Glosse Hart am Leben: Edle Garagen und wahre Größe

Auch das: Farbige Container patrouillieren die Hauseingänge.
Auch das: Farbige Container patrouillieren die Hauseingänge.

Garage zu klein, Garten zu groß: Symptome eines Alltagswandels

Alles nimmt zu. Wachstum ist eine Zielvereinbarung des Kapitalismus. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person etwa. Sie hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt. Es gibt zahllose Dinge an unseren Häusern, die das unaufhaltsame Wachstum demonstrieren. Bereits am Eingang setzen sie neue Maßstäbe.

Vom Briefschlitz zur Warenschleuse

Betrachten wir die Briefkästen. Früher reichten dafür klappenbewehrte Schlitze in der Haustür oder in der Außenwand, etwas weniger komfortabel die winzigen Kästchen aus gehämmertem Blech, die man an den Gartenzaun hängen konnte. Darin hatten eine Ansichtskarte und ein Briefkuvert Platz. Ein wenig aufregend war es immer, wenn tatsächlich etwas drinsteckte. Inzwischen sind die Postkästen in Etappen immer größer geworden. Zwar schreibt kein Mensch mehr einen Brief, aber die täglichen Werbeaussendungen und vor allem die im Internet bestellten Artikel sollen sicher und unbeschädigt abgelegt werden. Man kann sagen: Hier ist noch Luft nach oben, künftig wird man schleusenartige Warenannahmeschränke in den Eingängen vorsehen.

Müllcontainer löst Ascheneimer ab

Auch der Hausmüll verlangt ein Umdenken. Nachdem die Ascheneimer mit dem typischen Bügeldeckel von der Mülltonne abgelöst wurden, reagierten die Architekten mit in die Außenanlagen integrierten Nischen und Verschlägen oder separaten, vornehmlich aus Waschbeton hergestellten bunkerfesten Gehäusen. Da Größe und Anzahl der obligaten, nun als Wertstoffbehälter deklarierten Abfalltonnen zunahmen, patrouillieren inzwischen farbige Container die Hauseingänge. Die leerstehenden ehemaligen Mülleimerverschläge ließen sich jetzt als Postbehälter verwerten, nur eine Idee.

Wir haben zu klein gedacht

Ein letzter Blick gilt den Garagen, oft als niedliche Gebäude mit Segmentbogen über einem massiven Flügeltor errichtet, später im Wohnhaus als beheizter Stellplatz domestiziert, nehmen sie heute Gartengeräte, Fahrräder oder vorübergehend den Hausrat der geschiedenen Tochter auf. Unsere adipösen Geländewagen passen nicht mehr hinein. Die stehen fordernd in der Einfahrt und zeigen uns, dass wir zu klein gedacht haben. Nur der Garten ist zu groß. Drum wird er zugeschottert, damit er keine Arbeit macht.

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