Filmfestspiele Cannes Velvet Underground: Warum Nico kam und John Cale gefeuert wurde

Filmcollage in „The Velvet Underground“ von Todd Haynes.
Filmcollage in »The Velvet Underground« von Todd Haynes.

„Sie sind neben den Beatles und den Stones eine der drei wichtigsten Bands in der Geschichte des Rock“n“Roll“, sagte US-Regisseur Todd Haynes (60) in Cannes, der seit seinen Collegetagen von der Band begeistert ist. Deshalb drehte er seinen Dokumentarfilm „The Velvet Underground“, der mehr ist als ein Bandporträt.

Haynes versteht es meisterhaft, mit Fotos, den wenigen gefilmten Auftritten der Band und Interviews von Überlebenden, den Zeitgeist der 60er lebendig zu machen, in der Velvet sich bewegte. Da war John Cale (79) mit seinen dissonanten Geigenklängen, der in einer Fernsehshow dasselbe Klavierstück von John Cage 18 Stunden lang am Stück spielte, weil in den Noten steht, dass man es 640-mal wiederholen soll. Zweites Gründungsmitglied 1964 war Lou Reed (1942-2013), der am liebsten in Schwulenclubs auftrat, sang, die meisten Songs schrieb und mehr Blues und Rock“n“Roll in diese erste Avantgarde-Band brachte.

Von Cale, dem Intellektuellen, gibt es die meisten Fotos: aus seiner Schulzeit, seinem Musikstudium und es gibt auch Video-Soloaufnahmen aus der Zeit. Von Reed konnte Haynes nur wenige Fotos auftreiben, ebenso von Angus MacLise (Schlagzeuger im ersten Jahr) und Gitarrist Sterling Morrison (Gitarre). Denn das ist das große Problem: Obwohl Andy Warhol (1928-1987) mit der Band schon früh zusammenarbeitete und dieser Maniak sonst alles filmte, hielt er Velvet nicht mit Kamera fest. Oder er löschte alles, bei Warhol weiß man das nie. Aber Cale und Maureen Tucker (76), die ab 1965 als einer der Frauen überhaupt hinter dem Schlagzeug saß, erinnern sich – und finden nicht immer freundliche Worte für Reed und Warhol, die beide die Band nach ihren Vorstellungen umkrempelten.

Warhol – genauer gesagt, Paul Morrissey aus der Künstlergruppe Warhol Factory, war es auch, der die Deutsche Nico (1938-1988) mitbrachte, weil die Band eine Frau als Hingucker brauchte. Lou Reed war alles anders als begeistert, weil die hübsche Blondine ihm die Schau stahl. „Nico konnte eigentlich nicht singen, ich habe dann versucht, Songs und Melodien zu schreiben, bei denen es mehr auf den Klang und Atmosphäre ankam“, erinnert sich Cale, wie er versuchte, ihren Sprechgesang zu integrieren. Und auch: „So richtig im Team arbeiten konnte sie nicht“. Man sieht, wie Nico, die Warhol öfter filmte, allein am Klavier sitzt und komponiert, abseits von den andern.

Nicht so klar, war vor dieser Doku, warum Velvet aus New York keinen Erfolg an der Westküste hatte: Die Experimentalmusiker von der Westküste konnten mit den Hippies in San Francisco und Los Angeles nichts anfangen. Und: „Wir hassten Frank Zappa und seine Mothers of Invention“, so Cale. Irgendwann hasste Reed auch Cale, „er wollte mehr in Richtung Mainstream“ gehen und warf Cale kurzerhand raus, der sich auch nicht groß wehrte, hatte er doch genug von Reeds Eskapaden.

Es sind die Interviews – Haynes trieb immerhin 20 Zeitzeugen auf – und eine furiose Montage von Fotos, Zeitungsausschnitten und Archivfilmen, die seinen Film so lebendig machen und zeigen, wie damals zum ersten Mal in New alles zusammenfand: Musik, Kunst, Design, Happenings, die Exzesse, die Streitigkeiten - und auch, wie alles endete und die Band im Mainstream versank und sich Anfang der 70er Jahre auflöste.

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