Kultur Vor 28 Jahren wurde die zweifelhaft legendäre Salier-Schau in Speyer eröffnet

Nur einmal im „Kuhdorf“: Die Speyerer Grabkrone des Salierkaisers Konrad II..
Nur einmal im »Kuhdorf«: Die Speyerer Grabkrone des Salierkaisers Konrad II..

Die Salier? Für viele kulminiert ihr Wirken in eine Szene. Kaiser Heinrich IV., angetan im härenen Büßergewand, barhäuptig, barfüßig, wie er in der klirrenden Kälte des Januar 1077 ausharrt. So lang, bis Papst Gregor VII. sich endlich erweichen lässt und den Sünder vom Bannfluch erlöst – ein Melodram. Auslöser war ein Streit zwischen Kaiser und Papst um die Besetzung des Erzbischofs von Mailand. In der Folge stand Papst Gregor VII. vor der Exkommunikation, während er Kaiser Heinrich IV. – auf einer Fastensynode in Rom 1076 – für abgesetzt erklärte.

Auf den ersten Blick war Heinrichs sprichwörtlich gewordener Gang nach Canossa eine Reueaktion, eine schlimme Demütigung. Worum es ihm aber eigentlich ging: sein taktischer Schachzug war klug und hatte (umstritten) weitreichende Folgen. In der Speyerer Salier-Ausstellung des Jahres 1992 im Historischen Museum der Pfalz allerdings kam der sogenannte Investiturstreit lediglich in einer Vitrine in Raum 14 vor. Unter ferner liefen. Auf Münzzeugnisse aus der damaligen Zeit. Nur eine der Ungereimtheiten dieser zweifelhaft legendären Schau, die heute vor 28 Jahren eröffnet wurde.

Ein Debakel, das Erfolg hat

Ein Debakel eigentlich war die Landesausstellung „Das Reich der Salier 1024-1125“, ihr Vorlauf zumindest. Aber sehr erfolgreich. Eine Materialschlacht mit wunderbaren Preziosen, konzeptlos leider. Sieben Jahre zuvor erfunden vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU), diskussionswürdig exekutiert von Parteifreund und Kultusminister Georg Gölter. Beide hoffnungsvoll, dass etwas vom Glanz der Schau auf sie und ihre Partei abfallen möge. Eröffnet wurde sie dann von SPD-Ministerpräsident Rudolf Scharping und der sozialdemokratischen Kulturministerin Rose Götte. So kann’s gehen. „Pleiten, Pannen, Salier“, hieß es in der „Süddeutschen Zeitung“ über die mit 365 Millionen Mark versicherte Präsentation . Sie war als Höhepunkt der 1990 anstehenden 2000-Jahr-Feier der Stadt Speyer gedacht.

Speyer, ein wichtiges „Kuhdorf“

Die Stadt ist aus ungeklärten Gründen letzte Ruhestätte sämtlicher Salier-Kaiser, ähnlich wichtig für deren Reich ist nur Goslar. Ein Ort in der Pfalz, den der zwischen 1006 und 1031 amtierende und während der Provinzposse um die Salier gern zitierte Speyerer Bischof Walther als „vaccina“ bezeichnete, als Kuhdorf. Salierkaiser Konrad II. reiste auch nachweislich nur einmal an. Aber er förderte die Stadt durch den Bau des späteren Welterbes Speyerer Dom nachhaltig.

Drei Mal wurde die Salier-Schau abgesagt

Drei Mal jedenfalls wurde die Salier-Schau abgesagt. Drei Mal wurde der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ein- und wieder ausgeladen, beim vierten Mal kam der soignierte Staatsmann trotzdem. Worum es bei den anhaltenden Absagen ging, die das Projekt um 1,5 Millionen Mark verteuerten? Um Bauverzögerungen bei einem notwendigen Anbau, Grund: ein Grundwasserproblem. Dazu der Konkurs einer Baufirma. Dann um die undichte Stelle im Dach, vom Hausmeister beiläufig gemeldet, ganze Estrichteile mussten ausgetauscht werden. Um nicht ausreichende Klimatisierung, Probleme mit Leihgaben und Leihgebern, die Erprobungsphasen für den Neubau forderten, auch das „politische Umfeld“ im Zusammenhang mit dem ersten Golfkrieg musste als Um-Terminierungsargument herhalten. Bei Recherchen von Journalist/innen stellte sich zudem heraus, dass Leihgeber fest eingeplanter Objekte in Madrid, Paris und Uppsala gar nichts von der Speyerer Salier-Ausstellung wussten. Projektleiter Konrad Weidemann, der Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, aber hatte das anders dargestellt. Er war ziemlich in der Bredouille. Auch als es hieß, kurz bevor es losgehen sollte, würden erst Leihverträge für die Hälfte der Exponate bestehen.

Reibereien, Schuldzuweisungs-Pingpong

Es gab Reibereien zwischen Kultusminister Gölter und dem Direktor des Historischen Museums, Otto Roller. Schuldzuweisungs-Pingpong. Es setzte Offene Briefe. Forderungen, das Ganze abzublasen, wurden laut. Beim Presserundgang zu der Schau dann musste ein ehemaliger rheinland-pfälzischer Museumsdirektor daran gehindert werden, eine Vitrine zu attackieren, die er als zu wenig gesichert empfand. Und nach der Eröffnung kam die in die Großkapitel „Der Alltag der Menschen“ und „Die historisch wirksamen Kräfte“ gegliederte Ausstellung leider in Fachkreisen gar nicht gut an. Zu undurchdacht, zerfasert, fehlerhaft. Von allem zu viel, lautete ein Hauptvorwurf, eine Schau, ohne erhebliches Vorwissen gar nicht zu begreifen.

3500 Exponate und kein Konzept

Gezeigt wurden rund 3500 Exponate von 247 Leihgebern aus 18 Ländern. Das prächtige Evangeliar Heinrich III. für die Stiftskirche etwa, der „Krodo-Altar“ aus Goslar zum ersten Mal wieder in seiner ursprünglichen Form. 25 mit Edelsteinen, Perlen und Emails reich verzierte Schmuckstücke aus dem Goldschatz der Kaiserin Agnes, der Mutter von Heinrich IV.. Ein fast vollständig erhaltenes Tabulae-Brettspiel, heute sagt man dazu Backgammon, mit den dazugehörigen Steinen aus Hirschgeweih und Knochen. Ein Berg von Silbermünzen aus dem Schatzfund am Ladogasee bei St. Petersburg, Hunderte von Münzen, Fibeln, Reliquiare, Kreuze, Tragaltäre, Bucheinbände, Handschriften. Die Kritik-Dynamik allerdings führte auch dazu, dass vor allem darüber geredet wurde, was nicht zu sehen war, wie die Reichsinsignien der Salier – Krone, Kreuz und Schwert –, die in der Wiener Hofburg blieben.

Was blieb? Ein Gewinn und ein Imageschaden

Vor allem moniert wurde das Fehlen des „Codex aureus“ Heinrichs III. aus dem Escorial, für dessen Beschaffung Kulturministerin Rose Götte zuletzt sogar Kult-Bundeskanzler Willy Brandt mobilisierte – vergeblich. Half alles nichts. Allerdings ließ sich das Publikum davon nicht abhalten. Über 400.000 Besucher/innen kamen im Zeitraum von 23. März bis zum 21. Juni in die Ausstellung. „Salier bringen Gewinn“ titelte die RHEINPFALZ am 25. Juli 1992. Was aber blieb, war auch ein erheblicher Imageschaden. Was eine Schau der Superlative, Werbung für das Land, die Pfalz, die Stadt hatte werden sollen, war zu einer fortgesetzten Provinzposse geworden, wie der Historiker Volker Ullrich in der „Zeit“ schrieb. Canossagänge allerdings blieben aus.

Der Kalender

DIE RHEINPFALZ feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag. In diesem Kalender erinnern wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

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