Rheinland-Pfalz Bad Dürkheim: Schweigen über Hitlers Hengste

Einst standen sie vor Hitlers Reichskanzlei: Am 21. Mai 2015 ließen Berliner Kunstfahnder die Bronze-Pferde abtransportieren. Se
Einst standen sie vor Hitlers Reichskanzlei: Am 21. Mai 2015 ließen Berliner Kunstfahnder die Bronze-Pferde abtransportieren. Seither wird gegen den Bad Dürkheimer ermittelt, bei dem sie gefunden worden waren.

«Bad Dürkheim/Berlin.» Drei Jahre ist es her, dass Berliner Ermittler in Bad Dürkheim verschollene Kunstwerke aus Hitlers Reichskanzlei beschlagnahmten. Was aus den spektakulären Bronzeskulpturen wird, ist bis heute offen: Die Ermittlungen dauern nach wie vor an. Was Fahnder überhaupt noch herausfinden wollen, behalten sie für sich.

Hitlers Hengste sollten in der Bundeshauptstadt eine Sonderausstellung bekommen. Und danach ins Deutsche Historische Museum ziehen. Oder ins Kunsthaus Dahlem. Oder in die Spandauer Zitadelle. Eifrig diskutierten im Frühsommer 2015 Historiker und Kunst-Experten bis hin zur Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), was mit dem Sensationsfund aus der Pfalz passieren sollte. Denn bei einer Razzia am 20. Mai hatten Fahnder des Berliner Landeskriminalamts verschollene Monumentalkunstwerke aus Hitlers Reichskanzlei in Bad Dürkheim entdeckt.

Das THW hievte die Rösser auf Tieflader

Doch erst einmal wurden die Figuren amtlich beschlagnahmt: Das THW rückte an, um die beiden spektakulärsten Stücke – zwei lebensgroße Bronzepferde des Bildhauers Josef Thorak – auf Tieflader zu hieven und bei der Bundespolizei in Bad Bergzabern in einer Fahrzeughalle abzustellen. Im Depot müssen die Rösser auch bis heute ausharren. Denn die wegen Hehlerei-Verdachts geführten Ermittlungen zu dem Fall dauern nach wie vor an. Und erst wenn sie abgeschlossen sind, wird endgültig geklärt werden können, wer rechtmäßiger Eigentümer der NS-Kunst ist.

Die Nazi-Kunst stand auf sowjetischem Militärgelände

Dabei ließ sich schon bald nach dem spektakulären Abtransport erahnen, wie die Kunstwerke in die Pfalz gekommen waren. Recherchen der RHEINPFALZ und weiterer Medien brachten ans Licht: Um sie vor Bombenangriffen zu schützen, waren die Statuen während des Kriegs nach Brandenburg gebracht worden. Dort fielen sie der Sowjet-Armee in die Hände, die sie auf einem Truppenübungsplatz in Eberswalde zu einer kommunistischen Propaganda-Installation zusammenfügte. Doch 1988 wurden die Figuren abgebaut und verschwanden.

Der Bad Dürkheimer muss sie in den Westen geholt haben

Irgendwie muss es dem schwerreichen Bad Dürkheimer Firmengründer Rainer Wolf in jener Zeit gelungen sein, die wuchtigen Kunstwerke in den Westen schaffen zu lassen. In einer seiner seltenen Stellungnahmen nach der Razzia beteuerte der betagte Sammler: Er habe sie so vor der Verschrottung gerettet. Und: Er habe sie legal bei der russischen Armee erworben. Belegen sollte das ein in bestem Bürokraten-Russisch verfasster Bescheid eines „Regimentskommandeurs Kulaschenkow“ vom 29. Dezember 1988, den Wolf zeitweise im Internet präsentierte.

Die Bundesrepublik erhebt Eigentums-Anspruch

Allerdings waren Sowjet-Soldaten in jener Zeit auch leicht für allerlei kriminelle Geschäfte zu gewinnen. Außerdem sagen Juristen: Einstige Besitztümer des Deutschen Reichs waren ohnehin nicht ins Eigentum der Besatzungsarmee übergegangen. Weshalb Sowjet-Offiziere auch keine rechtswirksamen Geschäfte mit Kunstwerken aus Hitlers Reichskanzlei machen konnten. Also hat die Bundesrepublik die Figuren inzwischen zu ihrem Eigentum erklärt, aber dazu einen Hinweis gegeben: Wer glaubt, dass er eigene legitime Ansprüche hat, soll sich melden.

Auch Käufer von Diebesbeute können Eigentümer werden

Das hat Wolf dann auch prompt getan, doch ein erstes Gericht ließ ihn aus Zuständigkeitsgründen mit seiner Klage abblitzen. Und seither hat das für solche Auseinandersetzungen zuständige Bundesverwaltungsamt nach eigenen Angaben nichts mehr von einem einschlägigen Vorstoß erfahren. Dabei könnte der Sammler zum Beispiel eine Chance haben, wenn er sich als „gutgläubiger Käufer“ präsentiert. Denn auch wer Diebesbeute erwirbt, kann deren rechtmäßiger Eigentümer werden – wenn er seinen Geschäftspartner für einen seriösen Anbieter hielt.

Eine Spende für Erdbebenopfer soll geflossen sein

Doch so eine Argumentation muss scheitern, wenn sich der Käufer auf einen Hinterzimmer-Deal eingelassen hat, bei dem jeder normale Mensch misstrauisch geworden wäre. Etwas in der Art könnte Wolf wohl vorgehalten werden, weil er die Kunstwerke angeblich als Gegenleistung für eine Spende zugunsten von Erdbebenopfern im damals noch sowjetischen Armenien bekommen haben soll. Doch so richtig wird der Streit ums Eigentum wohl ohnehin erst ausgetragen, wenn die Berliner Ermittler herausgefunden haben, ob Wolf sich strafbar gemacht hat.

Auch Insider zweifeln an den Ermittlern

Dass sie das nun schon drei Jahre lang versuchen, lässt auch Insider allmählich an ihnen zweifeln. Zumal die Staatsanwaltschaft offen lässt, welche Erkenntnisse sie in den vergangenen 36 Monaten gewonnen hat und welche Fragen noch offen sind: Entsprechende RHEINPFALZ-Anfragen bleiben immer wieder unbeantwortet. Zuletzt wies ein Sprecher lediglich darauf hin, dass seine Behörde sich vorrangig jenen Fällen widmen muss, in denen die Verdächtigen in Untersuchungshaft schmoren, weil gegen sie viel schwerwiegendere Vorwürfe erhoben werden.

Kultursstaatsministerin sagt nichts mehr über Ausstellungspläne

Schweigsam gibt sich derweil auch Wolfs Anwalt. Und selbst die Kulturstaatsministerin mag derzeit nichts mehr über Pläne für Ausstellungen mit Hitlers Hengsten sagen. Lediglich das Bundesverwaltungsamt teilt mit: „In jedem Fall ist der Bundesrepublik Deutschland an einer verantwortungsvollen Verwendung der Kunstobjekte, etwa als Leihgabe für Museen, gelegen.“

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Propagandainstallation auf einem sowjetischen Militärgelände in Brandenburg: die später in Bad Dürkheim entdeckte »Berufung« von Arno Breker, fotografiert im Jahr 1985.
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Abgestellt bei der Bundespolizei in Bad Bergzabern: Josef Thoraks »Schreitende Pferde«.
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Sollte in einen Relief-Fries in Hitlers Welthaupbstadt »Germania«: Der »Wächter« von Arno Breker, der ebenfalls in Bad Dürkheim gefunden wurde.
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