GEGENWARTSKUNST & WISSENSCHAFT „Die Intelligenz der Pflanzen“ in Frankfurt

In der virtuellen Realität eines Riesenmammutbaums: „Treehugger: Wawona“ von Marshmallow Laser Feast.
In der virtuellen Realität eines Riesenmammutbaums: »Treehugger: Wawona« von Marshmallow Laser Feast.

Wer derzeit den Frankfurter Kunstverein auf dem Römerberg besucht, taucht ins Reich der schönen Rhizome ein. Dieser will mit der aktuellen Schau den Blick für „Die Intelligenz der Pflanzen“ schärfen und dadurch ein Umdenken initiieren.

Ohne Pflanzen gäbe es auf diesem Planeten kein Leben. Doch wissen wir sie darum zu schätzen? Welche Beachtung zollen wir ihnen, wenn wir nicht gerade einen Blumenstrauß für den Valentinstag brauchen? Was wissen wir darüber, wie Bäume untereinander kommunizieren? Oder davon, was ein ordinärer Löwenzahn im dunklen Erdreich treibt?

Ausgehend von der Erkenntnis, dass uns unser anthropozentrisches Weltbild in die Sackgasse ökologischer Ignoranz und damit in die Selbstzerstörung führt, versucht der Frankfurter Kunstverein den Blick für „Die Intelligenz der Pflanzen“ zu schärfen und dadurch ein Umdenken zu initiieren. Die Ausstellung ist als Zusammenspiel von Wissenschaft und Kunst konzipiert. Weshalb neben sublimem Grünzeug aus der Kunstwelt der Gegenwart zum Beispiel auch sogenannte Rhizotrone zu sehen sind. Dabei handelt es sich um Messboxen aus dem Institut für Bio- und Geowissenschaften am Helmholtz-Forschungszentrum Jülich, die es ermöglichen, das Wurzelwachstum von Pflanzen in verschiedenen Böden zu beobachten.

Von der Wurzelforschung zum Kunstwerk

Wurzelforschung betreibt ebenso das Pflanzensoziologische Institut in Klagenfurt, das in fotografischen Dokumenten und in minuziösen Wurzelzeichnungen eine Idee vom komplexen ökologischen Zusammenspiel im Erdreich vermittelt. Dass der Sprung von der wissenschaftlichen Wurzelzeichnung zum Kunstwerk nicht weit ist, zeigt sich dann bei Diana Scherer, die mit Wurzelsystemen lebender Pflanzen arbeitet. Scherer lenkt das Wurzelwachstum etwa von Hafer mit Hilfe von Schablonen aus Biokunststoff so, dass „Gewebe“ mit faszinierenden Strukturen entstehen – Geometrien der Natur.

Die Schönheit natürlicher Strukturen und Netzwerke will auch das Londoner Künstlerkollektiv Marshmallow Laser Feast nachvollziehbar machen: Mit Hilfe seiner Virtual-Reality-Installation „Treehugger: Wawona“ kann der Besucher eintauchen in den Stoffwechsel eines Riesenmammutbaums im kalifornischen Sequoia-Nationalpark.

Empathischer Zugang zur Pflanzenwelt

Einen empathischen Zugang zur Pflanzenwelt schafft außerdem Berlinde De Bruyckere mit ihren „Embalmed Twins“. Bei den „einbalsamierten Zwillingen“ der Belgierin handelt es sich um zwei jahrhundertealte Eichen, die der Orkan Cyrill 2016 fällte. Durch De Bruyckeres skulpturale Überarbeitung haben die Baumskelette etwas seltsam Wesenhaftes erhalten, ihre Präsentation gleicht einer rituellen Aufbahrung. Der Betrachter sieht sich konfrontiert mit einem Mahnmal der Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, mit einem „Memento mori“ in Baumgestalt. Werke von Thomas Feuerstein, Abel Rodríguez und Nicola Toffolini komplettieren das Spektrum der Schau.

Info

„Die Intelligenz der Pflanzen“ – bis 20.2.2022 (verlängert), Frankfurt, Kunstverein, Römerberg, Markt 44, Di-So 11-19 Uhr (Do bis 21 Uhr); Info: www.fkv.de

Baummahnmal: „Embalmed Twins I & II“ von Berlinde De Bruyckere.
Baummahnmal: »Embalmed Twins I & II« von Berlinde De Bruyckere.
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