Film Interview mit Oscar-Preisträgerin Kate Winslet zu ihrem neuen Film „Die Fotografin“

Kate Winslet stellte in München „Die Fotografin“ vor.
Kate Winslet stellte in München »Die Fotografin« vor.

Kate Winslet (48) wurde durch den Film „Titanic“ (1997) zum Weltstar. Den Oscar gewann die Britin 2009 für die Literaturverfilmung „Der Vorleser“. Ab Donnerstag ist sie als Kriegskorrespondentin Lee Miller in „Die Fotografin“ zu sehen. Den Film hat sie auch produziert. Katharina Dockhorn sprach mit Kate Winslet beim Münchner Filmfest.

Soweit ich weiß, hat die Entstehung des Films an einem runden Tisch angefangen?
Ich werde Ihnen nicht sagen, wo der Tisch steht, wenn das in Ordnung ist. Aber er ist Teil unseres Lebens. Ich saß mit Freunden um ihn herum, sah die Fotos und dachte, Lee Miller mhhh… nie gehört. Warum hat niemand einen Film über sie gemacht? Zehn Jahre später sitze ich hier und denke, oh mein Gott, wir haben es tatsächlich geschafft.

Was hat Ihnen an Lee Miller so imponiert, dass Sie sie spielen wollten?
Sie hatte eine außergewöhnliche Lebenskraft, die sie befähigte, in dieser Männerwelt zu überleben. Und ihr Mut! Sie war ja kein junges Ding mehr, das naiv in den Krieg zog. Sie war eine Frau, die schon einiges erlebt hatte und das Leben hätte genießen können. Sie ahnte, worauf sie sich einlässt. Ihr Wunsch, von den Schrecken zu berichten, war so stark, dass sie alle Bedenken zu möglichen Gefahren beiseiteschob.

Können Sie an sie andocken?
Natürlich. Noch heute müssen wir uns als Frauen der Frage stellen, wo unser Platz auf der Welt ist. Niemand will von einem Mann wissen, wie er Familie und Beruf unter einen Hut kriegt. Ich wurde unzählige Male danach gefragt. Doch solche Erfahrungen machen uns nur stärker und widerstandsfähiger.

Kann Lee Miller ein Vorbild für alle Frauen sein?
Wie kann sie das nicht? Es geht doch nicht nur um ihre Fotos, auch um ihre Erscheinung und ihr Selbstbewusstsein. Sie war mit ihrem Aussehen und mit ihrem physischen Selbst im Reinen. Weil sie keine Bitterkeit in sich spürte. Außerdem war sie Teamarbeiterin, und sah sich nicht ständig im Wettbewerb mit anderen. Sie glaubte daran, was sie machte. Das machte sie unbeugsam. Deshalb war sie eine enorm wichtige Inspiration für mich, und hat meinen Weg bestätigt. In meinen Zwanzigern hatte ich den Eindruck, ich müsse mich verteidigen, weil ich unbeirrt meinen Weg gehen wollte.

Wie haben Sie es geschafft, sich nach „Titanic“ nicht vom Starrummel blenden zu lassen?
In den folgenden Jahren war ich ein bisschen am Navigieren. Es fühlte sich seltsam an, plötzlich als Star zu gelten. Die Frau auf dem Roten Teppich und auf dem Cover der Magazine, das war nicht ich. Ich hätte mir auch in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass ich dort lande. Ich war lange froh, dass ich einen Job auf der Bühne fand, an Film wagte ich nicht zu denken. Als dann der Rummel begann, war ich nicht bereit dafür.

Sie gründeten eine Familie und entschieden sich oft für kleine Filme abseits der Blockbuster?
Ich wollte weiter lernen. Bei dieser Entscheidung wurde ich von meinen Agenten und meiner Familie unterstützt. Ich nahm viele Rollen an, um mich auszuprobieren. Auch in dem Wissen, dass nicht jeder Film ein Erfolg werden kann. Wir drehen doch Filme, weil wir Geschichten erzählen wollen. Die mal sehr viele, mal weniger Menschen sehen wollen. Du kannst das nicht kontrollieren. Heute kann ich stolz sagen, ich bin immer noch hier. Und ich bleibe.

Warum haben Sie sich erstmals als Produzentin engagiert?
Ich fühlte, dass ich nützlich sein kann. Denn in dieser Industrie kann so vieles schief laufen, wenn einem ein Projekt am Herzen liegt. Ich bin auch lange genug dabei, um zu wissen, worauf ich mich einlasse. Zumindest dachte ich das. Die Produktion eines Films ist aber ein völlig anderer Job. Ohne Kate Solomon wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen.

Welche Inhalte waren Ihnen bei diesem Biopic wichtig?
Wir versuchen, das Wort Biopic zu vermeiden, denn wir folgen Lee Miller nur über zehn Jahre ihres aufregenden Lebens. Sonst wäre es eine zwölfteilige TV-Serie gewesen geworden. Unsere Sicht auf Lee mussten Kate und ich immer wieder verteidigen. Zuletzt sind wir auf die Barrikaden gegangen, als die PR-Agenten als Headline der Kampagne vorschlugen: Kate Winslet als Lee Miller, die Ex-Muse von Man Ray. Ich hasse diesen Begriff. Er ist so lächerlich. Vor allem ist es nicht unser Film. Es ist ein Film über eine Kriegskorrespondentin, die zu den besten ihres Fachs gehörte und Phänomenales geleistet hat. Diesen Film wollte ich als Produzentin machen. Und sie nicht auf den männlichen Blick auf ihr Leben reduzieren.

Lee Miller war eine der ersten Journalisten, die nach der Befreiung in einem KZ waren. Wie sind Sie an diese Szenen herangegangen?
Wir wollten Film so wahrhaftig wie möglich machen. Daher bin ich Anthony Penrose, Lees Sohn, sehr dankbar, dass er als kreativer Berater dabei war und uns Zugang zum Archivmaterial gab. Während der Recherche ließ ich die Fotos nahe an mich ran. Daher wusste ich, dass der Dreh dieser Szenen der schwierigste Teil des Films werden. Nicht nur technisch, auch emotional. Ich habe versucht, die Fotos zu verdrängen und nicht zu viel darüber nachzudenken. Bis ich an den Drehort kam. Ich kannte die Gebäude und das Set bereits. Es aber mit Statisten in Häftlingskleidung gefüllt zu sehen, überwältigte mich. Ich fühlte, wir sind den Opfern verpflichtet, diese Stunden durchzustehen.

Es gibt ein bekanntes Foto von Miller in der Badewanne von Adolf Hitler. Wurde diskutiert, dessen Entstehung überhaupt zu zeigen?
Wir führten darüber endlose Diskussionen. Keine Szene ist so viele Mal verändert worden, um Lees Verhalten und ihre Gefühle zu treffen. Mir war auch klar, dass ich am Drehtag improvisieren muss. Denn auch für Lee war es eine spontane Entscheidung. Sie kam in diese Wohnung voller angeheiterter Offiziere, und dachte nur, da ist ein Bad mit einer Wanne und heißem Wasser. Und ich konnte mich sechs Wochen lang nicht richtig waschen. Ihr war es egal, dass dieses Bad vorher Hitler gehörte und er in der Badewanne saß. So hat sie wohl gearbeitet. Sie hat sich auf die Situation eingelassen, das wollte ich auch. Aber als ich dann in der Wanne saß, dachte ich wahrscheinlich ebenso wie sie, was zum Teufel mache ich hier.

Hatten Sie Bedenken, nackt in diese Badewanne zu steigen?
Niemals. Denn so hat sie gelebt, wir haben nichts erfunden. Unserem Team war aber wichtig, dass die Nacktheit nie sexuell aufgeladen wird. Es ist nur ein natürlicher Körper.

Was haben Sie aus dem Film mitgenommen?
Ihre Selbstlosigkeit gegenüber ihrem Aussehen fand ich inspirierend, und bemühe mich, wie sie zu leben. Ich bin dieses Zwangs zur Selbstinszenierung von Frauen so überdrüssig. Nicht, dass ich je in diese Falle getappt wäre. Aber ich kann mich dem Zwang nicht völlig verschließen. Wir verschwenden aber so viel Zeit, um uns rauszuputzen und uns mit anderen Frauen zu vergleichen. Ich muss mehr so sein wie die, um gut auszusehen. Ich muss mehr trainieren, weniger essen oder nicht so viel Wein trinken. Das ist so dumm. Denn das ist das Leben. Heute und jetzt. Ich will nicht zurückblicken und denken, ich habe so viel Zeit verbracht, um wie andere zu sein. Ich will Ich sein, mit allen Fehlern.

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