Festival Enjoy Jazz feiert 25-Jähriges

Tritt als „Artist in Residence“ mehrfach beim Jubiläumsfestival auf: Moor Mother.
Tritt als »Artist in Residence« mehrfach beim Jubiläumsfestival auf: Moor Mother.

Es begann 1999 in Heidelberg, dann kamen Mannheim und Ludwigshafen dazu, heute ist Enjoy Jazz das größte Jazzfestival in Deutschland und genießt internationales Renommee. Die 25. Festivalausgabe wird von 2. Oktober bis 4. November mit Themenwochen, kuratierten Konzerten und einem weiblichen Schwerpunkt gefeiert.

Wie soll man diese Erfolgsgeschichte erklären? Die zur gestrigen Pressekonferenz in Heidelberg zahlreich erschienen Bürgermeister und Sponsoren versuchten, darauf Antworten zu finden. Die regionale Verankerung mit mehr als zwei Dutzend Spielstätten nicht nur in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg spielt nach ihrer Einschätzung eine wichtige Rolle. Dann ist das junge Publikum zu nennen, das von Beginn an mit einem stilistisch offenen, sehr innovationsfreudigen Programm erreicht worden ist. Natürlich ist auch die internationale Ausrichtung wichtig – mit Weltstars des Jazz, aber auch vielen Entdeckungen und Newcomern –, was wiederum die öffentlichen Geldgeber und Sponsoren bei der Stange hielt. Aber vielleicht machen den Erfolg auch ganz einfach „glückliche Umstände“ und die Unterstützung vieler Menschen aus, wie Festivalleiter Rainer Kern meinte.

Der wollte die 25. Ausgabe eigentlich mit einem auf acht Wochen ausgedehnten Programm feiern, hat sich dann aber für das Gegenteil entschieden. Statt größer soll das Festival komprimierter werden, dazu erhielt es ein neues Konzept. Enjoy Jazz wird nun von Themenwochen bestimmt: Eine Woche lang werden nur von Jazzmusikerinnen geleitete Ensembles zu erleben sein. Unter ihnen finden sich die Pianistin Aki Takase, die Saxofonistin Lakecia Benjamin und die Sängerinnen Cymin Samawatie und Lucia Cadotsch. Es folgt eine Woche, die von sieben internationalen Festivals in London, New York, Istanbul, Israel, Südkorea, Uganda und Mali kuratiert wird. Viele der hier auftretenden Musiker sind erstmals in Deutschland zu erleben.

Alte Bekannte und zwei weibliche „Artists in Residence“

In der dritten Woche wird man dagegen auf alte Festivalbekannte treffen wie Nils Petter Molvaer, Jason Moran, Nik Bärtsch und den Saxofonisten Archie Shepp, der auch das Abschlusskonzert in der Mannheimer Christuskirche bestreitet. Hier gibt es auch das aufwendigste Festivalprojekt in diesem Jahr, das an den 2015 verstorbenen Free-Jazz-Pionier Ornette Coleman erinnert. Der hatte 2005 mit seinem legendären Auftritt im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen Festivalgeschichte geschrieben. An gleicher Stelle wird es nun eine Neuaufführung von Colemans berühmter Platte „The Shape of Jazz to Come“ von 1959 geben, die sechs Kompositionen des Albums neu arrangiert für Sinfonieorchester und Jazzensemble. Colemans Sohn Denardo Coleman hatte die Idee zu diesem Projekt, das bislang ein einziges Mal in New York zu hören war. In Ludwigshafen spielt die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, zu den Jazzsolisten gehören neben Schlagzeuger Denardo Coleman der Pianist Nduduzo Makhathini, die Gitarristin Mary Halvorson und Bassgitarrist Jamaaladeen Tacuma, der noch selbst mit Coleman auf der Bühne stand.

Beim Coleman-Abend wird auch die Spoken-Word-Performerin, Dichterin und Aktivistin Camae Ayewa dabei sein, die sich Moor Mother nennt. Sie ist eine von zwei Artists in Residence, die mit mehreren Projekten vorgestellt werden. Moor Mother wird auch im Duo mit der US-Künstlerin Lonnie Holley und Jazzlegende Archie Shepp zu erleben sein. Zweiter Artist in Residence ist die Schlagzeugerin und Komponistin Terri Lyne Carrington, die man von ihrer Zusammenarbeit mit Herbie Hancock und Geri Allen kennt. Sie hat gerade ein vieldiskutiertes Buch über die unterschätzte Rolle der Frauen im Jazz veröffentlicht und wird erstmals in Europa ihr multimediales Projekt „Seen/Unseen“ vorstellen. Carrington wird außerdem mit dem erstmals vom Festival verliehenen und nach dem verstorbenen Jazzpublizisten Christian Broecking benannten Jazzpreis ausgezeichnet.

Hat gerade ein vieldiskutiertes Buch über die unterschätzte Rolle der Frauen im Jazz veröffentlicht und wird erstmals in Europa
Hat gerade ein vieldiskutiertes Buch über die unterschätzte Rolle der Frauen im Jazz veröffentlicht und wird erstmals in Europa ihr multimediales Projekt »Seen/Unseen« vorstellen: Terri Lyne Carrington, ebenfalls »Artist in Residence«.

Die letzten beiden Festivalwochen sind dann Musikern vorbehalten, die neue Wege in der zeitgenössischen improvisierten Musik aufzeigen, darunter das Ensemble Meteors von Sebastian Gramss und der junge Chicagoer Saxofonist Isaiah Collier. Insgesamt finden sich im noch nicht vollständigen Programm mehr als 50 Veranstaltungen mit rund 200 Künstlern aus 28 Ländern. Neben den Konzerten, die vor allem in der Alten Feuerwache in Mannheim, im Kulturzentrum Das Haus in Ludwigshafen und im Karlstorbahnhof in Heidelberg stattfinden, gibt es auch Filmabende, Matineen und Vorträge. In einer Musikperformance stellt Autor Ilija Trojanow mit Mitgliedern des Ensemble Modern seinen neuen Roman vor.

Die Frauenquote beim Festival soll wieder bei 50 Prozent liegen, und drei Konzerte in der Alten Feuerwache sollen klimafair und nachhaltig sein. Ein Education-Programm für Schul-Bigbands wird es ebenfalls wieder geben. Der Festivaletat liegt inzwischen bei rund 1,8 Millionen Euro, 20 Prozent davon sind öffentliche Zuschüsse. Zu den langjährigen Hauptsponsoren SAS und BASF ist auch wieder SAP dazugekommen, das Walldorfer Softwareunternehmen hat das Festival bereits in den Anfangsjahren unterstützt.

„Trust“ als Motto

Unter anderem weil ohne gegenseitiges Vertrauen eine solch langjährige Zusammenarbeit vieler Beteiligter kaum denkbar ist, hat Rainer Kern im Jubiläumsjahr erstmals ein Festivalmotto gewählt: „Trust“. Nach Corona und angesichts der multikrisenhaften Weltlage sei eine „Vertrauensschieflage in der Gesellschaft“ entstanden, so Kern. Und warum soll ein Jazzfestival nicht dazu beitragen, dass sich dies ändert?

Termine und Karten

Festival Enjoy Jazz, 2. Oktober bis 4. November, Programm und Karten unter www.enjoyjazz.de

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