Film Ukraine: Der Alltag der Überlebenden in Mariupol

Êin Mann steht bei den Trümmern seines Hause.
Êin Mann steht bei den Trümmern seines Hause.

Es gibt eine dritte Möglichkeit, den Krieg in der Ukraine sichtbar zu machen neben zerstörten Städten und Präsident Selenskyi: Die Menschen zu zeigen, die in den Ruinen überleben.

„Mariupolis 2“ von Mantas Kvedaravičius aus Litauen, wurde in einer Sonderführung in Cannes gezeigt. Für seine Aufnahmen bezahlte der 45-jährige Filmemacher mit seinem Leben, er wurde am 2. April von der russischen Armee getötet. Seine Lebensgefährtin und Co-Regisseurin Hanna Bilobrova schnitt posthum die Aufnahmen zusammen.

Nach „Mariupolis 1“ (2016 in einer Nebenreihe der Berlinale zu sehen, wo der Konflikt zwischen prorussischen Rebellen und der ukrainischen Armee schon da war) und einer weiteren Doku, ging Kvedaravičius im März zurück, um einen dritten Film – nun mitten im Krieg in der belagerten Stadt – zu drehen.

Man sieht praktisch nur das Viertel von Mariupol, in dem Kvedaravičius sich aufhält, den Hinterhof zwischen halb zerbombten Häusern und der einzige hohe Bau, der übrig blieb: eine Kirche. Hier im Keller, im Gemeindesaal, sitzen zwei Dutzend alte Frauen und Männer und ein paar Kinder an einem langen Tisch. Zu beiden Seiten des Tischs liegen Matratzen und Decken, die Menschen schlafen auch da. Der Priester betet mit Ihnen und verbreitet einen Funken Hoffnung. Das ist nötig. Wenn man nach draußen blickt, sieht man in der Ferne lodernde Feuer und lange dunkle Rauchschwaden, Türme und Hochbauten eines Industriegebietes. Gefilmt wurde wohl in seinem Vorort.

Immer wieder sieht man dieselbe Perspektiven, gefilmt mit starrer Kamera, die Bilder wiederholen sich. Immer wieder knallt es, der Beschuss hält an, die alten Frauen zucken zusammen. Und doch versuchen die Männer tagsüber, aus den Ruinen alles zu retten, was sie gebrauchen können. Zwei schleppen einen Generator an, ein anderer baut einen kleinen Grill, auf dem später zwei Töpfe Platz haben, in denen einen Suppe aus Gemüse und Kartoffeln gekocht wird.

Den Tränen nahe ist ein Mann, wenn er auf den Krater zeigt, den eine Bombe in der Nachbarschaft im Gelände hinterlassen hat: Sein Haus stand da, wohl auch ein Garten. Das große Loch hat gut 20 Meter Durchmesser,

Die wenigen Dialoge sind nicht immer untertitelt, aber man versteht, warum es geht. Nur einmal nicht, aus ganz anderen Gründen: Wenn der Priester bittet, alle den Keller zu verlassen, weil sie hier nicht mehr sicher seien. Das wollen die Übriggebliebenen nicht. Jetzt jammern sie, erst jetzt., und sie weigern sich zu gehen, weil sie nicht wissen, wohin.

Ein klassischer durchstrukturierter Dokumentarfilm ist „Mariupolis 2“ nicht, aber auch kein Amateurfilm. Die erschütternden Aufnahmen sind eher wie ein Rohfilm, den man sich lieber online für alle wünscht als für die Wenigen bei einem Filmfestival.

In der Ferne sieht man die Rauschwaden.
In der Ferne sieht man die Rauschwaden.
Im Gemeinderaum unter der Kirchen finden einige Menschen Schutz.
Im Gemeinderaum unter der Kirchen finden einige Menschen Schutz.
Die Tauben und einige andere Tiere haben auch überlebt.
Die Tauben und einige andere Tiere haben auch überlebt.
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