Pfalz Mainz: Breites Bündnis will Sozialticket für Hartz-IV-Bezieher

In Mainz gibt es ein Sozialticket bereits. Foto: DPA
In Mainz gibt es ein Sozialticket bereits.

Der für den ÖPNV vorgesehene Satz im Arbeitslosengeld II reicht für Menschen auf dem Land nur für vier Fahrten in die Kreisstadt. „Teilhabe ist totale Fehlanzeige“, klagt ein Betroffener. Abhilfe könnte ein Sozialticket für Rheinland-Pfalz schaffen.

Busticket zu teuer



Wenn sich Hartz-IV-Bezieher keine Busfahrkarte mehr leisten können, müssen sie körperlich fit sein. „Meistens fahre ich mit dem Fahrrad, der Bus ist einfach zu teuer“, sagt Hans Röhrig aus Hemmelzen im Westerwald. Der 59-Jährige bezieht seit 2013 das Arbeitslosengeld II. Der Anlagentechniker wurde 2010 von seinem Arbeitgeber entlassen. Seine Stelle wurde aus Kostengründen eingespart. „Danach hatte ich einen Burnout, und wenn man in dieser Branche ein Jahr raus ist, hat man keine Chance mehr.“
„Weil ich die Hände nicht in den Schoß legen will, engagiere ich mich ehrenamtlich im Mehrgenerationenhaus in Altenkirchen“, sagt Röhrig. Im Regelbedarf der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind in der Stufe 1 für den Öffentlichen Personennahverkehr 26,87 Euro im Monat vorgesehen, in anderen Stufen ist der Satz noch niedriger. Röhrig kann damit vier Mal im Monat in die sieben Kilometer entfernte Kreisstadt Altenkirchen fahren.

Bündnis „Mobilität für alle!“ will Plan



Für Arztbesuche muss Röhrig nach Betzdorf, das ist mit dem Fahrrad zu weit. „Da sind nur in eine Richtung zehn Euro weg. Wenn ich wieder zurückfahre, ist das Budget fast aufgebraucht. Das Geld für den ÖPNV ist bei Hartz IV äußerst knapp bemessen.“ Wenn er mehr für Tickets ausgebe, fehle das dann an anderer Stelle beim Monatsbudget von 416 Euro.
So engagiert sich Röhrig im Bündnis für ein Sozialticket in Rheinland-Pfalz. Zwölf Verbände und Organisationen haben sich im Oktober vergangenen Jahres dazu zusammengeschlossen, darunter der DGB, der Kinderschutzbund, der Naturschutzverband Bund, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter, die Liga der freien Wohlfahrtspflege und die Mainzer Initiative gegen Hartz IV. Dieses Bündnis „Mobilität für alle!“ will nun mit einem Fünf-Punkte-Papier die Umsetzung eines Sozialtickets vorantreiben.

Sozialticket bereits in anderen Städten




Einige Städte und Verkehrsverbünde haben bereits ein Sozialticket eingeführt. Diese Angebote sind aber aus Sicht der Initiative zu teuer und auch nicht verbundübergreifend für das ganze Bundesland gültig. In Mainz kostet dieses Sozialticket fast 60 Euro, mehr als doppelt so viel wie das Hartz-IV-Budget für den ÖPNV.
Den Anstoß für das Bündnis gab der Sozialverband VdK. „Wir haben beobachtet, dass ältere Leute nicht mehr zu Veranstaltungen kommen konnten, weil ihnen das Geld fehlte“, sagt der Landesvorsitzende Will Jäger. „Und Langzeitarbeitslose klagten, dass sie kein Geld haben, um zur Beratung in die Geschäftsstelle zu kommen. Da haben wir gesagt: Wir müssen was tun.“

Ziel: Landesweites Sozialticket



Ziel der Initiative ist ein landesweites Sozialticket, das nicht mehr kostet als der Hartz-IV-Satz für den ÖPNV. Und das Sozialticket müsse bundesweit sein - um etwa die Arbeitssuche über die Grenzen eines Verkehrsverbunds hinaus zu ermöglichen. Vor allem müssten Hartz-IV-Bezieher auch die Chance zu sozialer und kultureller Teilhabe bekommen, sagt Jäger. „Da werden viele ausgegrenzt, weil sie es sich nicht leisten können.“ Auch Röhrig sagt, es sei kaum möglich, mal in der nächsten Stadt ins Kino zu gehen, Freunde zu besuchen oder an Veranstaltungen teilzunehmen. „Teilhabe ist eine totale Fehlanzeige.“
Röhrig hofft auf Unterstützung bei den Verkehrsunternehmen. „Bei uns fahren die Busse oft nur mit zwei oder drei Leuten. Wenn da einige Sozialhilfeempfänger mehr drin sind, verursacht das keine Mehrkosten.“ Und in größeren Städten könnte die Nutzung ja auf die Zeit ab neun Uhr begrenzt werden.

300.000 mögliche Bezieher



Nach VdK-Angaben wären in Rheinland-Pfalz rund 300.000 Bezieher von SGB-II- und SGB-XII-Leistungen für ein Sozialticket berechtigt.
Jetzt hofft das Bündnis auf eine breite Unterstützung in der Landespolitik. Die SPD-Fraktion plant eine Anhörung, auf der noch offene Fragen beantwortet werden sollen. Fraktionschef Alexander Schweitzer zeigt sich offen für eine Regelung, „dass wir ein Angebot finden, das verbundübergreifend für arme Familien und ihre Kinder verbilligte Möglichkeiten im ÖPNV bietet“.

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