Tanztheater „The Red Thread“ am Pfalztheater Kaiserslautern

Verbeugung vor dem Leben: Rot steht für Leidenschaft, aber auch Gewalt (Kostüme: Helen Maria Boomes).
Verbeugung vor dem Leben: Rot steht für Leidenschaft, aber auch Gewalt (Kostüme: Helen Maria Boomes).

Wenn sogar Theatermuffel aus dem Staunen nicht herauskommen und es bei der Premiere minutenlangen Beifall gibt, dann sollten nicht nur Tanztheater-Fans aufmerken. „The Red Thread“ ist eine solche Produktion. Unbedingt anschauen!

Es beginnt spannend mit dem Knistern einer Langspielplatte vor Beginn des Lieds. Oder ist das Rauschen eines starken Regens zu hören? Stecken die dicht zusammengekauerten, weiß gekleideten Menschen die Köpfe zusammen, um etwas auszuhecken? Sind sie auf Abenteuer aus oder suchen sie Schutz vorm Unwetter? Metaphysisch betrachtet könnte die Gruppe gar ein Ei, die Keimzelle des Lebens, symbolisieren, die sich in weiterhin unsichtbar verbundene Individuen aufspaltet. Es sind strahlend glückliche, unschuldig und verspielt sich umwerbende junge Leute. Doch die atmosphärisch dichte, immer stärker anschwellende Musik mit der hohen dissonanten Tonlinie lässt es erahnen: Sollte dies das Paradies sein, dann ist die Vertreibung daraus nah.

Rollenwechsel mit dem Bösen Wolf

Hier kommt der Wolf ins Spiel, den das Rotkäppchen erst liebevoll umarmt, dann als böse enttarnt. Es schlüpft in die Maske des Wolfs. Das Ende der Unschuld. Ab hier sind die Tänzerinnen und Tänzer in Rot gekleidet. Rot für Blut als Symbol des Lebens? Rot für Gewalt, die Gewalt entfesselt? Rot wie der Faden jedenfalls, der einer japanischen Legende nach jedem aus dem kleinen Finger wächst und das Beziehungsgeflecht zu den Mitmenschen prägt. Davon hat sich die spanische Choreographin Alba Castillo ebenso inspirieren lassen wie vom „Rotkäppchen“. Aus der Verquickung beider Geschichten hat sie ein intensives Stück geschaffen, das dem Leben huldigt, aber auch dessen Bedrohung nicht ausspart und die Rolle der Frau reflektiert.

Interpretationsspielraum und eigene Ästhetik

Der rote Faden hängt als Seil schlingenförmig von der Decke, fällt schließlich mit lautem Knall zu Boden und türmt sich wie die Grenze zwischen Leben und Tod vor der Gruppe auf, die ihn ängstlich von sich wegschiebt, dann vergeblich zu überwinden versucht. Tatsächlich lässt „The Red Thread“ viel Interpretationsspielraum, was dem Stück zusätzlich zur optischen Ausdrucksstärke intellektuelle Erhabenheit verleiht. Aber auch ohne dem Sinn nachzugrübeln, lässt es sich in der Ästhetik von Licht und Choreographie wunderbar schwelgen – zur mal elektronisch wummernden, mal melancholisch düsteren, mal melodisch tröstenden Musik von Biosphere, Nils Frahm und Olafur Arnalds.

Großartige tänzerische Leistung

Ganz zu schweigen von der unschlagbaren tänzerischen Leistung der Pfalztheater-Tanzcompanie, gekrönt vom zu Tränen rührenden Schlussakt zu „Lily’s Theme“ am Konzertflügel. Ob leidenschaftliches Solo, zärtlicher Pas de Deux oder kraftvolle Formation: Alles ist so perfekt getimt, so leichtfüßig und fließend umgesetzt, dass man sich kaum satt sehen kann. So vergehen fünf Viertelstunden viel zu schnell. Aber das Sinnieren darüber wird noch andauern, wenn der Vorhang längst gefallen ist.

„The Red Thread“: Fr 18.11., Do 8.12., Di 20.12., Mi 28.12., Sa 14.1., alle 19.30 Uhr, Kaiserslautern, Pfalztheater, Karten: 0631 3675209, vorverkauf@pfalztheater.bv-pfalz.de

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