Rheinland-Pfalz Babymord-Prozess: Merkwürdige Spuren am Messer

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Frankenthal. Wie ein Vater in Frankenthal seine zwei Monate alte Tochter vom Balkon in den Tod stürzen ließ, hat nur ein einziger Beobachter gesehen. Im Mordprozess um Sennas Tod musste dieser Mann gestern zum zweiten Mal aussagen. Unter anderem ging es um ein Messer, das seltsamerweise am Tatort herumlag. Experten haben inzwischen herausgefunden: Daran klebt das Erbgut des Zeugen.

Es geht um ein ganz gewöhnliches Obstmesser: orange-farbener Griff, 8,5 Zentimeter lange Klinge, geriffelte Schneide. Polizisten haben es im Treppenhaus des Frankenthaler Wohnblocks entdeckt, in dem der Angeklagte mit der Mutter seines zwei Monate alten Babys lebte – bis er die kleine Senna im vergangenen Mai von einem Balkon in den Tod stürzen ließ. Beobachtet hat diese Tat nur ein einziger Zeuge: ein Kumpel des Vaters, der für einen gemütlichen Abend vorbeigekommen war. Wie er das Geschehen erlebte, hat dieser 31-Jährige im Prozess schon Anfang Dezember berichtet – und dabei seinen Jugendfreund schwer belastet. Denn der Mann sagt: Sennas Vater warf das Baby mit einer Ausholbewegung in die Tiefe. Und mit Ankündigung: Jetzt werde er „den Rest“ machen, etwas in der Art habe er gesagt. Das klingt nach vorsätzlichem Mord. Doch nun wollen die Richterinnen und der Verteidiger dem 31-Jährigen weitere Fragen stellen. Wegen des Messers mit dem orangefarbenen Griff. Und weil er im Sommer in einer Acht-Wochen-Reha war. Den Arztbericht darüber hat der gelernte Gerüstbauer gleich mitgebracht. In dem Dokument steht, dass er wegen seines schrecklichen Erlebnisses psychische Probleme hatte. Es bescheinigt ihm aber auch Drogenmissbrauch. Doch der 31-Jährige beteuert: Nur gelegentlich habe er gekifft, vor allem an den Wochenenden. Erst nachdem er Senna in den Tod hatte stürzen sehen, sei sein Konsum stärker geworden: „Ich habe versucht, mich falsch abzulenken.“ Andererseits muss er einräumen, dass er sich im Jahr 2012 schon einmal einer Entgiftung unterzogen hatte. Wichtig sind solche Fragen, um zu beurteilen, ob er das Geschehen überhaupt korrekt wahrnehmen konnte. Immerhin war der 31-Jährige erst einmal auf den Dachboden geeilt, als er nach der Tat vor Sennas Vater ins Freie fliehen wollte. Er selbst sagt: Er war verstört von dem, was er soeben gesehen hatte. Doch die Episode könnte auch dafür sprechen, dass der Zeuge schon vorher nicht recht bei Sinnen gewesen war. Oder dass er etwas zu verbergen hatte. Schließlich führte ihn sein seltsamer Irrweg an jener Stelle vorbei, an der später das orange-farbene Messer lag. Rätselhaft ist schon, woher dieses Schneidwerkzeug überhaupt stammt. Die Polizei hat in ihre Akten geschrieben: Sennas Mutter habe es wiedererkannt, es stamme aus ihrem Haushalt. Doch im Prozess hat die 20-Jährige genau das bestritten. Und auch der 31-Jährige will es noch nie gesehen haben. Dabei ist nach einer Analyse des Landeskriminalamts inzwischen klar: Am Messer haftet sein Erbgut. Das kann bloßer Zufall sein. Es hätte demnach einfach so im Treppenhaus gelegen, und der Zeuge hätte es berührt, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu werden. Doch Alexander Klein, der Verteidiger des Angeklagten, lässt mit seinen Fragen erkennen, dass er mittlerweile an einer anderen Theorie strickt. Fest steht: Sein Mandant hatte mit einem weiteren Messer zunächst Sennas Mutter attackiert. Die Frau konnte fliehen, als der kräftige 31-Jährige dazwischenging. Anschließend rangen die beiden Männer im engen Schlafzimmer miteinander. Und als sie sich wieder voneinander gelöst hatten, soll der Angeklagte das Baby aus der Wiege genommen, auf den Balkon getragen, in die Tiefe geschleudert und so ermordet haben. Anders ließe sich dieses Geschehen vielleicht interpretieren, so der nur halb ausgesprochene Gedanke des Juristen, wenn der Angeklagte glaubte, sich und sein Baby in Sicherheit bringen zu müssen. Weil auch der 31-Jährige etwas in der Hand gehabt haben könnte: ein Obstmesser, mit orange-farbener Griff, 8,5 Zentimeter langer Klinge und geriffelter Schneide.

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