die Taschenlampe brennt, ist die Gefahr sich zu verirren sehr gering. Menschen, die sich auch im Alltag ständig den Kopf stoßen, sollten einen Helm aufsetzen. Wer sich vorsichtig bewegt, kommt ohne Kopfschutz durch die Höhlen. Absturzgefahr besteht nicht, die Höhlen sind also auch für angehende Höhlenforscher im Kindesalter geeignet.

Liegestuhl-Platz in der Kathedrale

Kühl, dunkel und angenehm ruhig ist es unter Tage. Alleine ist man jedoch nicht: Etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden 22 Fledermausarten wurden in den Eishöhlen nachgewiesen, die meisten sind vom Aussterben bedroht. Wer nun aus Furcht vor aufgeschreckten Schwärmen zögert, kann beruhigt sein: Die Tiere nutzten die Höhlen hauptsächlich für den sechsmonatigen Winterschlaf und verstecken sich in Felsspalten. Weder Lärm noch aufdringliches Ableuchten der Decken und Ecken scheint sie aufzuscheuchen. Wer einen längeren Aufenthalt in den Eishöhlen plant, etwa um einen Liegestuhl aufzustellen, der findet dafür in der mittleren Höhle den besten Platz. Hier münden die Gänge in eine imposante Halle, kathedralenartig und ausladend hoch, ein starker Kontrast zu den Passagen, die nur gebückt bewältigt werden können. In der Ecke leuchtet im Schein der Taschenlampe plötzlich ein Farbfleck. Ein Schatz? Nein, es ist lediglich eine fast vollkommen verrostete Getränkedose, der Aufdruck einer gängigen Orangenlimonade lässt sich gerade noch entziffern. Form und Trinköffnung nach zu urteilen stammt die Dose aus den 1960er- oder 1970er-Jahren. Anscheinend zog es also doch schon früher Mensch zur Abkühlung in die Höhlen.


INFO: Die Birresborner Eishöhlen

Birresborn ist der Nachbarort von Gerolstein. Die Eingänge der Eishöhlen können entweder im klimatisierten Auto angefahren oder von der Grillhütte Birresborn über einen etwa halbstündigen Waldlehrpfad erreicht werden. Die Höhlen sind frei zugänglich, in den Wintermonaten ist der Zugang aus Artenschutzgründen beschränkt. Zwischen April und Oktober werden an jedem zweiten Freitag im Monat um 18 Uhr öffentliche Touren angeboten. Die nächsten Termine sind der 9. August, 13. September und 11. Oktober. Weitere Infos unter www.brunhilde-rings.de |hni


ZUR SACHE: Kühle Orte in der Pfalz

Die Erzgrube Nothweiler (Kreis Südwestpfalz) bietet außer montags und dienstags täglich ab 11 Uhr stündliche Führungen an. Tief im Berg herrschen immerhin neun Grad. Infos beim Betriebsleiter Heinz Biehler unter 06394/5354. In der Schokoladenfabrik „WAWI Schoko-Welt“ in Pirmasens herrschen konstant 17 Grad. Der Eintritt in die Gläserne Produktion ist kostenlos, Gruppen melden sich unter 06331/239990 an. Wer Abkühlung mit Weltgeschichte verbinden möchte, kann sich bei 16 Grad in der Krypta des Speyerer Doms abkühlen. Sie ist von Montag bis Samstag von 9 bis 19 Uhr und Sonntag von 11.30 bis 17.30 Uhr gegen eine Gebühr zu besichtigen. |hni

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