Rheinpfalz Ehrgeizige Energiepläne

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MAINZ. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima bescherte nicht nur den Grünen vor fünf Jahren ein Wahlergebnis von außergewöhnlich hohen 15,4 Prozent, sie legte praktisch den Grundstein für das größte Vorhaben der rot-grünen Landesregierung: Die Energiewende. 100 Prozent des Strombedarfs in Rheinland-Pfalz sollen bis zum Jahr 2030 bilanziell aus regenerativen Energiequellen gedeckt werden. Die damals schwarz-gelb geführte Bundesregierung formulierte im gleichen Jahr die Ziele für die Energiewende weniger ehrgeizig. Demnach soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch 2030 mindestens 50 Prozent und 2050 mindestens 80 Prozent betragen. Wie weit sind Bund und Land ihren Zielen nähergekommen? Nach den jüngsten vorliegenden Daten aus 2013 lag der Anteil des Ökostroms am Stromverbrauch bundesweit bei rund 25 Prozent und in Rheinland-Pfalz bei rund 23 Prozent. Das Mainzer Wirtschaftsministerium geht nach einer Hochrechnung davon aus, dass der Anteil 2015 bei rund 26 Prozent lag, das wären zehn Prozentpunkte mehr als im Jahr 2011. Zum erhofften Ziel klafft aber noch eine gewaltige Lücke. 1000 zusätzliche Windkraftanlagen sollen helfen, sie zu schließen. Ende 2010 standen 1100 im Land. Zwei Prozent der Landesfläche sind nach dem Landesentwicklungsplan IV für Windkraft vorgesehen. Vielen Kommunen sind die Windräder willkommen. Die Pachteinnahmen füllen die oft sehr klammen Kassen. Kritiker bemängeln, dass die Planung zu wenig zentralisiert ist und es deshalb zum Wildwuchs, zur Verspargelung der Landschaft kommt – eben weil die Regierung vorgegeben hat, die Entscheidungsebene von den regionalen Planungsgemeinschaften in die Kommunen zu verlagern. Die Öffnung des Waldes für Windräder löste insbesondere in der Pfalz eine kontrovers bis hitzig geführte Debatte aus. Beendet wurde sie erst, als klar war, dass der Bau den Status als Unesco-Biosphärenreservat gefährde. Vor gut einem Jahr gab das zuständige MAB-Komitee (MAB steht für Man and Biosphere) vor, dass nicht nur die Kern- und Pflegezonen des Pfälzerwaldes zu schützen sind, sondern auch die bewaldeten Entwicklungszonen. Strittig sind noch die Windkraftpläne der Stadtwerke Kaiserslautern entlang der A 6. An der Loreley setzten einige Kommunen ebenfalls auf Einnahmen aus der Windkraft, sie wollten es dem Hunsrück auf der linken Seite des Mittelrheintals gleich tun. Doch die Drohung, den Weltkulturerbe-Titel zu verlieren, ließ Wirtschafts- und Energieministerin Eveline Lemke (Grüne) an dieser Stelle ein klares „Nein“ aussprechen. Die Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse ist nur ein Teil der Energiewende. Speicher und „intelligente Stromnetze“ sollen für eine Verstetigung der Verfügbarkeit sorgen. Beides ist in der Forschung zwar einige Schritte vorangekommen, aber eine wirtschaftliche Nutzung ist noch nicht möglich. In Mainz und in der Südwestpfalz gibt es Projektanlagen, die mit überschüssigem Strom Biogas oder Wasserstoff herstellen. Im Mittelrheintal ist ein Pumpspeicherkraftwerk geplant, ebenso an der Mosel. Beide Projekte erweisen sich als äußerst langwierig. Die Idee, dass mittels neuer Haustechnik die Spülmaschine dann anspringt, wenn gerade der Wind weht oder die Sonne scheint, ist ebenfalls noch nicht im großen Stil realisierbar. Der effiziente und der sparsame Umgang mit Energie sind weitere Bausteine der Energiewende in Rheinland-Pfalz. Als Instrument, diese Gedanken in die Bevölkerung und in die Unternehmen zu tragen, war die Energieagentur gedacht. 2012 wurde sie gegründet, seitdem hat sie mit Thomas Pensel bereits ihren dritten Geschäftsführer. Es fehlte an einem schlagkräftigen Konzept für die 65 Beschäftigten, die über einen Jahresetat von bis zu sieben Millionen Euro verfügen. War vor fünf Jahren mit dem Begriff der Energiewende noch ein breit wahrnehmbares Aufbruchsignal verbunden, das die Menschen, die von der Kernenergie und auch von der Kohle weg wollten, vereinte, so hat sich das gesellschaftliche Klima verändert. Fast mit jedem Windrad wuchs der Widerstand. 53 Bürgerinitiativen in Rheinland-Pfalz und im Saarland haben sich zu dem Bündnis „Energiewende für Mensch und Natur e.V.“ zusammengeschlossen. Nach Angaben des Sprechers des Bündnisses, Uwe Anhäuser, vertritt es 12.000 Mitglieder. Sie demonstrieren vor Parteitagen, veranstalten eigene Kongresse und sind komplett auf Konfrontationskurs. Auch innerhalb der Umweltschutzorganisation BUND hat die Haltung zur Windkraft zu Zerwürfnissen geführt. Harry Neumann kam mit seinem Rücktritt als Vorsitzender einem Rauswurf zuvor. In Sachen Arbeitsplätze hat die Energiewende in Rheinland-Pfalz nicht den erhofften Boom gebracht. Der Bund hat die Förderung der regenerativen Energien schneller zurückgenommen als zunächst angekündigt. Der Mainzer Spezialglashersteller Schott AG hatte hochfliegende Pläne mit der Sonnenkraft, konnte letztlich aber gegen die billigere Konkurrenz aus China nicht bestehen. 2013 zog das Unternehmen die Reißleine, etwa 800 Beschäftigte waren davon betroffen. Beim einstigen Vorzeigeunternehmen der Branche, dem Windkraftprojektbetreiber Juwi GmbH in Wörrstadt, kamen zu den veränderten politischen Rahmenbedingungen unternehmerische Fehlleistungen. Die Gründer Matthias Willenbacher und Fred Jung mussten die Kontrolle über ihr Unternehmen seit 2014 mehr und mehr an die Mannheimer MVV abgeben. Im Gegenzug half das Energieunternehmen, das auch Kohlekraftwerke betreibt, mit Geld aus. Wie es mit der Energiewende nach der Landtagswahl weitergeht, hängt sehr stark von der künftigen Regierung ab. Die CDU beispielsweise will die Energieagentur auflösen. Die Grünen wollen nach der Stromwende nun die Wärmewende umsetzen und im SPD-Programm wird die „Vollendung der Energiewende“ für das Jahr 2050 angekündigt. Info: Nächste Folge: Kommunalreform

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