Kinogeschichte Mit Humor gegen Hitler: Vor 80 Jahren kam Chaplins „Der große Diktator“ in die Kinos

Charlie Chaplin als Adenoid Hynkel in „Der große Diktator“.
Charlie Chaplin als Adenoid Hynkel in »Der große Diktator«.

Mit Filmen wie „Moderne Zeiten“, „Goldrausch“ oder „Lichter der Großstadt“ hat Charlie Chaplin Weltruhm erlangt. Doch sein mutigstes und politischstes Werk war „Der große Diktator“, dessen Botschaft bis heute beeindruckt. Der Film erschien heute vor 80 Jahren.

„Hätte ich von dem Grauen in den deutschen Konzentrationslagern gewusst“, sagte Charlie Chaplin nach Ende des Zweiten Weltkriegs, „ich hätte ,Der große Diktator’ nicht machen können.“ Dass der Künstler seine meisterhafte Persiflage auf das barbarische Naziregime dennoch vorlegte, ist Fluch der Geschichte – und Segen für Filmliebhaber. Vor 80 Jahren, am 15. Oktober 1940, erlebte „Der große Diktator“ in New York seine Uraufführung; es war Chaplins erster „echter“ Tonfilm. Die Welt hörte den als tollpatschigen „Tramp“ so beliebten Autor, Regisseur, Produzenten und Darsteller zum ersten Mal reden – und was er sagte, lässt noch heute aufhorchen.

Chaplins Ähnlichkeit mit Hitler

Doch der Reihe nach. Schon lange wurde Charles Spencer Chaplin eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem selbst ernannten „Führer“ nachgesagt, nicht zuletzt wegen des schwarzen Schnäuzers. Zudem war der geniale Humorist am 16. April 1889 in London geboren, vier Tage vor dem aus dem österreichischen Braunau stammenden Hitler. Schon 1935 skizzierte Chaplin die Story, deren erste Fassung 1938 vorlag, kurz nach den Novemberpogromen gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland. Die Dreharbeiten begannen am 9. September 1939, acht Tage nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen in Polen.

Im Kern geht es um eine Verwechslungsgeschichte zwischen einem kleinen jüdischen Friseur und dem machtbesessenen Diktator Adenoid (Englisch „Rachenmandel“ – oder ein Kompositum aus „Adolf“ und „paranoid“) Hynkel, leicht zu identifizieren als Hitler. Der namenlose, tollpatschige Friseur landet im Konzentrationslager. Er kann fliehen, und statt seiner kommt Hynkel ins KZ, während der Friseur in dessen Rolle gedrängt wird. Am Ende des Films muss der kleine Mann vor den tobenden Massen eine Rede halten. Und die gipfelt in einem vierminütigen Plädoyer für Menschlichkeit, Nächstenliebe und Freiheit, wie sie aktueller kaum sein könnte.

Ein Plädoyer für Menschlichkeit und Nächstenliebe

„Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen, wo immer ich kann; den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen“, beginnt der vermeintliche Führer Hynkel. Der schüchterne Mann redet sich in Rage gegen Hass, Verachtung und Habgier. „Ohne Menschlichkeit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert“, so der jüdische Friseur, der sogar die Bibel zitiert: „Im 17. Kapitel des Evangelisten Lukas steht: ,Gott wohnt in jedem Menschen’, also nicht in einem oder einer Gruppe von Menschen. Vergesst nie, Gott lebt in euch allen“, so sein Appell für Liebe, Freiheit und Frieden.

Kritiker stießen sich daran, dass Chaplin mit dieser flammenden Rede klar politisch Stellung bezog und filmische Prinzipien brach. Doch kämpfte der Künstler in dem ebenso ernsten wie komischen Film auf seine Weise wider den Terror. Dafür studierte er Sprache und Symbole, Mimik und Habitus Hitlers akribisch und gibt ihn durch Übertreibung der Lächerlichkeit preis. Auch lässt er ihn in einer skurrilen Fantasiesprache reden, deren Klänge ans Deutsche erinnern. Uniformen und martialische Aufmärsche gemahnen an den Welteroberungswahn der Nazis.

Die Komik entlarvt Hitler

Letztlich war es ein Balanceakt für Chaplin, einerseits Hitler durch Komik zu entlarven, andererseits den Opfern des Nazi-Terrors Respekt zu zollen. Am 16. Dezember 1940 folgte die Europapremiere in London – auf dem Höhepunkt der deutschen Bombenangriffe. Ende 1944 wurde der Film im nicht mehr besetzten Frankreich gezeigt. Auch Hitler selbst ließ ihn sich angeblich vorführen und soll – ganz wie sein Alter Ego Hynkel – getobt haben vor Wut.

In der Bundesrepublik kam das Werk erst im September 1958 in die Kinos. Im März 1980 schließlich lief es im DDR-Fernsehen.

Eine der genialsten Szenen ist Hynkels „Tanz“ mit dem Globus. Zu den flirrenden Klängen aus Richard Wagners „Lohengrin“ benutzt der machtverliebte Diktator die Weltkugel – einen Luftballon – als Spielball, der schließlich unter seinen Händen zerplatzt. Auch hier hat Chaplin genau hingeschaut: Viele Fotos zeigen Hitler vor seinem riesigen Globus.

1941 war „Der große Diktator“ für fünf Oscars nominiert, ging aber leer aus. 1972, sechs Jahre vor seinem Tod, wurde sein Schöpfer mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Das filmische Antikriegs-Statement blieb Charlie Chaplins größter Erfolg.

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