Interview Grabowsky-Gründer Alexander Hüther blickt auf 50 Jahre im Musikgeschäft zurück

Spielt jetzt bei M.A.D.S die erste Geige: Alexander Hüther, der mit Grabowsky und Schorlerock Kult geworden ist.
Spielt jetzt bei M.A.D.S die erste Geige: Alexander Hüther, der mit Grabowsky und Schorlerock Kult geworden ist.

Alex Hüther ist als Komponist, Autor, Produzent und Musikverleger aus Frankenthal, vor allem jedoch als exzellenter Gitarrist seit Jahrzehnten eine feste Größe in der Musikszene. Jetzt feiert er mit einem Konzert 50. Bühnenjubiläum.

50 Jahre Musiker – Hut ab! Wie fühlt sich das an?
Überraschend! Vor allem vor dem Hintergrund, dass man immer noch ständig dazulernt, interessanten Menschen begegnet und kreativ arbeiten kann. Emotionen in Musik ausdrücken zu dürfen ist ein Geschenk – davon kriegt man auch nach 50 Jahren nicht genug. Wenn man dann auch noch Songs schreiben, produzieren und veröffentlichen kann und darf, dann ist das eine tolle Sache. Wenn man dazu noch auf der Bühne steht und hört, wie die Menschen deine Songs mitsingen und siehst, dass Du ihnen ein bisschen Kraft für ihren Alltag mitgeben kannst, dann ist das ein erfüllender, ein ganz besonderer Moment. Das alles wäre allerdings ohne die Unterstützung meiner Frau nicht zu leisten gewesen.

Haben Sie es je bereut, sich mit 16 kompromisslos der Gitarre und dem Musikgeschäft gewidmet zu haben? Hätten Sie rückblickend vielleicht etwas anders gemacht?
Ich glaube ich war sechs oder sieben Jahre alt, als ich meine erste elektrische Gitarre in einem Schaufenster gesehen habe – da war es passiert. Ich wusste sofort: Das ist mein Ding. Es dauerte allerdings einige Jahre und einen Ferienjob im Frankenthaler Brauhaus, bis ich mir endlich meine erste Gitarre kaufen konnte. Wir mussten uns damals alles selbst beibringen – man konnte nur klassische Gitarre lernen – und das war auch gut so, denn man hat so lange probiert, bis man das konnte, was man spielen können wollte, und ich lerne auch heute immer noch dazu. Dass ich mir das Gitarrenspielen als Autodidakt selbst beigebracht habe und immer noch beibringe halte ich – gerade was die freie Improvisation angeht – für mich persönlich für einen Vorteil: Das ist Spaß pur!

Macht immer sein Ding: Alexander Hüther.
Macht immer sein Ding: Alexander Hüther.

Bei der Sache mit dem Musikgeschäft gibt es für mich ganz klare Grenzen. Mir war es immer wichtig, das zu machen, hinter dem ich auch stehen kann. Ich wollte mich nie in ein System einfügen, das mir vorschreibt, wie und was ich musikalisch machen soll. Ich bin definitiv kein musikalischer „Söldner“ – ich kann nur das machen, hinter dem ich auch zu 100% stehe. Hier spielt auch meine Frau Friedlinde eine große Rolle, die das Ganze immer mitgetragen, unterstützt und mit einem scharfen Blick von außen beratend begleitet hat. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

Apropos Hut: Das Jubiläumsjahr hat für Ihr Alter Ego Alexander Grabowsky zugleich eine große Zäsur mit sich gebracht: Beim diesjährigen Strohhutfest in Frankenthal hat sich Ihre langjährige Band Grabowsky vorerst von der Bühne verabschiedet. Wie kam es zu der Entscheidung, wie waren die Fan-Reaktionen?

Nun, zunächst einmal sind fast 30 Jahre für eine Band ein sehr langer Zeitraum, in dem man zusammengearbeitet hat. Da passiert auch vieles, was dazu führt, dass man sich musikalisch in verschiedene Richtungen entwickelt. Es verschieben sich die individuellen Schwerpunkte in der Lebenssituation, was letztlich dazu geführt hat, dass wir nicht mehr in dem Ausmaß zusammenarbeiten konnten, wie es der musikalische Anspruch an die Qualität von Grabowsky fordert. Deshalb war es aus meiner Sicht wichtig und richtig eine Zäsur zu machen, weil alles andere der Qualität schaden würde – und das wollten wir auf keinen Fall.

Die Reaktion der Fans hat uns gezeigt, welchen Stellenwert die Band bei ihnen hatte und immer noch hat. Besonders hat sich das natürlich bei unserem vorerst letzten Auftritt auf dem Strohhutfest in Frankenthal gezeigt, bei dem wir einerseits selbst noch emotional betroffen waren, aber nach dem Auftritt uns erst einmal fast eine Stunde lang um die Fans kümmern und sie trösten mussten. Viele Fans sind ja in dieser langen Zeit mit unserer Musik groß geworden, haben geheiratet, haben Nachwuchs bekommen … - wir waren für viele Menschen ein Begleiter in ihrem Leben und für manche sogar ein Teil davon.

Alexander Hüther bei einem Auftritt 1977.
Alexander Hüther bei einem Auftritt 1977.

Trost könnte ja jetzt ein besonderes Konzert spenden: Das Jubiläum soll im Frankenthaler Gleis4 groß gefeiert werden – mit vielen Acts und Wegbegleitern von Ihnen. Wie hängt Ihre Biografie mit den einzelnen Musikergästen zusammen?
Dieses Jubiläum ist mich auch ein persönlicher Einschnitt und bewusst so geplant. Ich bin ja jetzt in einem Alter, in dem man auch mal zurückschauen darf. In den letzten 50 Jahren habe ich in etwa 30 Bands gespielt und für diesen Abend im Gleis4 einfach mal einige Meilensteine herausgepickt, wobei ich mich letztlich für sieben Acts entschieden habe, die für mich einerseits musikalisch prägend, andererseits auch persönliche Highlights waren. Den Ablauf des ersten Teils des Konzerts habe ich auch im geschichtlichen Kontext geplant: mit McScrooge, mit denen wir eine erste LP selbst produziert haben, danach mit Camilla Motor, mit denen ich den ersten Plattenvertrag bei einem Majorlabel hatte und zwei LPs produziert wurden und damals ein Musikvideo in den Rüsselstudios in Hamburg – Otto Waalkes lässt grüßen. Danach werden die Bands Aleksa und Red Adair auftreten, mit denen ich in den 80er Jahren gespielt habe.

Im zweiten Teil des Abends wird meine aktuelle Band M.A.D.S. einige Songs präsentieren, an denen ich mich in den 70er Jahren musikalisch orientiert habe. Später wird es ein kleines Wiedersehen mit Grabowsky geben, und schließlich wird der Abend mit einem Auftritt von HBH zu Ende gehen, einer der ersten Rockbands, die explizit pfälzische Texte verwendet hat. Ein Konzert mit einer solchen Zusammenstellung wird es wahrscheinlich nie wieder geben. Dazu kommen noch einige hochkarätige musikalische Gäste, die mich dankenswerterweise unterstützen werden wie zum Beispiel Joachim Kaul, „Blacky“ Schwarz, Frank Landes, Sascha Mascali und viele andere.

Mit Grabowsky ist es Ihnen aber gelungen, einen Pfälzer Kult zu schaffen. Der Bandname fällt in einem Atemzug mit den gefeierten Anonyme Giddarischde, die ja auch aus Frankenthal stammen. Wie ist das Verhältnis zu den Kollegen? Gab und gibt es da eine gewisse Rivalität?

Überhaupt nicht. Wir kennen uns schon ewig und hatten die Anonymen auch schon früher als Support dabei, als sie noch niemand auf der Rechnung hatte. Da wir musikalisch ganz verschiedene Stile verfolgen – wir Rock, die Anonymen eher Folk – nehmen wir uns ja auch nichts weg. Schließlich haben wir auch das gleiche Problem: Weil wir eigene Songs spielen, sind wir auch einen ähnlich steinigen Weg gegangen und mussten unser Publikum erst einmal von unseren Songs überzeugen. Und überhaupt sind das äußerst liebe und nette Menschen.

Bei der Grabowsky-Hymne „Riesling-Schorle“ und dem Begriff Schorle-Rock drängt sich gerne die Idee auf, dass Grabowsky wie die Kollegen Giddarischde dem Mundart-Rock frönen, was ja nicht stimmt. In die Schublade wollten Sie nie gesteckt werden, vielmehr ärgert Sie das sogar. Warum?

Es ist immer schwierig, in Schubladen gesteckt zu werden, weil man der Sache an sich nicht gerecht wird. Grabowsky hat ein ganz klares Konzept: Rockmusik mit deutschen Texten – und war bewusst nicht „pfälzisch“ angelegt. Dass die Texte zwar in hochdeutscher Sprache sind, aber letztlich als Mundart wahrgenommen werden, lässt darauf schließen, dass die Inhalte doch sehr authentisch, wir also inhaltlich ganz nah an den Menschen in der Region sind. Allerdings haben wir diese Erfahrungen auch außerhalb der Pfalz gemacht. Was mich daran stört ist, dass uns deswegen Veranstalter nicht gebucht haben, weil sie davon ausgegangen sind, dass wir Mundarttexte verwenden. Das fand ich sehr schade – schließlich habe ich in meinen Texten immer Inhalte verwendet, die nicht lokal begrenzt sind, gerade auch weil sie im Grund Erlebnisse und Erfahrungen in einer ironischen Verpackung darstellen. Das ist nicht auf das pfälzische Lebensgefühl beschränkt – und so sollte es auch nicht gesehen werden.

In der Frankenthaler Szene haben Sie schon früh mitgemischt und einige Jahre lang auch im Ausland produziert. Welche Stationen auf diesem Weg waren für Sie bis heute prägend und wie reiht sich Grabowsky da ein?

Wenn ich mich mit Musikern aus der Region unterhalte, wird mir klar, dass viele Bands, in denen ich in der Vergangenheit gespielt habe, wichtig für ihren eigenen musikalischen Werdegang waren. Das fing bereits mit meiner ersten größeren Band Feeling in Frankenthal an. Die Erfahrung, dass man auch in der „Provinz“ eigene Songs schreiben und Schallplatten produzieren kann war für viele ein „Aha-Erlebnis“.

Für mich selbst war die Erfahrung prägend, dass ich mit vielen Produktionen meiner Songs, die externe Produzenten und Tonstudios umgesetzt haben, nicht zufrieden war. Erst diese Unzufriedenheit hat dazu geführt, dass ich mich selbst mit der Musikproduktion und Tontechnik auseinandergesetzt habe. Hinzu kam auch die Erkenntnis, dass ich mir ein Label für meine Veröffentlichung suchen musste, mit dem ich auch wirklich zusammenarbeiten kann und das mir meine künstlerische Freizeit lässt und mich auch darin unterstützt.

In Grabowsky sind alle Erfahrungen aus meinem musikalischen Werdegang eingeflossen. Das betrifft auch die Kontakte zur Tonträgerindustrie und zu Labels.

Nach fast 30 gemeinsamen Jahren ist nicht nur den Fans, sondern sicher auch Ihnen der Abschied von Grabowsky schwergefallen – die Mitmusiker hatten ja nicht von ungefähr wie eine Familie alle Grabowsky als Pseudonym im Nachnamen. Was machen Sie beim nächsten Strohhutfest, wenn Sie nicht zum Auftakt mit Grabowsky auf der Bühne stehen? Da fehlt doch sicher was!

Mit Grabowsky auf dem Strohhutfest zu spielen war für die Band immer ein Highlight! Jeder der mal mit uns auf der Bühne auf dem Rathausplatz gestanden hat, war insbesondere von dem Feedback der Fans beeindruckt – wir selbst natürlich auch. Da kam immer so viel vom Publikum zurück, dass ich am Tag danach meistens „den Blues“ hatte, weil der Körper so viel Glückshormone freigesetzt hat und man voll mit Adrenalin war. Das ist einmalig und unbeschreiblich und mit keinem anderen Event vergleichbar. Allerdings sehe ich mich als Künstler in der Verantwortung, allen Ansprüchen – meinen eigenen und denen des Publikums – gerecht zu werden und das war nicht mehr zu garantieren. Andererseits werde ich wahrscheinlich mit meiner derzeitigen Band M.A.D.S. auf irgendeiner Bühne auf dem Strohhutfest sein – es wird mir also nicht völlig fehlen :-).

Mit Grabowsky auf dem Strohhutfest: „Wir geben immer hundert Prozent“, lautete das Motto.
Mit Grabowsky auf dem Strohhutfest: »Wir geben immer hundert Prozent«, lautete das Motto.

Was verbindet Sie nach wie vor mit Grabowsky? (Wie) geht es hinter den Kulissen weiter? Darf man sich begründete Hoffnung auf ein Wiedersehen und Wiederhören machen?

Grabowsky ist mein Baby, und man soll nie nie sagen :-). Grabowsky wird auch auf dem Konzert einige Songs spielen. Allerdings ist das wirklich das einzige, das wirklich geplant ist, und ich bin den Jungs auch sehr dankbar, dass sie sich dafür spontan bereiterklärt haben. Nach 30 Jahren kann man sich auch gar nicht richtig trennen, denn man kennt sich einfach zu gut – nicht nur als Musiker, sondern insbesondere auch als Mensch. Mit einigen Bandmitgliedern habe ich sogar noch länger zusammengespielt, fast 40 Jahre – und wir mögen uns immer noch. :-).

Wie geht es ganz allgemein für Sie als Gitarrist jetzt weiter? Nehmen Sie Ihren Hut und gehen in Rock-Rente oder fangen Sie was Neues an?

Die Verantwortung, die ich bei Grabowsky innehatte – Songs schreiben, CDs produzieren, Auftritte organisieren, Verträge aushandeln, die Crew buchen etc. - haben viel Zeit gebunden, die mir jetzt für anderes zur Verfügung steht. Bei meiner aktuellen Band M.A.D.S. muss ich nur Gitarre spielen – und dafür bin ich sehr dankbar. Darüber hinaus arbeite ich derzeit an verschiedenen Projekten, die ich im nächsten Jahr zunächst im Studio produzieren und dann vielleicht auch live auf die Bühne bringen möchte. Es hat sich viel Material angesammelt, das mit Grabowsky nicht realisiert werden konnte, weil es nicht in dieses spezielle Konzept gepasst hat. Und es hat sich offenbar mittlerweile in der Szene auch herumgesprochen, dass ich noch einige Kapazitäten frei haben könnte, denn mir liegen einige Anfragen zur Zusammenarbeit vor. Mal schauen, was sich daraus entwickelt.

Und wie geht es für Sie als Produzent und Musikverleger weiter? Welche Pläne verfolgen Sie dort?

Meine Frau und ich sind einerseits derzeit dabei, frühere Produktionen zu digitalisieren und sie auch in verschiedenen Portalen zum Streamen einzustellen und im Internet zugänglich zu machen. Gleichzeitig arbeite ich wie gesagt im Studio an verschiedenen Projekten – akustischen, elektrischen, deutschen, pfälzischen ... Es gibt viel zu tun!

Gibt es nach 50 Jahren noch einen offenen Traum und/oder eine offene Rechnung für Sie im Musikgeschäft?

Da ich den Weg gegangen bin, den ich gehen wollte: Nein. Ich habe ja aus meinen Erfahrungen viel dazulernen können – auch dass sogenannte „Majorlabels“, bekannte Produzenten und tolle Studios keine Garantie für eine gute Produktion und deren Vermarktung sind. Aus diesen Erfahrungen heraus haben meine Frau und ich ein eigenes Tonstudio, einen Verlag und eine Musikproduktionsgesellschaft aufgebaut. Ich habe viel mit Labels zusammengearbeitet, die mir in der Produktion freie Hand gelassen haben – und wir haben dadurch deutlich mehr Tonträger verkauft als bei großen Labels. Natürlich gibt es immer Luft nach oben, aber ich denke, es ist alles gut so, wie es ist.

Auch hatte ich die Möglichkeit, mit sehr vielen Musikern zusammenzuarbeiten und konnte mir auch hier immer aussuchen, mit wem ich gerne zusammenarbeiten möchte und mit wem nicht. Auch das ist nicht selbstverständlich.

Konzertabend „Alex Hüther – 50 Jahre live“: Sa 9.12., 20 Uhr, Frankenthal, Gleis 4, Karten/Infos: www.kuz-gleis4.de (Programm)

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Hast du die Pfalz im Blut?

Liebst du die Pfalz genauso wie wir? Gehst du gerne auf Weinfeste? Kennst du dieses Pfalzgefühl, das sich nicht beschreiben lässt, weil man es einfach erleben muss? Hier gibt es Artikel für alle Pfälzer, die die Pfalz im Herzen tragen. Für alle, die wissen, wo Hettrum, Hääschde und Harschem liegen. Und für alle, die warme Sommerabende am liebsten mit ihren Freunden und Dubbeglas in der Hand verbringen.

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