Rheinland-Pfalz Bluttat in Kandel: "Anscheinend keine Betreuer da"

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In einen Drogeriemarkt in Kandel ist die 15-Jährige am 27. Dezember erstochen worden.

«Kandel/Mainz.» War der Beschuldigte im Mordfall Kandel am Tattag in entscheidenden Momenten ohne Betreuung? Fest steht inzwischen: Für die Zeit der Schulferien wurde der Tatverdächtige, ein nach Behördenangaben damals 15-jähriger afghanischer Flüchtling, nicht umfangreicher betreut als sonst. Zum mutmaßlichen Mord an der 15-jährigen Schülerin in Kandel war es am 27. Dezember gekommen – also mitten in den Weihnachtsferien.

Wie berichtet, war der Flüchtling auf Betreiben der für ihn zuständigen Kreisverwaltung Germersheim in einer Wohngruppe in Neustadt untergebracht, die von der Maikammerer Kinder- und Jugendhilfe MIO („Miteinander, Individualität, Orientierung“) betrieben wurde. Nach Angaben der Kreisverwaltung lebten in dieser Wohngruppe vier Jugendliche, die von drei Bezugserziehern versorgt und pädagogisch betreut wurden. Zur Intensität hatte die Kreisverwaltung mitgeteilt: Die jugendlichen Flüchtlinge seien dort „zusätzlich zum Schulbesuch mit mindestens zehn Stunden pro Woche pro Jugendlichem betreut“ worden. Dass dies in der Zeit der Schulferien nicht anders war, hat inzwischen das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) in Mainz bestätigt, das für die MIO-Wohngruppe im Mai 2017 eine Betriebserlaubnis erteilt hatte: „Die Festlegung des Mindestpersonals differenziert nicht zwischen Schul- und Ferienzeiten.“ Dies könnte erklären, dass die Polizei, als sie am Tattag gegen 11 Uhr die Wohngruppe in Neustadt aufsuchte, keine Betreuungspersonen zu Gesicht bekam. Grund für den Polizeibesuch waren Anzeigen der Schülerin und ihres Vaters, die sie am 15. und 17. Dezember gegen den Flüchtling unter anderem wegen Nötigung und Bedrohung erstattet hatten. Wie berichtet, hatte das Mädchen eine mehrmonatige Beziehung zu dem Afghanen, beide hatten bis zu den Sommerferien 2017 die Integrierte Gesamtschule in Kandel besucht. Am 4. Dezember hatte die 15-Jährige diese Beziehung beendet. In dem Gespräch am Vormittag des Tattages erklärten die Polizisten dem Flüchtling, dass er wegen der Anzeigen auf der Inspektion Neustadt vernommen werden sollte, als Termin dafür nannten sie ihm den 2. Januar. Den Ablauf der mehrminütigen Unterredung schildert Polizeisprecher Michael Baron so: Die Polizeibeamten hätten vor Ort ihr Auto geparkt und am Haus geklingelt. Ein junger Mann habe daraufhin das Fenster geöffnet und sich auf Nachfrage als derjenige zu erkennen gegeben, zu dem die Beamten wollten. Baron weiter: Der junge Mann habe dann gesagt, er komme herunter zu den Polizeibeamten. Das Gespräch habe dann im Hausflur stattgefunden. Die Frage der Beamten, ob jemand von den Betreuern da sei, habe der Flüchtling verneint. Baron: „Anscheinend war kein Betreuer da, aber die Beamten waren nicht in der Wohnung drin.“ Einen ähnlichen Hinweis hatte AfD-Fraktionschef Junge gegeben, als der Landtag am 24. Januar über den Fall Kandel debattierte. Er habe vor Kurzem erfahren, dass in der Woche nach Weihnachten keiner der drei Betreuer in der Wohngruppe anwesend war, sagte Junge. Die Kinder- und Jugendhilfe MIO machte dazu bisher keine Angaben, eine entsprechende RHEINPFALZ-Anfrage blieb unbeantwortet. Damit ist weiter unklar, was der junge Flüchtling nach dem Besuch der Polizei unternahm, wie er auf die angekündigte Vernehmung reagierte und ob ihn eventuell jemand hätte aufhalten können. Fest steht: Der Beschuldigte war schließlich von Neustadt nach Kandel gefahren und traf dort am Nachmittag am Bahnhof auf die Schülerin. Kurz danach, um 15.22 Uhr, soll er sie in einem Drogeriemarkt niedergestochen haben. Bisher lägen ihr noch keine Erkenntnisse dazu vor, wie und wann sich der Beschuldigte nach Kandel begeben habe, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig. Die Ermittlungen dauerten nach wie vor an, der Beschuldigte mache weiterhin von seinem Schweigerecht Gebrauch. Info Hier geht es zum Überblick der Berichterstattung über den Fall.

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