Kultur Große Sause

Von Zuschauern voll besetzt: der Karlsruher „Mount Klotz“.
Von Zuschauern voll besetzt: der Karlsruher »Mount Klotz«.

Karlsruhe wurde an diesem Wochenende wieder zur Partyzone. 130.000 Zuschauer haben beim Festival „Das Fest“ mit Künstlern wie den Simple Minds, Mando Diao, Olli Schulz und Marteria auf der Günther-Klotz-Anlage gefeiert. Schon im Dezember waren die Tickets für den kostenpflichtigen Bereich vergriffen.

Es gibt Menschen, die sind der festen Überzeugung, dass ein bisschen Regen „ja schon irgendwie zu einem anständigen Festival dazugehört“. Wie Bier und Dosenravioli eben. Was wäre Woodstock damals ohne den Regen gewesen, heißt es dann oft, als ob das irgendwas beweisen würde. Doch sind wir jetzt mal ehrlich: Bei einem solchen Event im Regen zu stehen, das rangiert doch in Wahrheit bei den meisten direkt hinter dem „Unter-Helga-Helga-Rufen-von-Fremden-mit-dem-Dixi-Klo-umgeworfen-werden“-Trend auf der persönlichen Festival-Nerv-Liste. Das verriet zumindest der Blick in so einige sauertöpfische Gesichter am Samstagabend, als sich gerade Gloria auf die Hauptbühne wagten. Da die meisten Besucher wohl nicht im Laufe des Tages mit dem Dixi-Klo umgeworfen wurden, liegt der Verdacht nahe, dass es eben auch am Wetter lag, dass die Stimmung zu diesem Zeitpunkt nur so lala war. Und es hat sicher auch nicht geholfen, dass Gloria nicht gerade ihren besten Tag erwischt hatten. Mal verpasste der Drummer seinen Einsatz, mal wollte die Technik nicht, wie sie sollte. Immerhin rettete Sänger Klaas Heufer-Umlauf mit seinen selbstironischen Ansagen ein ums andere Mal die Situation. Vielleicht war es auch einfach ein undankbarer Slot für die Indie-Rocker, den Anheizer für Marteria zu geben. Marten Laciny, so der bürgerliche Name des gebürtigen Rostockers, gehört seit Jahren zu den größten Stars des deutschen Raps, und die meisten Besucher waren am Samstagabend vor allem wegen ihm da. Und so überraschte es nicht, dass der Mann das Publikum am Mount Klotz vom ersten Beat an im Griff hatte. Marteria bot den Festivalbesuchern eine gelungene, energiegeladene Show, präsentierte alte Hits zum Mitgrölen und Songs aus seinem aktuellen Album „Roswell“ (2017), bei denen das Publikum ebenfalls textsicher schien. „Ihr könnt stolz sein, dass ihr so ein Stadtfest habt, Karlsruhe“, lobte Marteria. Bereits am Freitag rockten Mandio Diao den voll besetzten Mount Klotz. Die Jungs reihten sich in den Jahren ja in die Phalanx großer schwedischer Rock-Bands ein, bespielten die wichtigen Auftrittsorte und waren nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und den USA erfolgreich. Zuletzt ging es bei der Rock-Kapelle eher turbulent zu, verlor sie doch mit Mats Björke (2014) und Gustaf Norén (2015) zwei prägende Mitglieder. Dass sie aber auch ohne die beiden weiter solide rocken kann, bewies die Band ja bereits im vergangenen Jahr mit dem Album „Good Times“, aus dem sie am Freitagabend auch die eine oder andere Nummer im Repertoire hatte. Was davon hängen blieb: Sänger Björn Dixgårds markante Stimme hat nichts von ihrer Intensität und ihrem rauen Charme verloren. Ein Glanzlicht: die Performance des bisher unveröffentlichten Tracks „He Can’t Control You“, ein trotziger Rocker, der live ziemlich gut kommt. Auch die Light-Show konnte sich sehen lassen (wenn sie auch etwas unspektakulärer ausfiel als bei Marteria). Am Ende: unter anderem der Signature-Hit „Dance With Somebody“ als Zugabe, große Euphorie, alles gut. Es war das Finale eines gelungenen ersten Festival-Tages, den unter anderem Singer-Songwriter Bosse in unverschämt kurzen Shorts, aber unmissverständlicher Botschaft („Refugees Welcome“) sowie die Berliner Indie-Pop-Band Von Lisbeth bestritten. Am Sonntag sollten (leider nach Redaktionsschluss) Singer-Songwriter Olli Schulz und die schottischen 80er-Legenden Simple Minds das Wochenende abrunden. Die Simple Minds, Mando Diao und Marteria – die Liste an Künstlern zeigt recht gut, was den Reiz der großen Karlsruher Sause ausmacht. „Das Fest“ ist eine generationenübergreifende, unprätentiöse Angelegenheit. Eine Party für die ganze Familie. 70 Prozent des Programms sind ja auch kostenfrei zugänglich. Vor der Hauptbühne steht dann schon mal die barfüßige Hippie-Elfe neben dem Dieter-Bohlen-Verschnitt im Camp-David-Hemd und dem Betrunkenen im „Merkel-muss-weg-T-Shirt“. Die finden sich zwar auch nach der Veranstaltung nicht knorke, feiern aber zumindest an diesem Wochenende in friedlicher Koexistenz. Verbunden durch die Liebe zur Musik. Und gegebenenfalls im Regencape.

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