Kunsttipp Melancholie am Main, Metaphysik am Rhein : Aquarelle von Johann Adam Ackermann in Mainz

 Johann Adam Ackermanns Aquarell „Die Mainmündung“ erinnert stark an Caspar David Friedrich.
Johann Adam Ackermanns Aquarell »Die Mainmündung« erinnert stark an Caspar David Friedrich.

Oft schlummern unbekannte Schätze in den Depots der Museen. Wie zum Beispiel die Aquarelle des Romantikers Johann Adam Ackermann, die nun erstmals seit 100 Jahren wieder zu sehen sind: im Landesmuseum Mainz.

Ein verschneiter Gottesacker im Mondenschein, knorrige Baumgerippe in Eisschollen-Ödnis: Im ersten Impuls möchte man diese Blätter Caspar David Friedrich zuschreiben, in Wahrheit aber stammen die aquarellierten Zeichnungen von einem bis dato ziemlich vergessenen Mainzer Zeitgenossen des berühmten Dresdner Romantikers – von Johann Adam Ackermann (1781–1853).

Einflüsse von Caspar David Friedrich deutlich

Die motivische Kongruenz ist frappierend. Doch darüber, welche Verbindung zwischen den beiden Malern bestand, können die Kunsthistoriker nur spekulieren: Vielleicht, so eine Vermutung, lernte Ackermann den sieben Jahre älteren Friedrich – oder zumindest dessen Malerei – 1828 anlässlich der Dürer-Feier in Nürnberg kennen. „In jedem Fall spiegeln Ackermanns späte Arbeiten diesen Einfluss eindeutig wider. Sie stellen einen Bruch zu seinen eher von sonnigen Landschaftsidyllen geprägten Frühwerken dar“, konstatiert das Landesmuseum Mainz. Mit über 30 Aquarellen besitzt das Haus den größten Bestand an Ackermann-Arbeiten in Deutschland. Ein romantischer Schatz, der nun zum ersten Mal seit 100 Jahren wieder vollumfänglich präsentiert wird.

Schaurig-schönes Winterfrösteln: „Der Friedhof zu Enkheim“ (1841) wird durch Ackermann zum düster-romantischen Ort.
Schaurig-schönes Winterfrösteln: »Der Friedhof zu Enkheim« (1841) wird durch Ackermann zum düster-romantischen Ort.

Landschaftsmetapher für Tod und Erstarrung

Die Ausstellung, noch bis Anfang März im Grafikkabinett des Landesmuseums zu sehen, zeigt unter anderem, wie der Künstler, der ursprünglich beim französischen Klassizisten Jacques-Louis David Historienmalerei studiert hatte, charakteristische Bildfindungen Friedrichs und typische Motive der Romantik auf die Landschaft im Rheingau und am Main übertrug. Das Vorbild für seinen „Friedhof im Schnee“ – ein von Friedrich mehrfach variiertes Sujet – fand Ackermann zum Beispiel in Enkheim bei Frankfurt. Und das Blatt, das in Analogie zu Caspar David Friedrichs „Eismeer“ wie eine Landschaftsmetapher für Tod und Erstarrung anmutet, entstand 1838 an der Mündung des Mains.

„Blick aus dem Fenster (Sonnenaufgang in Oestrich)“, 1841.
»Blick aus dem Fenster (Sonnenaufgang in Oestrich)«, 1841.

Sensible Gestaltung des Lichts

Ein besonders schönes, handwerklich ausgesprochen virtuoses Aquarell schuf Johann Adam Ackermann 1841 mit dem „Sonnenaufgang in Oestrich am Rhein“. Das Blatt verknüpft die in der Romantik höchst virulente Tradition des Fensterbildes mit einer so sensiblen Gestaltung des Lichts, dass man unmittelbar an William Turner denken muss. Aus der biedermeierlichen Intimität des Zimmers geht der Blick hinaus auf ein physikalisches Phänomen, in dessen delikater Sinnlichkeit eine Ahnung des Metaphysischen mitschwingt.

Eine Führung am So 22.1. um 15 Uhr gibt weitere Erklärungen zum Schaffen des Malers.

„Rhein-Romantik: Johann Adam Ackermann“ – bis 5.3., Mainz, Landesmuseum, Große Bleiche 49-51, geöffnet: Di 10-20 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr; Info: landesmuseum-mainz.de

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