Rheinland-Pfalz Am Ende Fassungslosigkeit

Im Saarländischen Landtag befasste sich der Sozialausschuss gestern mit dem möglichen Kindesmissbrauchs am Uniklinikum Homburg.
Im Saarländischen Landtag befasste sich der Sozialausschuss gestern mit dem möglichen Kindesmissbrauchs am Uniklinikum Homburg.

«Saarbrücken». Die weiße Doppeltür des Sitzungssaals im Landtag schließt sich um 9.35 Uhr. Sie wird sich sechseinhalb Stunde lang nur öffnen, wenn jemand zur Toilette eilt oder telefonieren muss. Wann immer das der Fall ist, versuchen die wartenden Journalisten etwas zu erfahren. Etwas darüber, was drinnen Politiker des Sozial- und Gesundheitsausschusses sowie dreier weiterer Ausschüsse hören über den Skandal am Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) in Homburg und zu den Missbrauchsvorwürfen gegen den damaligen, 2016 verstorbenen, Assistenzarzt. Jener stand im Verdacht, Kinder während der Behandlung an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums bis zu seinem Weggang ans Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern im Jahr 2014 missbraucht und nicht indizierte Untersuchungen in deren Intimbereich vorgenommen zu haben. Die Leitung des Klinikums berichtete gestern, ebenso wie die Ärztekammer des Saarlands, die Generalstaatsanwaltschaft sowie am Nachmittag die Opferanwältin Claudia Willger. Mit dabei: Vertreter der Regierung und der Staatskanzlei. Erst um 15.55 Uhr wird die Sondersitzung zu Ende sein. Ohne Pause, ohne Snacks. Am Ende bleiben viele Politiker fassungslos zurück und viele Fragen um den Skandal offen. Etwa die nach der Verantwortung oder die danach, warum ein mutmaßlich pädophiler Arzt und zugleich Judotrainer offenbar so lange unbehelligt weiter kleine Patienten an der Spezialambulanz des Klinikums untersuchen durfte, obwohl offenbar schon vor 2011 dessen Neigungen bekannt waren und es Mutmaßungen von Missbrauch gab. Für den CDU-Abgeordneten Hermann-Josef Scharf, der die Sitzung leitete, trägt das „UKS zurzeit die Hauptverantwortung“, wie er der RHEINPFALZ sagte. Es blieben aber auch „viele Fragen an die Staatsanwaltschaft offen“, so Scharf. Seiner Meinung nach hätten die Eltern der mutmaßlichen Opfer „früher informiert werden müssen“. Erst mit den Recherchen des WDR-Magazins Monitor war der Skandal im Juni ans Licht gekommen. „Das hat den Ausschuss erschüttert“, sagte gestern die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Petra Berg. Da auch Ende 2014, nachdem sich die Verdachtsmomente gegen den Arzt erhärtet hätten, am UKS „nichts, aber auch gar nichts geschehen ist“. Ende 2014 hatte das Klinikum dem Arzt fristlos gekündigt – zu jenem Zeitpunkt arbeitete er schon längst in Kaiserslautern – dort jedoch nach bisherigen Erkenntnissen nur mit Erwachsenen. Nach RHEINPFALZ-Informationen war die Ärztekammer des Saarlands über die Vorfälle in Homburg spätestens ab Januar 2015 im Bild, die Erkenntnisse teilte die Kammer jedoch offenbar nicht mit ihren Kollegen in Rheinland-Pfalz. Obwohl der beschuldigte Arzt zu diesem Zeitpunkt in Rheinland-Pfalz arbeitete und wohnte. Zuvor hatte sich der Vorgesetzte des Arztes, der Chefarzt an der Kinder- und Jugendpsychiatrie, zur Rechtsberatung an die Kammer gewandt. Die Kammer unterdessen bestritt gestern – ebenso der Staatssekretär im Saar-Sozialministerium, Stephan Kolling – bei einem Gespräch mit jenem Chefarzt schon da von dem Arzt und seinen möglichen Machenschaften erfahren zu haben. SPD-Frau Berg will zurzeit noch keinen Untersuchungsausschuss fordern. Wenn in den nächsten Wochen nicht wichtige Fragen geklärt würden, sei das aber die Konsequenz. Dennis Lander von den Linken fordert dies schon jetzt. Am UKS geht es um mehr als 40 mutmaßliche Fälle von Kindesmissbrauch. Unter den mutmaßlichen Opfern sind auch zehn aus der Pfalz sowie je eines aus Hessen und aus Baden-Württemberg. Über 314 Patienten von damals hat das Klinikum bislang angeschrieben, sagte gestern der Ärztliche Direktor, Wolfgang Reith. Mit 21 Betroffenen sei bislang gesprochen worden. Ein Antrag auf Opferentschädigung liegt vor. Unterdessen gab es erste personelle Konsequenzen: Das UKS-Aufsichtsratsmitglied Andreas Goldschmidt ist gestern zurückgetreten. Der Professor war externer Sachverständiger. Ein externer Sonderermittler soll jetzt die Vorgänge am UKS untersuchen: Harald Schnur, der frühere LKA-Chef im Saarland. Generalstaatsanwalt Günter Matschiner verteidigte gestern gegenüber der RHEINPFALZ die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, wonach dem Arzt damals kein strafbarer Missbrauch hätte nachgewiesen werden können. In einem Fall jedoch, wäre eine Anklage „möglich gewesen“. Der Tod des 36-Jährigen sei dazwischen gekommen. Als nach der Sitzung die Türen zum Saal endlich wieder offen stehen, sind dort nur noch leere Flaschen und schmutzige Gläser zu sehen. Einwurf

x