Rheinland-Pfalz Der Weg ist noch nicht zu Ende

Vielleicht die letzten Zeitzeugen der Protestaktion in St. Germanshof: Matthias Heister und seine Frau Christel vor dem früheren
Vielleicht die letzten Zeitzeugen der Protestaktion in St. Germanshof: Matthias Heister und seine Frau Christel vor dem früheren Zollhaus.

«St. Germanshof.»Da laufen sie Hand in Hand die Straße in St. Germanshof entlang: Matthias Heister und seine Ehefrau Christel. Heute können sie auf der L 478 problemlos in Richtung Weiler laufen und dabei die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich passieren. Schlagbäume gibt es schon lange mehr zwischen den beiden Nationen. Das hatte sich das Bonner Ehepaar bereits zu Jugendzeiten gewünscht, als Zollbeamte Passanten und Autofahrer kontrollierten und eine Europäische Union noch Zukunftsmusik war. Für dieses Ziel waren sie beide in St. Germanshof auf die Straße gegangen. Noch vielmehr: Sie waren mittendrin in der Studentengruppe, die am 6. August 1950 am deutsch-französischen Grenzübergang symbolisch einen Schlagbaum zerstörte, verbrannte und eine europäische Einheit forderte. Damit dieses Ereignis nicht in Vergessenheit gerät, haben sie das ehemalige deutsche Zollhaus erworben. Das historische Gebäude, das bis zuletzt in Privatbesitz war und vor wenigen Wochen für einen niedrigen sechsstelligen Betrag den Eigentümer wechselte, soll bis Anfang kommenden Jahres zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte umgewandelt werden. So wünscht es sich die Aktionsgemeinschaft Bobenthal-St. Germanshof, die sich seit 2003 in vielfältiger Weise für die Gemeinde engagiert und 2007 gegenüber dem ehemaligen Zollhaus ein Europa-Denkmal mit zwölf Stelen errichtet hat, damals noch unter dem Vorsitzenden Herbert Ludwig Breiner. Heister, der im Jahr 2015 ein Buch über die denkwürdige Protestaktion geschrieben hat, bei der er damals als Vorsitzender des Internationalen Studentenbundes in Köln mitwirkte, ist im Vorstand der Aktionsgemeinschaft vertreten. Der 93-Jährige, neben seiner Frau vermutlich der letzte Zeitzeuge, war es auch, der die Umfunktionierung des früheren Zollhauses in ein Dokumentationszentrum angeregt hatte. „Die Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Matthias Heister. Seine Frau ergänzt: „Vor allem jetzt, in einer Zeit, in der die EU in der Diskussion steht.“ Im Erdgeschoss des Zollhauses soll eine Ausstellung Besucher an vergangene Zeiten erinnern. „Unter anderem das Historische Archiv der Europäischen Union in Florenz würde uns Daten und Materialien dafür zukommen lassen“, berichtet Heister. Die beiden oberen Geschosse, in denen zuletzt ein Ehepaar wohnte, soll möglichst von einer Person bezogen werden, die sich um die Besucher der Begegnungsstätte kümmert. Bis sie Interessierten die Türen tatsächlich öffnen kann, wird es allerdings noch einige Monate dauern. Zunächst stehen nämlich einige Umbauarbeiten an. Insbesondere im Erdgeschoss muss Hand angelegt werden. „Geplant ist, unter anderem die Decke und den Fußboden zu erneuern, auch Besuchertoiletten fehlen“, erklärt Matthias Heister, während er durch die Räumlichkeiten führt, die sich in einem renovierungsbedürftigen Zustand präsentieren. Die beiden oberen Geschosse, jeweils rund 60 Quadratmeter groß, seien hingegen noch gut in Schuss. „Ich habe einen Architekten beauftragt, die Kosten für dieses Projekt zu ermitteln“, erzählt Heister, der zwischen 1970 und 1990 Ministerialdirigent und stellvertretender Generalsekretär der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in Bonn war. Ist die Modernisierung abgeschlossen, geht es an die Ausstattung der Begegnungsstätte. Die Kosten wird die Aktionsgemeinschaft übernehmen, informiert deren Vorsitzender, Wolfgang Bambey. Dafür seien in der Vergangenheit Spenden in Höhe von 50.000 Euro gesammelt worden. Vor drei Jahren sah die Situation im Verein allerdings noch ganz anders aus. Damals hatte die Aktionsgemeinschaft das Europa-Denkmal an die Verbandsgemeinde Dahner Felsenland übergeben, weil sie die Kosten nicht mehr tragen konnte. Auch den Spendenbestand in Höhe von seinerzeit 2000 Euro überwies sie an die Verbandsgemeinde, der für den Unterhalt des Denkmals verwendet wurde. „Der Verein stand damals kurz vor der Auflösung, weil er keine jungen Kräfte für Posten im Vorstand gewinnen konnte“, berichtet Bambey, der bis zum vergangenen Jahr Verbandsbürgermeister war und seit Dezember 2016 Vorsitzender des Vereins ist. „Nachdem Herr Heister den Verein dafür begeistern konnte, im Zollhaus eine Gedenk- und Begegnungsstätte einzurichten, hatten wir Zulauf von neuen Mitgliedern, zudem konnten wir Sponsoren für dieses Projekt gewinnen“, erzählt Bambey. „Die Mietkosten werden dann von der Stiftung europäische Kultur und Bildung im Saarland beglichen“, berichtet Bambey. Für deren früheren Vorsitzenden, mittlerweile verstorbenen Arno Krause, sei dieses Projekt immer eine Herzensangelegenheit gewesen. Auch die Zukunftsregion Westpfalz (ZRW) sitzt mit im Boot. Sie soll mit der Öffentlichkeitsarbeit beauftragt werden. „Im Zollhaus gibt es kein Internet, sodass es einfacher ist, dass die ZRW von Kaiserslautern aus die Homepage betreibt, die noch eingerichtet werden wird“, sagt Bambey. Darüber hinaus möchte man alljährlich Jugendliche zu einem mehr-tägigen Sommercamp auf dem Gelände einladen, welches sich hinter dem früheren Zollgebäude befindet. Bei den Treffen sollen sich junge Leute mit der Zukunft Europas beschäftigen. So weit die Überlegungen. „Das Projekt steckt jedoch in den Kinderschuhen, das werden wir noch detaillierter besprechen müssen“, sagt Bambey, der sich nach seiner Zeit als Verbandsbürgermeister nun im Ruhestand weiter um das Projekt kümmert. Ihm sei es immer ein Anliegen gewesen, dass sich zukünftig Menschen an dem geschichtsträchtigen Ort mit der europäischen Idee und der Zukunft befassen. Schon bald könnte das möglich sein. Info Wer der Aktionsgemeinschaft Bobenthal-St. Germanshof beitreten und das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann sich an den ersten Vorsitzenden des Vereins, Wolfgang Bambey, wenden: wolfgangbambey@gmail.com

6. August 1950: Rund 300 Studenten aus acht europäischen Ländern zerstören die Grenzschranke zwischen Wissembourg und St. German
6. August 1950: Rund 300 Studenten aus acht europäischen Ländern zerstören die Grenzschranke zwischen Wissembourg und St. Germanshof.
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