Kultur Dicke Berliner Luft mit Pfälzer Note

Um sie geht es: Julia Neigel, Anna R. (oben, von links) und Silly – hier noch mit Anna Loos.
Um sie geht es: Julia Neigel, Anna R. (oben, von links) und Silly – hier noch mit Anna Loos.

Von vorweihnachtlicher Harmonie war bei der Berliner Rockgruppe Silly in diesen Tagen eher wenig zu spüren. Stattdessen gab es öffentliche Spekulationen und Kritik wegen Zukunftsplänen der Band und ihrer bisherigen Sängerin Anna Loos – wie gestern kurz auf der Seite „Zeitgeschehen“ gemeldet. Die Geschichte hat auch einen pfälzischen Aspekt: Mit im Spiel ist nämlich die Ludwigshafenerin Julia Neigel.

Zunächst die Fakten: Neigel ist als eine von zwei Musikerinnen angekündigt, die Silly bei einer für den kommenden Herbst geplanten Tournee aus zehn Konzerten „gesanglich komplettieren“ sollen, wie es auf der Band-Internetseite heißt. Die zweite ist die Berlinerin Anna R., die jahrelang mit dem Duo Rosenstolz erfolgreich war. Zugleich hat die bisherige Silly-Sängerin, die Schauspielerin Anna Loos, für das nächste Jahr ein eigenes musikalisches Projekt angekündigt: Ihr erstes Soloalbum „Werkzeugkasten“ soll am 8. März erscheinen, und kurz darauf will auch Loos auf Tournee gehen. „Was für eine Freude“ und „Freu mich auf die Zusammenarbeit“, kommentierte Neigel die Konzertpläne bei Facebook. Für sie sind solche Kooperationen seit Jahren nichts Ungewöhnliches. So trat die 52-Jährige beispielsweise im Oktober zusammen mit ihrem Hamburger Kollegen Stefan Gwildis beim Festival „Euroclassic“ in Zweibrücken auf. Vor der Tour mit Silly will die Sängerin Anfang Juli mit deren Gitarristen Uwe Hassbecker und Ex-Puhdys-Frontmann Dieter „Maschine“ Birr bei einem Festival im Kloster Banz bei Bamberg auf der Bühne stehen. Neigels letzte eigene Albumveröffentlichung liegt sieben Jahre zurück. Trotz starker Songs und tadellosen Gesangs konnte die CD „Neigelneu“ nicht an frühere kommerzielle Erfolge der Ludwigshafenerin anknüpfen. Um die Urheberrechte an etlichen Liedern aus dieser Karrierephase in den 80ern und 90ern hatte Neigel jahrelang vergeblich gegen zwei Mitglieder ihrer einstigen Band geklagt. Auch für ihre Kollegin Anna R. dürfte kaum etwas gegen ein Engagement als Tourneegast von Silly sprechen. Nachdem sie und Rosenstolz-Duopartner Peter Plate sich vor sechs Jahren auf unbestimmte Zeit in eine kreative Pause verabschiedet hatten, ging es für die Berlinerin mit ihrer neuen Band Gleis 8 traurig weiter: Zwei Musiker erkrankten schwer, einer von ihnen starb. Vor dem Hintergrund der neuen Silly-Pläne lässt sich nun auch Plates Aussage in einem RHEINPFALZ-Interview zu einer umfangreichen Rosenstolz-Retrospektive im vergangenen Oktober sehen, gemeinsame Konzerte stünden „im Moment überhaupt nicht zur Diskussion“. Während Julia Neigel und Anna R. in der auf die Tour-Ankündigung folgenden öffentlichen Debatte nahezu ausnahmslos als hochkarätige musikalische Gäste gelten, kritisierten Silly-Fans den Umgang der Bandmitglieder Ritchie Barton (Keyboard), Uwe Hassbecker (Gitarre) und Jäcki Reznicek (Bass) mit Anna Loos. Von einer „Ausbootung“ war die Rede und einer „Vergeltung“ dafür, dass die 48-Jährige Anfang des Monats – noch vor Abschluss einer laufenden Silly-Tour – ihr Soloprojekt angekündigt hatte. Langjährige Begleiter der 1978 in Ost-Berlin gegründeten Formation witterten Neid der zehn bis 17 Jahre älteren Musiker auf die Popularität ihrer Kollegin. Loos hatte 2006 die Nachfolge der zehn Jahre zuvor gestorbenen ersten Silly-Sängerin Tamara Danz angetreten. Auch durch ihren Bekanntheitsgrad als erfolgreiche Schauspielerin war die einstige Ost-Rockgruppe in der Folge bundesweit in Erscheinung getreten. Zuletzt solle es aber zunehmend bandinterne Differenzen um die künstlerische Ausrichtung gegeben haben – kommerzieller Rockpop oder kritische Texte. Mehr und mehr sollen Barton, Hassbecker und Reznicek sich wie eine Loos-Begleitband vorgekommen sein. Manche Beobachter wollen gar im Silly-Tourmotto „Analog“ einen mehr oder weniger deutlichen Vorwurf an Loos („Anna log“) erkannt haben. Laut Bandmanager Ulf Wenderlich bezieht es sich dagegen nur „auf die Umsetzung der Musik mit alten, analogen Synthesizern, die für die Konzerte reaktiviert werden“. Loos hatte bei der Präsentation ihres Soloprojekts gesagt: „Bei Silly gibt es zurzeit einfach keine Pläne, aber ich würde jederzeit wieder etwas mit der Band starten.“ Sie liebe Silly, und für sie sei das nicht das Ende. Aufgeschreckt von der Heftigkeit mancher Fan-Kritik haben inzwischen auch Barton, Hassbecker und Rezniceck Stellung genommen. Was sie auf Facebook schreiben, klingt sehr nach Schadenbegrenzung – und ein bisschen nach „Lügenpresse“, wenn sie glauben, sich „von der aktuell teils nicht sehr positiven öffentlichen Berichterstattung“ distanzieren zu müssen. „Wir haben mit Anna zwölf tolle Jahre durchlebt, welche uns sehr viel bedeuten. Zusammen mit ihr sind wir wieder geflogen, haben Erfolge gefeiert und unserer Bandgeschichte ein wichtiges Kapitel hinzufügen können“, heißt es weiter. Die Musiker unterstreichen das Recht, sich künstlerisch individuell auszudrücken – auch für sich selbst. Die Zukunft von Silly sei bewusst offen geblieben.

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