DaDa Streit unter Pfälzer Ex-Freunden: Das schwierige Verhältnis von Hugo Ball und Ernst Bloch

Hugo Ball Foto:
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Hugo Ball und Ernst Bloch, die Freundschaft der beiden großen Pfälzer Intellektuellen war extrem krisenanfällig. Eine genaue Untersuchung dieses schwierigen Verhältnisses steht nun im Zentrum der aktuellen Ausgabe des „Hugo-Ball-Almanachs“, den der Literaturwissenschaftler Eckhard Faul im Auftrag der Hugo-Ball-Gesellschaft und der Stadt Pirmasens zusammengestellt hat.

Das Verhältnis zwischen dem Ludwigshafener Ernst Bloch (1885-1977) und dem aus Pirmasens stammenden Dadaisten und Mystiker Hugo Ball (1886-1927) litt unter tiefen Ambivalenzen. Aus enthusiastischer Zugewandtheit entwickelte sich recht schnell ein harscher Konflikt, der nicht nur auf weltanschaulichen Differenzen beruhte, sondern auch auf einem emotionalen Zerwürfnis.

Im aufregendsten Beitrag des neuen „Almanachs“ widmet sich der Philosoph Werner Wild, der zugleich Vizepräsident der Ernst-Bloch-Gesellschaft ist, den Animositäten zwischen Ball und Bloch. Und er kommt zu aufschlussreichen Ergebnissen. Im Mai 1917 hatte Ernst Bloch das Manuskript seines Frühwerks „Geist der Utopie“ abgeschlossen und war gemeinsam mit seiner Frau Else Bloch-von Stritzky in die Schweiz emigriert. In Bern traf er auf eine Gruppe deutscher Pazifisten, die sich um die neu gegründete „Freie Zeitung“ versammelte. Im Herbst 1917 begegneten sich in den Räumen der „Freien Zeitung“ erstmals die beiden Feuerköpfe Bloch und Ball.

Ball über Bloch: Mein „utopischer Freund“

Letzterer war bereits im Mai 1915 mit seiner Lebensgefährtin Emmy Hennings in die Schweiz gekommen und hatte in Zürich im Februar 1916 das „Cabaret Voltaire“ etabliert. Von Februar 1917 bis zum März 1920 konzentrierte Ball nun alle seine Energien auf die Arbeit für die „Freie Zeitung“. Seinen Mitstreiter Bloch empfand er in dieser Zeit als „utopischen Freund“. Erste Schatten fielen auf die Beziehung, als Ball im November 1918 einen Artikel in der „Freien Zeitung“ veröffentlichte, der als antisemitisch (miss)verstanden werden konnte. Ernst Bloch war nachhaltig verstimmt und trotz gegenseitiger Respektbekundungen fanden die Freunde nie mehr zum ursprünglichen Enthusiasmus zurück.

Werner Wild resümiert nun die möglichen Gründe für das Zerwürfnis und findet sie in den unterschiedlichen Denkwelten der beiden Freunde. Ball konnte mit dem „jüdischen Messianismus“ in Blochs Utopie-Konzept wenig anfangen, auch fühlte er sich eher zum Anarchismus Michail Bakunins hingezogen, während Bloch dessen Erzfeind Karl Marx den Vorzug gab.

Aus anderen Quellen ist bekannt, dass vielleicht auch Eifersucht eine Rolle spielte. Der einem hehren Liebesideal anhängende Ball war sehr eifersüchtig, als er gewahr wurde, dass der notorische Charmeur Bloch und seine Emmy zu großer Vertrautheit fanden.

Bei der „Freien Zeitung“ entstand auch die Freundschaft Balls mit dem katholischen Geistlichen Paul de Mathies, der einst ein Kammerherr bei Papst Pius X. war und mit ihm einen Feldzug gegen allen „Modernismus“ gestartet hatte. Im „Almanach“ skizziert Nikolaus Strolz die Entwicklung des Prälaten de Mathies vom Reaktionär zum leidenschaftlichen Friedensaktivisten.

Weitere lesenswerte Beiträge (von Reto Friedmann und Thomas Keith) sind dem lebenslang schwankenden Verhältnis Balls zur katholischen Kirche gewidmet und dem Einfluss des reaktionären Katholiken Léon Bloy auf Balls Vorstellung von einer „berauschten Theologie“. In einer eindrücklichen Analyse dechiffriert schließlich Christa Baumberger die Körperinszenierungen von Emmy Hennings.

Auf den von der Dichterin selbst in Umlauf gebrachten Fotografien setzt sich Hennings als zugleich laszive und unnahbare Ikone in Szene. Den verblüffendsten „Almanach“-Beitrag steuert Adrian Notz bei, der Ende 2019 seinen Posten als Direktor des „Cabaret Voltaire“ aufgegeben hat. Seine radikal subjektive Bilanz gleicht selbst einer dadaistischen Textperformance: „Ich wurde für mich zum unnützesten Menschen der Welt und erlebte mit meinem Ende im Cabaret Voltaire synchron das Ende der Zukunft.“

Lesezeichen

Hugo Ball Almanach 2020. Hrsg. von der Stadt Pirmasens in Verbindung mit der Hugo-Ball-Gesellschaft. Redaktion Eckhard Faul. Edition Text+Kritik, München; 204 Seiten, 22 Euro.
 Ernst Bloch
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