Kultur Komiker John Cleese brilliert in Frankfurt

Handküsschen von einem angeblich frisch Wiederbelebten: John Cleese bei einem Auftritt seiner „Last Time To See Me Before I Die“
Handküsschen von einem angeblich frisch Wiederbelebten: John Cleese bei einem Auftritt seiner »Last Time To See Me Before I Die«-Tour.

Eine denkbar boshafte und zugleich humanistische, fundierte und gleichzeitig extrem lustige Vorlesung über Humor, Leben und Tod: Das hat der englische Komiker John Cleese am Montag in der ausverkauften Alten Oper Frankfurt geboten. Der Abend mit dem 78-Jährigen stand unter dem bezeichnenden Motto „Last Time To See Me Before I Die“ (deutsch: Letzte Chance, mich zu sehen, bevor ich sterbe).

Die Aufforderung aus dem Lautsprecher ist eindeutig: Mister Cleese sei nicht nur schon sehr alt, sondern auch herzkrank, sodass ihn ein Arzt gerade hinter der Bühne wiederbelebe. Das Einzige, was ihm in diesem Zustand helfen könne, sei spontaner Applaus im Stehen. Der ist dem angeblich frisch Defibrillierten gewiss, als er kurz darauf die Bühne betritt. Das Publikum hat da schon auf der Bühnenleinwand einen Zusammenschnitt von Cleeses Karriere gesehen: vorwiegend Szenen aus Film- und Fernsehproduktionen der von ihm mitgegründeten britischen Komikergruppe Monty Python, aus der 70er-Jahre-Fernsehserie „Fawlty Towers“ und der 80er-Filmkomödie „Ein Fisch namens Wanda“. Auf sie kommt er in den folgenden zwei Stunden immer wieder zurück. Sie betrachtet er ohne Frage als Kern seines Schaffens – ungeachtet weiterer Rollen wie die des schrägen Waffenmeisters „Q“ in James-Bond-Abenteuern und des „Fast kopflosen Nick“ in Harry-Potter-Verfilmungen. Vermutlich hat Cleese die ohnehin nur angenommen, um Geld zu verdienen. Das muss er noch immer, wie er am Montag gleich zu Beginn klarstellt. Um seiner dritten Exfrau eine Abfindung zahlen zu können, tourt der Brite durch die Lande. Dabei kommt der Titel seines Programms nicht nur so herrlich durch- und übertrieben sensationsheischend daher, als wäre der Komödiant demnächst tot wie ein Norwegischer Blauling-Papagei. Cleese macht sich darüber hinaus auch noch gepflegt über ins Kraut schießende Abschiedstourneen im Unterhaltungsgeschäft lustig. Den Zuschauern bietet der Brite einen Streifzug durch sein Verständnis von Humor. Fast unmerklich springt er dabei zwischen drei Perspektiven umher: dem Komiker, der mit sicherem Gespür für Timing Pointen setzt, dem Beobachter komischer Wirkung und dem Humanisten, der die Menschlichkeit des Lachens so boshaft wie irgend möglich verpackt. Denn daran lässt Cleese keinen Zweifel: Sein Humor ist tiefschwarz – so wie die von ihm gespielte Figur im Monty-Python-Film „Die Ritter der Kokosnuss“. Dieser mittelalterliche Recke weigert sich selbst nach dem Verlust beider Arme, die Waffen zu strecken – schließlich sind seine Verletzungen nur „Kratzer“ und „Fleischwunden“. Wem das Lachen über abgetrennte Gliedmaßen noch nicht genügt, für den hat John Cleese auch ermordete Haustiere im Angebot. Mit diebischer Freude zeigt er Ausschnitte aus „Ein Fisch namens Wanda“, in denen ein erklärter Tierfreund die drei Schoßhündchen einer alten Dame meuchelt. Warum sich ausgerechnet darüber seinerzeit niemand wirklich aufgeregt habe, erklärt der 78-Jährige so: „Es waren Yorkshire Terrier – nutzlose, haarige Kreaturen, die vom Erdboden gefegt werden sollten.“ Gibt ausgerechnet ein würdevoll wirkender Gentleman in feinstem Queen’s English solche Bösartigkeiten zum Besten, könnte der Kontrast größer nicht sein. Der Cambridge-Absolvent hat sichtlich und hörbar seinen Spaß daran, den humoristischen Tabubruch zu zelebrieren. Nicht ausnahmslos alle Gags zünden. So bleiben zwei Clips über eine „Schwedische Spaß-Woche“ ohne große Wirkung – vielleicht auch wegen der schlechten Tonqualität der Filmeinspielungen. Humor-Nostalgiker bedient der Engländer mit Anekdoten über die Entstehungsgeschichte von „Monty Python’s Flying Circus“ und „Das Leben des Brian“. Außerdem verrät er, welcher tatsächliche Hotelier einst Pate für die Figur Basil Fawlty stand – einen menschenfeindlichen, snobistischen britischen Hotelbesitzer mit panischer Angst vor seiner Ehefrau. Und wie ist das nun mit dem angeblich bevorstehenden Tod? Cleese sagt, er freue sich darauf – schließlich seien einige der wunderbarsten Menschen schon hinüber. Bilder unter anderem von Jesus Christus, Franz von Assisi und Charlie Chaplin belegen seine Sicht. Im Gegensatz dazu seien etliche der fürchterlichsten Personen noch am Leben – auf der Leinwand erscheint außer den üblichen Verdächtigen Kim Jong Un, Assad, Erdogan, Netanyahu, Putin und Trump auch Schauspielkollegin Gwyneth Paltrow. Ein letztes Mal macht John Cleese damit in Frankfurt seinen Standpunkt klar. Getreu dem in England sprichwörtlich gewordenen Motto Basil Fawltys zum Umgang mit Deutschen („Don’t mention the war!“) tut er das, ohne auch nur ein einziges Mal den Krieg zu erwähnen. Und nun zu etwas völlig Anderem...!

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