Corona-Folgen Kulturmilliarde-Programm: „Nicht die Hilfe, die wir jetzt brauchen“

„Um zu überleben hilft es nicht, wenn wir jetzt umbauen“, sagt Peter Karl, der in Landau den Gloria Kulturpalast führt. Ihm fehl
»Um zu überleben hilft es nicht, wenn wir jetzt umbauen«, sagt Peter Karl, der in Landau den Gloria Kulturpalast führt. Ihm fehlt durch die weggebrochenen Einnahmen das Geld, um Programm zu machen und Fixkosten zu decken.

Eine Milliarde Euro für die Kultur will die Bundesregierung bereitstellen, um die Corona-Auswirkungen abzumildern. Doch nützt das Hilfsprogramm namens „Neustart Kultur“ tatsächlich den Kinos und privaten Veranstaltern von Bühnenerlebnissen, für die zumindest ein Viertel dieser Summe gedacht sein soll? Zwei Beispiele aus der Pfalz.

„Das bringt alles nichts, wenn man schon pleite ist“, sagt Peter Karl über die „Kulturmilliarde“, die schön klingt, aber an den Nöten privater Veranstalter wie ihm vorbei geht. Karl betreibt in Landau den Gloria Kulturpalast, ein ehemaliges Kino, in dem er nun Konzerte und Comedy, Partys und Firmenfeiern organisiert. Denn Geld allein für künftige Investitionen, wie es in den Richtlinien heißt (siehe „Zur Sache“) sei „nicht das, was wir jetzt brauchen. Um zu überleben hilft es nicht, wenn wir jetzt umbauen“, sagt er. „Diese Kulturmilliarde ist ein Witz.“

Ihm fehlt vielmehr Geld, um weiter Programm machen zu können und die laufenden Kosten zu decken. 6000 bis 8000 Euro im Monat benötige das Gloria: für Pacht, Versicherungen, Kredite, Löhne, er sei ja auch Ausbildungsbetrieb. Einnahmen fehlen. Programm anzubieten, ist schwierig. Wegen der Abstandsregeln, aber auch, weil das Publikum zurückhaltend ist. Und Namen, die ziehen, kann er sich nicht leisten. Dass Größen der Comedy-Szene, die in Stätten wie dem Gloria anfingen, kleineren Bühnen nun nicht entgegenkommen, stimmt ihn ebenfalls traurig.

Derzeit gehen kaum Menschen ins Kino.
Kommentar

Falsches Konzept

„Lass mich nicht unterkriegen“

Aufgeben will er aber nicht. „Ich lass mich nicht unterkriegen“, beteuert Karl, der sich seit März durch zahlreiche Förderanträge gekämpft hat. Soforthilfe fürs Gloria gab es, das half eine Weile. Ein Großteil der 5000-Euro-Hilfe der Stadt floss wiederum in eine notwendige Feuerschutztür. Über Spendenaufrufe im Netz kamen bisher um 10.000 Euro zusammen: Den Unterstützern ist er dankbar. Und kommenden Samstag steht noch ein Benefizkonzert der Band Hard N Heavy Godz an.

Karl selbst musste Hartz-IV beantragen, eine langwierige Sache, teils demütigend, da man doch wie ein normaler Antragsteller als „arbeitssuchend“ gelte. „Nur weil ich gerade kein Geld verdiene, heißt das aber ja nicht, dass ich keine Arbeit habe.“ Zu tun hat er genug: Über das Landesprogramm „Im Fokus“ hat er ein 2000-Euro-Arbeitsstipendium bekommen, damit hat er seine Reihe „Comedy Kautsch“ (www.comedy-kautsch.de) entwickelt. Aus dem vierten der sechs Länderfördertöpfe von „Im Fokus“ gab es auch etwas Geld für die Technik, um das Format streamen zu können. Und er hänge sich viel ans Telefon, um etwa Firmen davon zu überzeugen, das Gloria zu buchen. Auch gibt er – von Haus aus Zauberer – nun Zauberkurse für Jugendliche, wobei Hartz-IV kaum Zuverdienst erlaubt.

„Man macht die Leiche noch mal schön“

Der Verpächter sei seinem Einmannbetrieb zwar entgegen gekommen, aber langfristig wäre es besser, wenn der Staat Kulturveranstalter von einer Pacht befreien könnte, hat er eine Verbesserungsidee. Dass „Neustart Kultur“ stattdessen rein für Umbauten gedacht ist, wurmt ihn. Er hat ein drastisches Bild dafür gefunden: „Man macht die Leiche für die Aasgeier noch mal schön.“ Seine Sorge: Er könne das Gloria für die 2021er-Saison nun zwar umbauen, „aber gibt es mich dann überhaupt noch?“ Oder müsse er schließen, und ein Investor könne das fein herausgeputzte Haus übernehmen?

Rund 1000 Euro habe er bisher in die Hygiene-Ausstattung gesteckt. Erstattet wird das nicht, wobei die Kosten auch für erst ab jetzt förderfähige Investitionen in Plexiglasscheiben ja nicht allzu hoch sind. Da lohnt ein Antrag nur, wenn doch mehr neu gestaltet wird. Karl plant daher, den großen Saal umzubauen: Die Kinostühle sollen raus, der Boden wird eingeebnet, Stehtische kommen rein. 60.000 Euro könnte das kosten. Für weitere rund 30.000 Euro beantragt er, einen Außenbereich einzurichten, für eine etwaige Open-Air-Saison 2021. Wenn sich das Gloria bis dahin überhaupt halte: Das „Neustart“-Programm kommt reichlich spät. Jetzt, im Juli und August, wäre die Zeit für Freiluft-Konzerte gewesen.

„Wir halten durch“, hofft Karl

Die maximale Fördersumme von 100.000 Euro will Karl dennoch nahezu ausschöpfen: „Wir halten durch“, hofft er schließlich doch. Mehr würde ihm und anderen Clubbetreibern mit „richtig extremen Umsatzeinbußen“ – er spricht von über 120.000 Euro allein im Frühjahr – jedoch zunächst eine einmalige Geldspritze helfen, betont er.

Das Programm „Neustart Kultur“ gehe schlicht an der Realität vorbei. Die Politik solle auch dafür werben, dass mehr Menschen wieder zu Kulturveranstaltungen gehen. „Ich würde gern mal, wie viele andere Kulturschaffende sicher auch, mit Monika Grütters reden. Wir fühlen uns unverstanden“, sagt Karl. Die Politik verstehe noch immer nicht, wie existenzbedrohend die Lage sei.

Auf die Fachleute, die sich im Auftrag des Bunds um seine bereits eingereichten Anträge kümmern, lässt er indes nichts kommen. Ebenso zufrieden war er mit den Betreuern des Mainzer Programms „Im Fokus“: „Das sind Leute, die haben Ahnung.“ Das Gloria gilt als „Kleinkunstbühne“ – ein Begriff, den er wenig schätzt („da fühlt man sich als hässliches Entlein“) – und wird daher von der Stiftung der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG) beraten. Dort habe man signalisiert, dass seine Anträge schnell bearbeitet werden können, der Bund die Gelder jedoch noch nicht freigegeben habe.

Ernst Pletsch schläft kaum noch

Noch frustrierter ist Ernst Pletsch, seit 40 Jahren Betreiber des Broadway-Kinos in Ramstein. „Ich kann nachts nicht mehr schlafen“, gesteht er. Die Sorgen sind groß. Pletsch hat bislang keinerlei Corona-Hilfen bekommen. Er musste auf einen Notkredit zurückgreifen. Auch auf ihn passt „Neustart Kultur“ nicht. Große Investitionen, etwa in eine neue Lüftungsanlage, hat er schon 2019 getätigt. Eine Erstattung dafür sieht das aktuelle Programm nicht vor: Mittelständische Kinobetreiber wie er fühlen sich bestraft dafür, dass sie früh vorgesorgt haben. 6,5 Millionen Euro habe er in den letzten Jahren investiert, Kredite aufgenommen, muss daher monatlich eine hohe fünfstellige Summe bedienen. „Man hat mir am 18. März die Existenz genommen“, sagt er drastisch.

Jetzt Geld in Umbauten zu buttern, die im Grunde nicht notwendig sind, kommt ihm absurd vor. „Wer denkt denn jetzt an Investitionen? Wir brauchen Hilfe, um überhaupt zu überleben.“ Auch Pletsch plädiert für eine direkte, bedingungslose Auszahlung der Gelder. Eine andere Lösung sei ein Hilfsfonds, wie ihn der Hauptverband Deutscher Filmtheater angeregt hatte. „Dieses Programm jedenfalls hilft nicht“, sagt er über „Neustart Kultur“.

Hoffen auf 1-Meter-Regel

Das Broadway hat bereits seit Ende Mai wieder auf, obwohl die großen Kinostarts fehlen, und er nur 20 Prozent der Plätze belegen darf. Das Bestehen auf 1,50 Meter Abstand sei ein großes Problem und nicht schlüssig, spielt Pletsch darauf an, dass in der Gastronomie zehn Menschen an einem Tisch sitzen dürfen. Und dass die Belüftung in einem Kino mit modernster Technik ein sorgloses Erlebnis möglich mache. Anders als etwa in weniger effektiv belüfteten Restaurants wird permanent Frischluft zugeführt. Über 15.000 Kubikmeter pro Stunde im Broadway. „Die Leute sind bei uns hundertprozentig sicher.“ Infektionsherde sieht er eher in der Partyszene, die sich nicht an Coronaregeln halte. „Und wir werden dafür in Geiselhaft genommen.“

„Die Politik muss differenzieren“, sagt er. Schließlich zeigten jüngste Studien, dass Kinos sicherer als Büros seien, da es – die Leute sprechen und bewegen sich ja nicht – kaum Aerosole zu messen gebe. Eine Hoffnung daher: Dass für Kinos die auch von Kulturstaatsministerin Monika Grütters befürwortete Ein-Meter-Regelung kommt.

„Ich glaube nach wie vor ans Kino“

Das Publikum geht indes nur zögerlich wieder ins Kino. „Wir legen drauf. Aber wir wollten ein Zeichen setzen. Und wer kommt, ist begeistert.“ Pletsch hofft nun wie andere Kinos auch auf Christopher Nolans Sci-Fi-Abenteuer „Tenet“ am 26. August. Zumal der zweite für August angekündigte Hollywood-Film nun nicht ins Kino kommt. Disney bringt „Mulan“ direkt auf seinem Streaming-Kanal heraus. „Das ist sehr dreist“, sagt Pletsch. Der Konzern schneide sich aber ins eigene Fleisch: „Ich glaube nach wie vor ans Kino. Das Gemeinschaftserlebnis und die Gänsehaut – das ist nicht zu ersetzen.“

Einen Lichtblick aber gibt es für Pletsch, Karl und andere Veranstalter aber doch – aus dem Finanzministerium: eine neue Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, ausgestattet mit 25 Milliarden Euro. Für die Monate Juni bis August gibt es direkte Zuschüsse zu den betrieblichen Fixkosten. Erstattet werden etwa bei über 70 Prozent Einbußen 80 Prozent der Fixkosten, maximal 50.000 Euro pro Monat. Pletschs Antrag läuft nun. „Wieder ein bürokratischer Kraftakt“, sagt er zum Verfahren. „Aber natürlich besser als nichts. Das würde meine Kosten für sieben Wochen decken.“

ZUR SACHE

Die Kulturmilliarde

Mit einer Milliarde Euro ist das Bundesprogramm „Neustart Kultur“ ausgestattet. 250 Millionen Euro davon sind für „pandemiebedingte Investitionen“ von Kinos und Kultureinrichtungen vorgesehen, die „nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert“ werden, sowie für soziokulturelle Zentren. Antragsberechtigt sind etwa private Museen, Theater, Festivals, „Musikaufführungsstätten“ und Musikclubs, Kulturzentren, Literaturhäuser, Kleinkunstbühnen, Varietétheater sowie Zirkusse.

„Investive Umbau-, Modernisierungs- und Ausstattungsmaßnahmen“ werden gefördert. Gemeint sind zum Beispiel der Einbau von Schutzscheiben, die Erweiterung oder der Ersatz von Bestuhlung und Bühnen, die Anschaffung von Ausstattung für mobile Formate und Open-Air-Veranstaltungen, auch IT-Investitionen, Infektionsschutzausstattung, die Modernisierung sanitärer Einrichtungen oder der Klima- und Belüftungssysteme. Beantragt werden können bis 100.000 Euro, Kinos mit mehreren Sälen erhalten bis 315.000 Euro. Beantragt werden dürfen nur Neuinvestitionen. Bereits getätigte Investitionen werden nicht erstattet. 90 Prozent der Kosten trägt der Bund, das Land Rheinland-Pfalz spendiert die restlichen zehn Prozent.

Und die übrigen 750 Millionen Euro? Mit etwa 480 Millionen Euro sollen Kulturträger neue Aufträge an Freiberufler vergeben können, sie richten sich an Livemusikstätten, Theater, Tanzstätten, Verlage, Galerien und Kinos. 150 Millionen Euro sind für digitale Förderung gedacht. 100 Millionen Euro gehen an vom Bund bereits geförderte Einrichtungen, 20 Millionen Euro an private Hörfunkveranstalter. ütz

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