Kultur Nabucco in Metropolis

Priester Zaccaria (Hiroshi Matsui) und Vera Ivanovic als Anna.
Priester Zaccaria (Hiroshi Matsui) und Vera Ivanovic als Anna.

Giuseppe Verdis Frühwerk Nabucco stellt einen Regisseur mit seinen wechselnden Schauplätzen und den großen Chorszenen vor Herausforderungen, die der junge Maximilian von Mayenburg in der Neuinszenierung des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken am Samstagabend mit Bravour meisterte.

Bereits die Ouvertüre vibrierte vor Spannung: Christopher Ward und das Saarländische Staatsorchester ließen das Drama um König Nabucco (Michael Bachtadze), seine rivalisierenden Töchter Fenena, gesungen von der aus Ludwigshafen stammenden Judith Braun, und Abigaille (Astrid Kessler) und die gefangenen Hebräer in ihrem Klangkörper lebendig werden. Die variable Bühne von Tanja Hofmann zeigte zunächst eine Ruinenlandschaft, in der der Krieg Spuren hinterlassen hat. Hier liefert die vermummte Abigaille ihre Schwester Fenena den Hebräern als Geisel in einem Stahlkäfig aus, während der Priester Zaccaria (Hiroshi Matsui) Verteidigungspläne schmiedet und ihr Vater Nabucco Jerusalem erobert. Als Nabucco naht, will Zaccaria Fenena töten, doch der hebräische Prinz Ismaele (Angelos Samartzis), der sich in sie verliebt hat, rettet sie. Abigaille, virtuos gesungen und facettenreich gespielt von Astrid Kessler, lässt ihre Maske fallen und umwirbt Ismaele mit schnippischer Provokation. Er weist sie zurück. Die Rivalität zwischen den Schwestern spitzt sich zu. Die Drehbühne verwandelt den Schauplatz; in Babylon klagen die verschleppten Hebräer ihr Leid. Hiroshi Matsui als geblendeter Zaccaria versucht sie mit einer leidenschaftlichen Arie wieder aufzubauen, während im Hintergrund in einem an die Maschinenwelt von Metropolis erinnernden Hochofen Menschenopfer stattfinden. Abigaille und der Hohepriester planen einen Staatsstreich, während Nabucco sich selbst als Gott ausrufen will. Doch bei dieser Zeremonie verkabelt Abigaille seine Krone mit einem Generator, versetzt ihm einen massiven Elektroschock und reißt die Macht an sich – agil, schillernd und geschmeidig, sexy, selbstbewusst und dominant beherrscht sie die Szene: Jetzt hat sie sich für die Zurückweisung ihres Vaters gerächt. Astrid Kessler spielt jede Nuance dieses zerrissenen Charakters aus, ihre Stimme träumt in zarten lyrischen Passagen und wütet in dramatischen Koloraturen, Musik und Emotion bilden eine untrennbare Einheit in ihrer faszinierenden Darstellung. Für die dramatischen Aktionen hat von Mayenburg starke Bilder gefunden: Abigaille demütigt Fenena, indem sie ihr die Haare schert, ebenso wie allen anderen Hebräern, die geopfert werden sollen. Nabucco erscheint als verwirrter Greis im Rollstuhl, im langen weißen Nachthemd. Im Kampf um die Macht weiß Abigaille sich medienwirksam wie bei einer Show zu inszenieren und ihre Gegner in einem Schauprozess vorzuführen, sie zeigt sich hier auch ihrem Gegenspieler Zaccaria überlegen. Doch Nabucco erholt sich von seinem Elektroschock und kann Abigaille noch stoppen, bevor beide sterbend zu Boden sinken und Abigailles Kampf um seine Anerkennung in der gegenseitigen Vernichtung sein Ende gefunden hat. Allein liegen beiden in diesem Augenblick auf der Bühne, ein Vorhang trennt sie von allen anderen. Fast noch überzeugender als die expressiven szenischen Bilder ist die bis in feinste Verästelungen durchdachte Personenführung von Mayenburgs, der die Psychologie seiner Charaktere transparent macht. Neben Astrid Kessler brillierte der georgische Sänger Michael Bachtadze als Nabucco mit seinem hohen, ausdrucksstarken Bariton. Lyrischen Schmelz und die Strahlkraft eines Heldentenors verbindet Angelos Samartzis als temperamentvoller Ismaele, während der dunkle Bass Hiroshi Matsuis in seinen Härten den radikalen Fanatismus Zaccarias immer wieder durchblitzen lässt in dieser rundum stimmigen, überzeugenden Aufführung, die ihren Schwung auch aus der mitreißenden Kraft der Chöre des Saarländischen Staatstheaters zieht. Termine Am 12., 15., 17. und 20 Juni. Infos im Netz: www.staatstheater.saarland

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