Edenkoben Erst Shitstorm, dann Künstlerhaus: Huchel-Preisträgerin Judith Zander liest

Judith Zander
Judith Zander

Als bekannt wurde, dass die Dichterin Judith Zander den Huchel-Preis bekommt, gab es einen Shitstorm. Jetzt liest sie in Edenkoben, bestimmt ein Erlebnis.

Vielleicht gibt es das ja doch. Eine leise Ahnung, die Judith Zander ihrem Gedichtband gerade die Verse aus einem Songtext von Zsuza Koncz voranstellen ließ, in denen es heißt: „Doch willst du mir Sturm sein / und reißt mir das Dach ein, / Ich beug mich dir lange noch nicht.“ Auf Facebook jedenfalls tobte ein Shitstorm, als der SWR dort samt eines Beispielgedichts vermeldete, dass Zander, geboren in Anklam, für ihren Band „im ländchen sommer im winter zur see“, den von dem Sender und dem Land Baden-Württemberg ausgelobten Peter-Huchel-Preis geehrt wird.

Dotiert ist diese wichtige Auszeichnung mit – offensichtlich – neiderfüllenden 15.000 Euro. In der Jury, die maßgeblichen Kritikergrößen. Es hagelte nur so Loriot-„Krawehls“ und Hape-Kerkeling-„Hurze“, Dudentipps und Querverweise auf einen angeblich medizinisch gechecktes Volksempfinden. Über 1500 Posts von anscheinend reimversierten Gedichtinterpreten und -innen bei der Deutsch-Unterrichts-Traumabewältigung – alles in einer Woche ins Netz gestellt.

Wären es Buchverkäufe gewesen, würde die vorher schon unter anderem mit dem Fontane-Preis ausgezeichnete 43-jährige Jütebogerin im Lyrik-Bestsellerparadies thronen. Stattdessen lässt sie sich morgen im Künstlerhaus Edenkoben erleben, diese im Wunderbaren und Mythischen geerdete Sprachakrobatin, die Hölderlin und Gianna Nannini, Plattdeutsch, Poesie und einen Schnodderton lyrisch und auch mal lustig miteinander verbindet. Bei der sich „fahre ich mit“ auf „na gut“ reimt und „mehr sieg als liederlage“ ist.

„man muss nur schnell rotz und / wasser teilen den wind mit / der lade ausschütten und das / fischbuch verschneiden wer den bade / meister hat braucht für den / jungen gott nicht zu sorgen.“

Verrückte Zeilen und verschleppte Reime

Richtig ist, dass ihre Verse sich gerade einen Deut um Konventionen scheren, wenn sie sie nicht gleich erhellend aufbrechen. Dass Zander Reime und Halbreime verschleppt und ihre Zeilen virtuos verrückt springen und damit ihre Gedichte auf Touren bringen.

Sie hebe die „Syntax aus den Angeln“, schrieb der unvergessene Hauensteiner Lyrikgroßkritiker Michael Braun über sie, „um das Schwere leicht zu machen“. In ihrem Band „im ländchen sommer im winter zur see“ jedenfalls folgt Zander einem „vagabundierenden paar“ durch die Landschaften und Küstenabschnitte Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs bis in den Netto-Markt – um bei Abenteuern der Sprache zu landen, die womöglich tiefer gründen, als dass sie dem Oberflächenverstehen auf Facebook nicht entgehen. Oder, um es mit Michael Braun zu sagen: „Betrachtungsgeduld ist hier Teil des Vergnügens.“ Aber erleben Sie es doch selbst.

Termin

Judith Zander liest am Sonntag, 2. April, 11 Uhr, im Künstlerhaus Edenkoben aus ihrem preisgekrönten Gedichtband „im ländchen sommer im winter zur see“. Moderiert wird die Veranstaltung vom Leiter des Künstlerhauses, Hans Thill.

Lesezeichen

Judith Zander: „im ländchen sommer im winter zur see“; dtv, München; 96 Seiten mit zahlreichen Fotografien; 20 Euro.

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