Rheinland-Pfalz Das Ende der leisen Töne

Von der Verbindung von Orgelspiel, Dom und Fasnacht versprachen sich offenbar sehr viele etwas Außergewöhnliches.
Von der Verbindung von Orgelspiel, Dom und Fasnacht versprachen sich offenbar sehr viele etwas Außergewöhnliches.

Seit gestern ist es vorbei mit der Einheit. Mainz ist gespalten in jene, die in der Straßenfasnacht die fröhlichste Zeit des ganzen Jahres sehen, und in jene, die flüchten, wenn sie können. Irgendwo dazwischen bewege ich mich. Mit der Weiberfasnacht konnte ich noch nie viel anfangen, aber das ist ein anderes Thema. Letzten Samstag, Mainz war noch geeint und in überschaubarem Maß mit Menschen in Gardeuniformen bestückt, füllte sich um die Mittagszeit der Dom wie sonst nur an Heiligabend oder zur Bischofsweihe, letztere kommt eher selten vor. Zum Glück fand ich auf einer Treppe ein Plätzchen, um sitzend der Orgelmatinee mit „Improvisationen zur Fastnacht“ zu lauschen. Diese Verbindung von Orgelspiel, Dom und Fasnacht war eine Verheißung, von der sich offenbar sehr viele etwas Außergewöhnliches versprachen. Der Strom der Menschen wollte gar nicht abreißen. Manche kamen wohl zufällig, hatten gerade auf dem Markt am Domplatz eingekauft. Aus einem Korb ragte eine Lauchstange, ein Blumenstrauß aus einem anderen. Andere kamen gezielt und hatten sich wohl Gedanken über ihre Garderobe gemacht. Wie geht man zu Fasnacht in den Dom? Für solche und andere Zweifelsfälle gibt es in Mainz die sogenannten vierfarbbunten Schals in rot-weiß-blau-gelb. Möglich ist auch das Umhängen des aktuellen Zugplakettchens, jener Figuren, mit denen der Mainzer Carneval Verein (MCV) einen Teil des Rosenmontagszugs finanziert. In diesem Jahr ist es ein Mond – für Rosenmon(d)tag. „Do kannste Gestalte sehe“, sagte die Frau neben mir auf der Treppenstufe, die gerne mitsummte, sobald sie einen Fasnachtshit erkannte, und zeigte auf eine Besucherin. Aber das war kein Fasnachtskostüm, eher eine eigenwillige Improvisation auf die Modemarke Desigual. Eigenwillig waren auch die Improvisationen des Organisten Otto Maria Krämer aus Straelen, soweit sie akustisch überhaupt in alle Bereiche des Doms drangen. In einem Bach-Choral versteckte er auffindbar „Heile, heile Gänsje“. Das Rosenmontagslied klang für einige wenige Takte an, auf das „Humba Täterä“ wartete das Ohr vergebens. Schunkelgefahr bestand nicht. Dass Straelens Orgelspiel nicht durchdrang und am Ende der etwa 40-minütigen Matinee viele Plätze frei waren, darf ehrlicherweise nicht (nur) dem Organisten angelastet werden. Die Orgel ist kaputt, und seit Jahren laufen Benefizaktionen für eine neue. Die Fastnachtsimprovisationen gehörten dazu. Gerne haben die Besucher die Spendenkörbchen gefüllt, auf dass die leisen Töne irgendwann einmal ein Ende haben. DIE KOLUMNE Karin Dauscher, Jahrgang 1966, ist Korrespondentin im Mainzer RHEINPFALZ-Büro. Mit ihrer vierköpfigen Familie lebt sie in der Landeshauptstadt. In „Mein Mainz“ notiert sie Begegnungen und Erlebnisse aus ihrer Wahlheimatstadt.

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