Kultur „Nichts geht ohne Musik“

Die Popakademie in Mannheim – eine staatliche Hochschulrichtung für Populäre Musik und Musikwirtschaft – war die erste ihrer Art in Deutschland, als sie 2003 gegründet wurde. Seit dem Wintersemester 2015/16 wird dort auch Weltmusik unterrichtet. Einer der Dozenten: Der Musikwissenschaftler Muhittin Kemal Temel. Er lehrt die Studierenden den Kanun zu spielen, eine Schoßharfe. Ein Porträt.

Der 1980 in Karlsruhe geborene Deutsch-Türke sagt, er sei der erste, der sich in seiner Familie ganz der Musik widmet. Schon mit fünf Jahren fing er mit der Musik an, beschäftigt sich zunächst mit der populären türkischen Musik. Mit zwölf Jahren dann wendete er sich dem Kanun zu, einem Instrument, auf dessen Übersetzung ins Deutsche als „Orientalische Schoßharfe“ er Wert legt. In Pforzheim lernte er bei Ismet Alpaslan klassische türkische Musik, später absolvierte er an der Goethe-Universität in Frankfurt ein musikwissenschaftliches Studium. Wie Temel erzählt, ist der Kanun vom Balkan bis in die Hindukusch-Berge in Afghanistan verbreitet. Es sei eigentlich ein Instrument, dass keine Grenzen kenne. „Es ist international. In Japan zum Beispiel wird der Kanun auch immer beliebter“, sagt er. Seit etwa tausend Jahre schätzt Temel, werde es gespielt und gehe ursprünglich auf al-Farabi – einem muslimischen Philosophen und Gelehrten aus dem Frühmittelalter (872-950) – zurück. Temel spielt damit unter anderem im Istanbul Symphonie-Orchester des auch in Deutschland bekannten und international renommierten türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Laut Muhittin Kemal Temel erfreut sich der relativ junge Studiengang Weltmusik an der Popakademie stetig wachsender Beliebtheit. Derzeit studieren 25 Student/innen im Studiengang, im Fachbereich Kanun sind es drei. Die Zusammensetzung der Student/innen sei durchwachsen – zum Teil seien es Kinder von Migranten in dritter Generation, aber auch einheimische Deutsche, sagt Temel. Der Abschluss ist der Bachelor of Arts (BA). Der Studiengang ist für jeden offen, der die Aufnahmeprüfung besteht. Auch Interessierte ohne Abitur können aufgenommen werden. Eine unerlässliche Voraussetzung ist jedoch: Sie müssen Musik spielen können. In drei Jahren Studium bekommen die Student/innen nach den Worten von Temel „ein umfassendes Paket an Wissen und Fähigkeiten“. Sie müssen eigene Bands haben, der Praxisbezug ist hoch. Außerdem bekommen sie beigebracht, welche Rechte und Pflichten sie als Musiker haben und wie sie ihre Werke vermarkten können. Die Absolventen könnten später auch als Musiklehrer arbeiten. Den Arbeitsmarkt für Musiker sieht Temel jedenfalls als eine große Chance. „Langfristig gibt es einen enormen Bedarf an Musikabsolventen. Musik gibt es überall, nichts ist heute ohne Musik“, betont er. Einer der Studentinnen in der Fachrichtung Kanun ist die Griechin Eleanna Pitsikaki aus Kreta in Griechenland. Die 20-Jährige lebt erst seit anderthalb Jahren in Deutschland, spricht aber fließend Deutsch und fühlt sich wohl in Mannheim. Sie erzählt, wie sich entschieden habe, Kanun zu studieren. Sie habe ein Konzert angeschaut in Griechenland, wo auch Kanun gespielt wurde und es gefiel ihr sehr gut. „Bis vor zwei, drei Jahren war Kanun in Kreta nicht so bekannt. Mittlerweile hat sich das geändert. Seit etwa zwei Jahren lernen viele junge Leute wieder Kanun“, sagt sie. Was sie nach ihrem Abschluss machen wird, weiß sie noch nicht. „Wenn es gut läuft, dann bleibe ich hier“, sagt sie.

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