Rheinland-Pfalz Das Geschenk des Himmels

Genau 14 Kilo und 765 Gramm bringt der Krähenberg-Meteorit noch auf die Waage. So die aktuelle Messung von Ludger Tekampe vom Hi
Genau 14 Kilo und 765 Gramm bringt der Krähenberg-Meteorit noch auf die Waage. So die aktuelle Messung von Ludger Tekampe vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Ursprünglich soll er mal etwa ein Kilogramm schwerer gewesen sein.

«KRÄHENBERG.» Gut 150 Einwohner, eine Gemarkung von 440 Hektar, davon 154 Hektar bewaldet: Das ist – grob gesagt – die Sickingerhöhen-Gemeinde Krähenberg. Das klingt nicht sehr spektakulär. Doch an einem Maiabend vor 150 Jahren ist der kleinste Ort der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Wallhalben berühmt geworden. Zumindest in Fachkreisen. Dort wird der Meteorit meist „der Krähenberger“ genannt. Entstanden ist er vor etwa 4,6 Milliarden Jahren, sagt Rainer Bartoschewitz. Der Diplom-Ingenieur aus dem niedersächsischen Gifhorn betreibt seit mehr als drei Jahrzehnten Meteoritenforschung. „Geboren“ wurde der Krähenberger von einem Asteroiden. Von welchem, ist bis heute nicht enträtselt. Bekannt ist aber, dass er aus „zusammengebackenen Partikeln des solaren Urnebels“ besteht, so Bartoschewitz. Solche Steinmeteorite bezeichnen die Fachleute als Chondriten. Wobei der Krähenberger zu den Chondriten mit einem geringen Eisen- und Metallanteil gehört. Seine Ankunft war 1869 in weiten Teilen der Pfalz wahrzunehmen: Im südpfälzischen Gleisweiler glaubten Bewohner, einen fernen Kanonenschuss gehört zu haben. In Speyer vermuteten manche, dass dieser Schuss in der nahen Festung Germersheim abgegeben worden sei. Wieder andere sprachen von einer Explosion in der französischen Grenzfestung Bitsch. Der pfälzische Gelehrte Georg von Neumayer hat solche Beobachtungen gesammelt und schon zwei Monate nach dem Ereignis einen umfangreichen Bericht vorgelegt. „Bei vollkommen wolkenlosem und heiteren Himmel“, haben die Bewohner von Krähenberg und dem benachbarten Wiesbach um 18.32 Uhr zunächst „einen furchtbaren Knall“ gehört, notierte der Wissenschaftler. Dem folgte „ein Rollen, ein Geknatter“, dann „ein Brausen“, ähnlich wie es der ausströmende Dampf einer Lokomotive verursache. Manche Bauern hätten deshalb befürchtet, dass „die Eisenbahn bei Homburg in die Luft gesprungen“ sei. Die Menschen seien noch mehr verängstigt worden, als sich bei völliger Windstille die Blätter der Bäume auf scheinbar unerklärliche Weise zu bewegen begannen. Dass für all das „nur“ ein Steinbrocken in Form und Größe eines Brotlaibes verantwortlich war, entdeckten die Krähenberger bald selbst. Über seine Bergung gibt es zwei Versionen, so Ludger Tekampe vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Eine lautet, zwei Schuljungen hätten den Meteoriten ausgegraben, der etwa 80 Zentimeter in den Wiesengrund eingedrungen war. Sie sollen den Brocken ins Haus des Lehrers gebracht haben, wo sie aber von dessen Frau abgewiesen wurden: Sie wollte mit diesem „Teufelsding“ nichts zu tun haben. Deshalb brachten die Jungs das „Ding“ zu dem Bauern, auf dessen Wiese es gelandet war. Nach einer anderen Version hat dieser Bauer mit Namen Heinrich Lauer den Stein selbst ausgegraben und ihn zum Schulhaus gebracht. Schon am nächsten Tag sollen 400 Schaulustige nach Krähenberg gepilgert sein, um den merkwürdigen schwarzgrauen Brocken zu bestaunen. Bei dieser Gelegenheit wurden wohl die ersten „Souvenirs“ aus dem Teufelsding herausgebrochen. Georg von Neumayer gab das Gewicht des Himmelskörpers 1869 mit 15,75 Kilogramm an. Tekampe hat kurz vor dem 150. Jahrestag der Ankunft des Krähenberges nachgemessen. Heute bringt es der Meteorit noch auf 14,765 Kilogramm. Mehrfach wurden dem Stein kleinere Proben entnommen und gegen andere Meteoriten-Bruchstücke getauscht. So kamen im Jahre 1900 genau zwölf Gramm des Krähenbergers in den Besitz eines Londoner Museums, während 16,5 Gramm des in Britsch-Zentralafrika niedergegangenen Zomba-Meteoriten in die Pfalz gelangten. 1906 wurde das Kaiserliche Mineralienkabinett in Wien mit gut zwölf Gramm des Krähenberger bedacht, während man sich dort mit sechs Meteoriten-Proben revanchierte. Zuletzt musste der Pfälzer Meteorit laut Tekampe im Jahre 1978 etwas „abspecken“: Damals wurden „einige Gramm“ dem Smithsonian Institut in Washington spendiert, wie aus einem RHEINPFALZ-Bericht hervorgeht. Und wem gehört dieses Geschenk des Himmels? Um diese Frage entspannte sich nach seinem Fund ein juristisches Gezerre zwischen der Regierung der Pfalz, der Eigentümerin des Grundstücks und der Gemeinde. War der Meteorit etwa wie ein Schatz zu behandeln, war eine der aufgeworfenen Fragen. Spitzfindig meinten Juristen, dass er kein Schatz sein könne. Denn dieser Begriff setze voraus, dass er ursprünglich einen Besitzer hatte. Doch der könne bei einem Meteoriten wohl schwerlich ermittelt werden. Schließlich einigte sich die Regierung der Pfalz mit ihren Kontrahenten darauf, dass der Krähenberger gegen Zahlung von jeweils 100 Gulden an Gemeinde und Grundstückseigentümerin ins Eigentum des Historischen Museums übergehen soll. Auch das Königreich Bayern bemühte sich hartnäckig, den Meteoriten aus seiner Rheinprovinz nach München zu holen. Damit die Bajuwaren Ruhe gaben, genehmigte der Landrat der Pfalz die Abgabe von einem Kubikzentimeter des Krähenbergers. In der Folge wurde der Pfälzer Vorzeige-Meteorit meist im Historischen Museum in Speyer aufbewahrt. Ab 1949 wurde er zeitweise an das heutige Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim und an dessen Zweigstelle Geoskop auf der Burg Lichtenberg ausgeliehen. Zuletzt war der Krähenberger 2013 in der Ausstellung „Königreich Pfalz“ in Speyer zu sehen. Dafür war das Geschenk des Himmels mit einer Million Euro versichert. Seitdem wird der Stein laut Tekampe sich im Speyerer Museumsdepot verwahrt. Wer mehr über den Meteorit wissen möchte: Reinhard Flößer, der frühere Leiter des Pfalzmuseums für Naturkunde, hält am morgigen Mittwoch um 19.30 Uhr im Geoskop einen Vortrag über den „Fall Krähenberg“. Und Rainer Bartoschewitz würde sich freuen, wenn am Samstag und Sonntag noch einige Kurzentschlossene zum 11. Deutschen Meteoriten-Kolloquium in Krähenberg stoßen würden. Beginn dieser Veranstaltung, die sich intensiv mit dem Pfälzer Meteoriten beschäftigt, ist am Samstag um 10 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus.

Befasste sich ausführlich mit dem Krähenberg-Meteoriten: Georg von Neumayer.
Befasste sich ausführlich mit dem Krähenberg-Meteoriten: Georg von Neumayer.
Neben dem Pfälzer Löwen ist im Wappen von Krähenberg ein fallender Komet zu erkennen.
Neben dem Pfälzer Löwen ist im Wappen von Krähenberg ein fallender Komet zu erkennen.
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