Rheinland-Pfalz Drei Fragen an: Bürgermeister Tielebörger

Seit dem Mord an der 15-jährigen Schülerin, die in Kandel von einem Flüchtling erstochen wurde, ist fast ein halbes Jahr vergangen: Die Tat und die folgenden Monate haben die Bürger der 8500 Einwohner zählenden Stadt aufgewühlt. Wir sprachen mit Kandels Stadtbürgermeister Günther Tielebörger über das aktuelle Stimmungsbild in Kandel und die Erwartungen der Bürger an den Prozess, der am Montag beginnt. Der 68-jährige SPD-Kommunalpolitiker ist seit 2004 im Amt.

Haben der Mord und die folgenden Kundgebungen verschiedener politischer Seiten das Leben in Kandel verändert?

Ja, das Leben in Kandel hat sich verändert. Nach der anfänglichen Trauer müssen wir durch die häufigen Demonstrationen erleben, wie Hass und übelste rechtsradikale Parolen sowie persönliche Verunglimpfungen in den sozialen Medien über Kandel hereingefallen sind. Die Instrumentalisierung dieses schrecklichen Ereignisses hat anfänglich zu Angst und Schrecken geführt, in den vergangenen Wochen allerdings kam es zu einer Stärkung der Gemeinschaft. Was führte zu diesem Umschwung? Unter dem Bündnis „Wir sind Kandel“ sind Vereine, Organisationen, der Verein für Handel und Gewerbe sowie Kirchen bemüht, das kulturelle Leben und die Lebensqualität durch viele Aktionen zu erhalten und Widerstand gegen Extreme aus der rechten und linken Szene zu leisten. Wir sind froh, dass der Prozess jetzt beginnt und hoffen auf ein baldiges Ende und ein Urteil, mit dem die Bevölkerung leben kann. Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat ist ungebrochen. Haben der Mord und die anschließenden Ereignisse denn die Haltung der Kandeler zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geändert? Die persönliche Haltung unter vielen Bürgern zur Flüchtlingspolitik ist durchaus sensibler geworden, obwohl die Zusammenarbeit mit den in Kandel lebenden Flüchtlingen weiterhin positiv zu werten ist. Das sieht man auch daran, dass das ehrenamtliche Engagement nicht nachgelassen hat. Allerdings möchte man mit diesem Engagement nicht an die Öffentlichkeit und dabei nicht in den sozialen Medien verunglimpft werden.

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