Kultur Höchste Konzentration

Otello (Stuart Skelton) tötet seine Gattin Desdemona (Sonya Yoncheva): Szene aus dem vierten Akt von Verdis Oper in Baden-Baden.
Otello (Stuart Skelton) tötet seine Gattin Desdemona (Sonya Yoncheva): Szene aus dem vierten Akt von Verdis Oper in Baden-Baden.

Im siebten Jahr schon kommen die Berliner Philharmoniker zu ihren Osterfestspielen nach Baden-Baden. Im Jahr ohne Chefdirigent übernimmt Zubin Metha das Dirigat von Verdis „Otello“ und demonstriert seine reife Interpretationskunst. Zum vierten Mal ist im Festspielhaus eine Inszenierung von Robert Wilson zu sehen, der hier die Oper zum ersten Mal in Szene setzt.

Für die Berliner Philharmoniker ist Verdis „Otello“ dagegen kein neues Stück. Sie haben es mit Herbert von Karajan Anfang der 1970er-Jahre auf Schallplatte eingespielt – und der Maestro hat diese Aufnahme seiner spektakulären Filmversion unterlegt, die die Oper sehr naturalistisch und sehr effektvoll ins Bild setzt. Es gab auch eine Bühnenproduktion der Karajan-Inszenierung zuvor bei den Salzburger Festspielen 1970-72. Dergleichen Film- und Theaterrealismus ist natürlich der totale Gegensatz zu der szenischen Version, die der amerikanische Künstler Robert Wilson bei den Osterfestspielen der Berliner Philharmoniker im Festspielhaus Baden-Baden in der im eignen Weise auf die Bühne bringt. Bei Wilson ist auch diesmal alles stilisiert und fast abstrakt, die Aktionen sind nur angedeutet und werden nie voll ausgespielt. Die Personen erscheinen fast wie Schemen mit ihren weiß geschminkten Gesichtern und strengen Kostümen (Jacques Reynaud und Davide Boni). Eine spezifische Stimmung erzeugt eine ausgeklügelte Lichtregie – und neben dem Licht und den fast schon rituellen Bewegungen der Personen gibt es nur wenige gezielt eingesetzte Bildelemente. Bob Wilsons Theaterkunst ist Kult – im doppelten Sinn des Wortes. Er hat seine Jünger und seine Gegner. Wer bei Verdi wilde Gesten oder opulente Illusion will, wird hier nicht bedient. Eines aber ist klar: Die Musik dieses späten Geniestreichs von Verdi und Boito quillt schier über von hochkonzentrierter Dramatik und Leidenschaft. Da bedarf es keiner szenischen Verdopplung mehr. Gerade durch die Reduktion und Konzentration der szenischen Mittel gelingt eine Verdichtung des Ausdrucks und eine Pointierung der Musik. Besonders im vierten Akt entfaltet Wilson seine geradezu mystisch-rituelle Aura, die ideal zu einer aufs äußerste Maß zugespitzten musikalischen Expressivität passt. Ohne Musik ist der Prolog von Wilsons Regie mit dem Video eines sterbenden afrikanischen Elefanten: ein eigenes vieldeutiges Medienkunstwerk zum Stück. Ende des Monats wird der Dirigent Zubin Metha 83 Jahre alt. Am Pult der Berliner Philharmoniker steht er für eine ausgereifte musikalische Wiedergabe der Partitur Verdis, die keine Wünsche offenlässt und das Werk wahrlich mit untrüglichem Wissen und tiefer Weisheit deutete. Alles erklingt bei Metha wie selbstverständlich und unaufgeregt – und ist doch ganz bewusst gestaltet und im Ausdruck auf den Punkt gebracht. Drei Jahre nach seinem Auftritt als Tristan singt der australische Heldentenor Stuart Skelton in Baden-Baden nun den Otello. Er legte viel Wert auf eine gebundene, ausdrucksvolle Gesangslinie und weniger auf rohe Kraftmeierei und rüde Schreie. Frei von äußerlicher Effekthascherei ist auch Vladimir Stoyanov als Jago, der sein teuflisches Credo und seine tödliche Intrige in geschmeidigen Wohllaut verpackt. Star im Solistenensemble ist Sonya Yoncheva als Desdemona, die in erlesenen Kantilenen, superben Tönen und einer von innen mit Spannung erfüllten Leidenschaft der Figur ein bewegenden musikalisches Profil verleiht. Sie ist in mehr als einer Hinsicht die Lichtgestalt des Abends. Wie immer exzellent besetzt sind die kleineren Rollen, wobei nicht zuletzt das Tenorpotenzial von Francesco Demuro als Cassio auffällt. Eine sichere Bank ist auch wieder der Philharmonia Chor Wien in der Einstudierung von Walter Zeh. Info Vorstellungen sind noch am 19. und 22 . April um 18 Uhr. Telefon 07221 3013-101, www.osterfestspiele.de

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