Rheinpfalz Das Feuerwerk aus dem All

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Oberwesel. Rund 130 Millionen Euro lassen sich die Deutschen heute ihr Silvesterfeuerwerk kosten. Ganz umsonst gibt es das Funkeln und Leuchten am Himmel, wenn es Sternschnuppen regnet – ab Freitag ist es wieder so weit. Ein Ehepaar in Oberwesel am Mittelrhein ist von dem Feuerwerk aus dem All so fasziniert, dass es daraus ein eigenes Museum gemacht hat.

Stephan Decker weiß noch ganz genau, wie und wo ihn die Leidenschaft für die Himmelserscheinungen vor über 15 Jahren gepackt hat: an einem Augustabend, als er in Oberwesel auf der Terrasse mit seiner Frau ein Glas Rheinwein trank. „Erst sah ich eine Sternschnuppe, dann schon wieder eine, da hat es dann gefunkt“, sagt der heute 56-Jährige. Sein Gedanke damals: „So ein Stück müsstest Du einmal in der Hand haben.“ Der Wunsch ging in Erfüllung – bei diesem Sternschnuppen-Augenblick eigentlich kein Wunder. Gabriele und Stephan Decker begannen Meteoriten zu sammeln, lasen sich Hintergrundwissen an und wurden so immer mehr Teil jener weltweiten Szene, die hinter der außerirdischen Materie her ist. Ein Gramm davon kann schon einmal schnell 1000 Dollar und mehr kosten. Als Glücksfall erwies sich für Deckers die zufällige Geschäftsbeziehung zu einem sudanesischen Geologen, der Bruchstücke des Meteoriten Almahata Sitta gefunden hatte. Dieser war 2008 im nördlichen Sudan niedergegangen und gilt wegen seiner vielfältigen Zusammensetzung als sehr außergewöhnlich. Zunächst hatte nur die US-Raumfahrtbehörde Nasa Almahata-Sitta-Material besessen, es war deshalb bis dahin auf dem Weltmarkt nicht gehandelt worden. Stephan Decker wurde für einige Jahre der alleinige Abkäufer des Sudanesen. „Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt er. Denn mit den begehrten Stücken bekam er von anderen Sammlern im Tausch weitere seltene Meteoriten, die diese ansonsten nicht abgeben hätten. Was die Eheleute aus Oberwesel so zusammengetragen haben, ist in ihrem 2011 eröffneten „Meteoriten-Museum“ zu sehen – es ist das einzige seiner Art in Deutschland. Glanzstück der Ausstellung ist ein 43 Kilogramm schweres Teil des „Campo del Cielo“-Eisenmeteorits, der 1576 in Argentinien gefunden worden war. Aus dem anfänglichen Hobby ist mittlerweile ein Beruf geworden. Das Computerservice-Geschäft, das die Deckers bisher betrieben hatten, wurde dieses Jahr aufgegeben. Dem Museum ist ein Internet-Shop angegliedert, in dem es Weltraumsteinchen unter anderem als Schmuck oder auch „Sternschnuppen-Glücksbringer“ zu kaufen gibt. Streng genommen sind es natürlich keine Sternschnuppen, die im Oberweseler Museum zu sehen sind. Sternschnuppen sind Lichterscheinungen. Sie werden von Teilchen verursacht, die nur einen Millimeter bis einen Zentimeter groß sind – so klein, dass sie beim Eintritt in die Erdatmosphäre komplett verglühen. „Meteoriten“ nennen die Fachleute Objekte, die beim Sturz zur Erde nicht völlig verdampfen und wie der „Campo del Cielo“ auf der Oberfläche einschlagen. In Deutschland passiere das etwa alle zehn Jahre, sagt Decker. Die Pfalz erlebte solch ein seltenes Ereignis am 5. Mai 1869 auf der Sickinger Höhe in der Nähe von Krähenberg. Dort krachte eine Feuerkugel unter lautem Getöse in eine Wiese – und sorgte für Erschrecken, Ängste und Spekulationen. Einige Bauern glaubten zuerst, „die Eisenbahn sei bei Homburg in die Luft gesprungen und käme Dampf auslassend von oben herab“, wie es damals in einem Bericht über die spektakuläre Erscheinung hieß. Andere vermuteten, dass der Knall von einer Pulverexplosion in der französischen Festung Bitsch oder im Fort von Landau herrührte. Doch Ursache war ein brotlaibgroßer Meteorit, der sich beim Aufprall 60 Zentimeter tief in den Boden gebohrt hatte. Der Original-Krähenberg-Meteorit gehört dem Historischen Verein der Pfalz. Kopien sind im Urweltmuseum Geoskop auf Burg Lichtenberg (Kreis Kusel) und im Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim zu sehen. Stephan Decker hat zur Eröffnung seines Museums von einem Pfälzer Geologen ebenfalls eine Nachbildung geschenkt bekommen, die in einer der Vitrinen ausgestellt ist. Die meisten Meteoriten-Stücke im Oberweseler Museum sind freilich Originale, dazu mit Zertifikat – dennoch entfalten sie natürlich keinen Feuerzauber mehr. Aber man kann ihre Schmelzkruste abtasten, die durch die starke Reibungshitze beim Erdeintritt entstanden ist. Und man kann an ihnen riechen: Der Eisengeruch des „Campo del Cielo“-Brockens bleibt in der Nase hängen. Wer aber sehen will, wie die Sternschnuppen-Schwärme am Himmel funkeln, muss deren Rhythmus kennen. Meteorschauer entstammen ursprünglich dem Schweif von Kometen, die auf ihrer Reise um die Sonne eine Spur aus Staub und Gestein hinterlassen. Auf ihrer Bahn kreuzt die Erde immer wieder solche Schweifrückstände, die dann am Himmel als Sternschnuppen verglühen. Deshalb treten die verschiedenen Sternschnuppen-Schwärme jährlich jeweils zur gleichen Zeit auf. Den Reigen eröffnet der Quadrantiden-Schauer, der vom 1. bis 5. Januar aktiv ist. Das Maximum ist nach Angaben der Sternwarte des Deutschen Museums in München am frühen Morgen des 4. Januar zu erblicken. Rund 120 – manchmal sogar bis zu 200 – Sternschnuppen pro Stunde sind dann bei optimalen Bedingungen zu sehen. Damit gehören die Quadrantiden neben den bekannten Perseiden im August zu den Sternschnuppen-Schwärmen mit den höchsten Fallraten. In der Silvesternacht haben Sternschnuppen dagegen wenig Chancen gesehen zu werden. Da gehört der Himmel dem heimischen Feuerwerk. Auch Stephan Decker denkt beim Jahreswechsel ausnahmsweise einmal nicht an auf die Erde zurasende Meteoriten: „In dieser Nacht schießen wir zurück.“ Info —Meteoriten-Museum Oberwesel (Oberstraße 10a), geöffnet: Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag: 9-12 Uhr und 14.30-17 Uhr, Mittwoch: 9-12 Uhr, Samstag: 10-12 Uhr. Infos: www.meteorite-museum.de. —Infos zur Beobachtung der Quadrantiden: www.timeanddate.de (Rubriken: „Sonne & Mond“, „Meteorschauer 2015/16“).

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