Rheinland-Pfalz Betrug gebongt

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Neustadt/Mainz. Die schwarzen Schafe werden in Gastronomie, Handel und selbst in Apotheken vermutet: Mit Hilfe von manipulierten Registrierkassen sollen dort jährlich rund zehn Milliarden Euro an Steuern hinterzogen werden. Ein spektakulärer Fall hat jetzt das Finanzgericht in Neustadt beschäftigt.

Rund 1,6 Millionen Euro hat der Inhaber eines Eiscafés im Norden von Rheinland-Pfalz über Jahre hinweg an Steuern hinterzogen. Möglich machte dies eine Kasse mit Schwindel-Programm. Der Mann ist nach Angaben der Behörden „voll geständig“. Doch er gab an, den Steuerbetrug nicht alleine ausgeheckt zu haben. Die Ausrüstung für die Trickserei habe er vom Geschäftsführer einer Firma, die solche Kassensysteme samt Manipulationssoftware herstelle und vertreibe. Der Firmenchef, so die weiteren Einlassungen des Eiscafé-Betreibers, habe ihm versichert, die Software könne völlig risikolos eingesetzt werden. Solche Manipulationen von Registrierkassen haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen, weiß man bei den Finanzbehörden. Die Experten dort stehen dabei vor dem Problem, teils kaum nachweisbare Täuschungsmanöver zu entlarven. Bei der Eisdielen-Kasse war die Manipulationssoftware so versteckt, dass sie die Steuerfahnder bei einer ersten Durchsuchung offenbar nicht entdeckten. In der Rückschau wurde schließlich festgestellt, dass von 2003 bis 2012 die erfassten Daten vom Kassensystem geschönt worden waren: Die eigentlich erzielten Umsätze erschienen damit deutlich niedriger. Der Eiscafé-Betreiber ist inzwischen vom Landgericht Koblenz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Doch ins Visier der Fahnder geriet auch der Geschäftsführer des Kassensystem-Herstellers. Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Zu Recht, wie das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Sitz in Neustadt feststellte. Der Tenor der gestern veröffentlichten Entscheidung: Hersteller manipulierter Kassensysteme haften persönlich für hinterzogene Steuern ihrer Kunden. Der Geschäftsführer wollte für die 1,6 Millionen Euro nicht geradestehen. Er behauptete, ein Mitarbeiter habe das Manipulationsprogramm entwickelt, er selbst habe keine Kenntnis von der betrügerischen Software gehabt. Aufgrund seines Einspruchs gegen den Bescheid der Finanzbehörden war der Fall schließlich beim Finanzgericht gelandet. Dort nahm man dem Geschäftsführer seine angebliche Ahnungslosigkeit aber nicht ab. Heimlich werden Beträge vom Kassensystem storniert, nach unten korrigiert oder gelöscht

Kassensysteme mit Manipulationssoftware seien verbreiteter als man denke, sagt ein Insider der rheinland-pfälzischen Finanzbehörden. Und die Kassenlieferanten stehen offenbar unter Druck, solche Schwindelkassen anzubieten. Gegenüber dem ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ gab ein Händler zu: „Da kommen Kunden, die kennen mich noch gar nicht und sagen: Wie kann ich denn 30 Prozent platt schlagen?“ Mit einer Manipulationssoftware lassen sich heimlich Beträge stornieren, nach unten „korrigieren“ oder löschen. Ein Experte der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen schildert einen der beliebten Tricks: „Jede Kasse hat eine Storno-Funktion, die auch notwendig ist. Sie kann aber missbraucht werden: Man kassiert fünf Euro und löscht den Betrag anschließend, ohne dass ein Kunde wirklich etwas umgetauscht hat. Die Stornierung wird auf der Tagesabschlussrechnung nicht vermerkt. So schleust man das Geld am Finanzamt vorbei.“ Zusätzlich gibt es eine Software, die den Wareneinkauf manipuliert – damit dem Steuerprüfer nicht auffällt, dass monatlich mehr Ware geordert als verkauft wird. Vor einem Jahr hatte sich der damalige rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) für Gegenmaßnahmen stark gemacht: Er forderte den Einsatz einer „Smartcard“, die an das Kassensystem angeschlossen werden soll. Wie eine Art Fahrtenschreiber würde sie alle Eingaben und Veränderungen aufzeichnen. Eine Manipulation der Kassen könnte mit solch einem etwa 20 bis 30 Euro teuren Zusatzgerät so gut wie ausgeschlossen werden, meinte Kühl. Das heißt: Finanzbehörden könnten dann beispielsweise später nachvollziehen, ob Stornierungen korrekt waren oder nur ein Trick. Vor allem bei Bar-Zahlung wird getrickst

Doch für die Einführung eines solchen Kontrollsystems müssten erst die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Und das dauert. Zwar haben die Länder-Finanzminister bereits im Mai 2014 „dringenden Handlungsbedarf“ festgestellt; erst im Dezember erging dann aber an ihre Abteilungsleiter der Auftrag, ein Maßnahmenpaket zu schnüren. Die Überlegungen hierzu seien noch nicht abgeschlossen, „da verschiedene praktische und rechtliche Fragen zu klären sind“, sagte gestern der Sprecher des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums. Dass gerade in Deutschland die Anzahl der Betrugsfälle mit manipulierten Kassen steigt, hat für den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) einen einfachen Grund: „Bei uns wird, anders als in anderen Ländern, oft bar bezahlt.“ Und vor allem dabei kann getrickst werden. Bei EC-Buchungen werde dagegen nicht manipuliert, denn die seien rückverfolgbar, wissen Experten der Finanzbehörden.

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