Kopfreisen Einladung ins Grüne: Ein Bildband über Parks in Paris

Bei Studenten wie Touristen gleichermaßen beliebt: der Jardin du Luxembourg.
Bei Studenten wie Touristen gleichermaßen beliebt: der Jardin du Luxembourg.

Zeit zum Lesen: Murielle Rousseau flaniert durch die Gärten und Parks von Paris und zeigt uns keine Paradiese in der von Krisen geplagten Hauptstadt Frankreichs.

In diesen Wochen, in denen wir alle möglichst zu Hause bleiben sollen, sind Kopfreisen besonders angesagt. Aber auch wenn sich angesichts nicht enden wollender Corona-Meldungsfluten und Debatten langsam durchaus eine Art „Ennui“ – also so etwas wie Widerwillen, Unlust und Verdruss – einstellt, sollte man nicht unbedingt gleich zu Charles Baudelaires Weltschmerz-Lyrik über „Die Blumen des Bösen“ greifen.

„L’invitation au voyage“, Einladung zur Reise, heißt da zwar eines der bekanntesten Gedichte mit der von Henri Duparc (1870) über Léo Ferré (1957) bis zu Superbus (2016) immer wieder auch musikalisch unterstützten Aufforderung, sich aus der Misere fort zu träumen. Und während Stefan Georges Übersetzung Lust, Heiterkeit und Pracht suchen lässt, klingt das Original ein bisschen opiumgeschwängerter: „luxe, calme et volupté“ sind das Ziel – was seinerzeit, 1857, die Zensur auf den Plan rief.

Über 500 Gartenanlagen

Ganz ohne Betäubungsmittel, aber mit einer ganzen Reihe von literarischen Empfehlungen kommt Murielle Rousseau aus, wenn sie uns mitnimmt in die Gärten und Parks von Paris. Es scheint fast so, als ob die in Deutschland lebende Pariserin da ein wenig ihre Stadt verteidigt. Die hat es durchaus nötig, denn aus der einstigen Traumstadt drängt meist nur noch Deprimierendes in die Medien der Welt. Aber trotz Terroranschlägen, gewalttätigen Gelbwesten-Protesten, Elendsquartieren auf der einen und „Over-Tourism“ auf der anderen Seite: Sie sind ja nicht im Baudelaire’schen Nichts verschwunden, jene Seiten der Stadt, die sie so lebens- und liebenswert macht. Und zu ihnen gehören ganz besonders ihre Gärten und Parkanlagen. Fast 500 gibt es in Paris, große und bekannte wie der Jardin des Plantes oder der Jardin du Luxembourg, versteckte, weniger bekannte wie der Square René Viviani oder der Garten des Musée de la Vie romantique. Literarische Gäste waren hier schon Honoré de Balzac, Rainer Maria Rilke, Victor Hugo, George Sand, Paul Éluard und Abaelard, der tragisch Entmannte.

Plaudereien mit den Gärtnern

Murielle Rousseau hat nun unter den vielen Gärten und Parks ihre ganz persönliche Auswahl getroffen und nimmt uns mit in die manchmal hinter riesigen Toren und hohen Mauern versteckten grünen Stadtoasen . Aber sie tut das nicht in der Manier einer dozierenden Reiseleiterin für bildungsbürgerliches Publikum, sondern typisch französisch. Wie einst die berühmten Flaneure schlendert sie durch ihre Stadt, trifft Freunde, unterhält sich mit dem Gärtner oder der ehemaligen Bibliothekarin der Galerie de botanique des Jardin des Plantes. Im Plauderton erfährt man von den ersten Herbarien, die bereits angelegt wurden, als der Garten 1640 eröffnet wurde. Und man lernt ganz nebenbei, beim Mittagessen mit Pot-au-feu und einem kleinen Bier, Monsieur Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708), weltreisender „Chefbotaniker“ des Sonnenkönigs, der von überall her Samen nach Paris brachte, um sie im Jardin des Plantes zu pflanzen, zu verzeichnen und zu beschreiben: ein Wegbereiter für Generationen von Botanikern.

Vogelgezwitscher als Begleitmusik

Der Jardin des Plantes im fünften Arrondissement, ursprünglich als Jardin royal des plantes médicinales, als königlicher Heilkräutergarten angelegt, ist der älteste und größte der Pariser Parkanlagen, mit Art-Déco-Gewächshäusern, Galerien, einem alpinen Garten und einem Zoo, den schon Rilke besuchte. Auch die Place des Vosges im Marais gehört zu den eher prominenten Zielen der Flaneurin Murielle Rousseau. Aber auch hier erfährt man einiges, was gängige Reiseführer oft nicht wissen: etwa, was es mit den Krim-Linden auf sich hat, die im 19. Jahrhundert hier gepflanzt wurden. Kleine Ausflüge in die Pflanzenkunde dürfen natürlich beim Thema Gärten nicht fehlen, und immer wieder begleitet auch Vogelgezwitscher die Parkbesuche.

Viele der kleinen versteckten Gärten bleiben im Corona-Herbst geschlossen, und in den großen ist der Aufenthalt nicht unbedingt gemütlich. Die Zeit lässt sich nutzen, um lesend zu flanieren. Der nächste und der übernächste Frühling, sie kommen bestimmt. Für alle in dieser wunderbaren Einladung zur Reise vorgestellten Gärten reicht ein Paris-Besuch sowieso nicht aus. Und so etwas wie „Ennui“, also Überdruss, stellt sich erst recht nicht ein. Ganz im Gegenteil!

Lesezeichen

Murielle Rousseau: „Die Gärten von Paris“, mit Fotografien von Marie Preaud; Insel Verlag; 249 Seiten; 14 Euro.
Ebenmaß fürs Auge: die Place des Vosges
Ebenmaß fürs Auge: die Place des Vosges
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