Pop Der ewige Schnauzbart: Musikproduzent Leslie Mandoki wird 70

Im Herzen Schlagzeuger: Leslie Mandoki im Studio 1 in Tutzing.
Im Herzen Schlagzeuger: Leslie Mandoki im Studio 1 in Tutzing.

Er brachte uns nicht nur Dschinghis Khan. Das bewegte Leben des ungarisch-deutschen Schlagzeugers und Musikproduzenten Leslie Mandoki, ist so schillernd wie die illustre Schar seiner Freunde: Michail Gorbatschow, Peter Maffay, Markus Söder, Guido Knopp, Charlotte Knobloch, Al Di Meola, Gregor Gysi und Hubert Burda.

Gemeinsam mit vier Freunden – dem Musikerkollegen Laszlo Bencker und drei Filmemachern, die inzwischen das größte Independent-Zeichentrickstudio in Hollywood aufgebaut haben – gelingt Mandoki 1976 die Flucht zu Fuß durch den Karawankentunnel nach Österreich und dann weiter nach Deutschland. Ohne jegliche Deutsch-Kenntnisse landet die Gruppe in München und verbringt mehrere Wochen im berüchtigten Zirndorfer Flüchtlingslager, in dem die Asylanten stundenlang auf ihr Essen warten und in Busgaragen und Notzelten schlafen müssen.

Als illegaler Flüchtling kam Leslie Mandoki aus Ungarn nach Deutschland.
Als illegaler Flüchtling kam Leslie Mandoki aus Ungarn nach Deutschland.

Start ins neue Leben

In Ungarn gehörte Mandoki zur studentischen Oppositionsszene, wird 17 Mal verhaftet, und seine Jazz-Rock-Formation Jam ist eine der bekanntesten Bands des Landes. Und nun der Neustart als Namenloser im Goldenen Westen. Leslie Mandoki stellt sich allen möglichen musikalischen Aufgaben, wie Schlagzeugspielen beim Schwäbischen Landestheater oder bei Roy Black, aber auch auf zahlreichen Jazzfestivals, die eher seinen Neigungen entsprechen.

Wie der mit ihm geflohene Laszlo Bencker betätigt sich Mandoki als Session-Musiker und Toningenieur für zahllose und im Laufe der Zeit auch immer namhaftere Künstler wie Placido Domingo oder die Westcoast-Band Poco. Mandoki arbeitet als Songwriter und Produzent mit so unterschiedlichen Künstlern wie Amii Stewart und Howard Carpendale, Milva und Engelbert oder auch für Soundprojekte wie den Gipsy Vagabonds und ist für das New Yorker Label Grusin-Rosen-Productions tätig, bei dem Lee Ritenour, Diana Schuur und viele andere Jazz- und Fusion-Stars unter Vertrag sind.

Eine Hassliebe?

All dies bringt Mandoki viele Gold- und Platin-Schallplatten ein. Bei der Eröffnung der Olympischen Spiele von Seoul singt er mit einer Reihe von Weltstars, was ihm in Asien einen Nummer-1-Hit beschert. Und für die CDU produziert er für die Bundestagswahlen 2009 und 2013 die Wahlkampfsongs.

Würde er noch mal „Moskau“ singen? Leslie mandoki sagt: Nur, wenn dadurch etwas ganz Bestimmtes eintritt.
Würde er noch mal »Moskau« singen? Leslie mandoki sagt: Nur, wenn dadurch etwas ganz Bestimmtes eintritt.

Und da ist seine Arbeit als Sänger und Frontmann der Gruppe Dschingis Khan, für die er nach einem Auftritt beim Burghausener Jazzfestival angeworben wird – ein Engagement, auf das Mandoki lange Zeit nur ungern zu sprechen kommt. Es ist jedoch ein Zeichen für die Ambivalenz seiner Karriere. So bekommt er Auszeichnungen wie die Goldene Europa gleich zweimal – einmal als Sänger von Dschingis Khan (1980) und einmal als Jazz-Rock-Produzent (1993). Dies wiederum veranlasst Mandoki dazu, 1994 für die Goldene Europa der ARD unter die TV-Produzenten zu gehen. Eigentlicher Anlass war aber der Ort der TV-Show: Budapest, seine Heimatstadt, an der immer noch sein Herz hängt.

Prominente Gäste bei seinen „Soulmates“

Musikalisch kehrt Mandoki schon während der Zeit mit Dschingis Khan zu seinen Jazz-Rock-Wurzeln zurück, veröffentlicht zwei Alben, die die Grundlage des Projektes bilden, das er nun seit 30 Jahren verfolgt: „Soulmates“.

Unter diesem Titel veröffentlicht er regelmäßig Alben, zu denen er prominente Gäste ins Studio bittet: Ian Anderson, Peter Maffay, Bobby Kimball, Chaka Khan, Steve Lukather, David Garrett, Manfred Mann, Peter Frampton, Robin Gibb, Udo Lindenberg, Eric Burdon und Mick Hucknell um nur einige zu nennen. Und das Konzert einer solchen Allstar-Riege 2013 in Budapest vor 35.000 Besuchern gehört bis heute zu den emotionalsten Momenten in Leslie Mandokis Karriere.

Das ungarische Herz

„Als gebürtiger Budapester bin ich natürlich stolz, dass es die Ungarn waren, die 1989 den schrecklichen Eisernen Vorhang zerrissen und damit den ersten Stein aus der Berliner Mauer geschlagen haben“, sagt Mandoki, der längst deutscher Staatsbürger ist. Und: „Mein Herz denkt auch heute noch oft ungarisch. Aber mir als Freidenker und stolzem Bürger einer ,Bunten Republik’, wie sie mein Freund Udo Lindenberg nennt, ist es ein Bedürfnis, dort in Europa Brücken zu bauen, wo mal ungewollt, mal unbedacht Risse entstanden sind. In diesem Sinne bin ich Anhänger Willy Brandts. Mandoki ist aber auch Anhänger von Angela Merkel, unterstützt deren Flüchtlingspolitik und ist 2013 sogar selbst CSU-Kandidat für den bayerischen Landtag – ein Direktmandat hat er nur um 800 Stimmen verpasst. „Zum Glück“, wie er heute einräumt, „denn dafür bin ich nicht gemacht“.

Leslie Mandoki sieht sich aber auch als Künstler in der Verantwortung. Als dieser besteht für ihn die Aufgabe darin, „ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft zu sein und nicht mit den Wölfen zu heulen.“ Und er betont: „Renitenter progressiver Rock ist immer politisch. Er ist ein Feind der Diktatur, wie mein Freund Michail Gorbatschow sagte. Stalin und Goebbels bekämpften schon den Jazz, weil er Freiheit atmet. Die Deutsche Einheit hatte ,Wind of Change’ als Hymne.“

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen, ist für Mandoki wichtig. „Ich denke, dass wir seit dem Fall der Mauer vieles hätten anders machen müssen“, sagt er. „Vor über 30 Jahren hatten wir alle Chancen, aus Europa ein Paradies zu machen, mit einem Leitbild aus Achtsamkeit, sozialer Marktwirtschaft und ökologischer Verantwortung. Aber wir haben die Finanzmärkte liberalisiert und die Gier in die Mitte der Gesellschaft eingeladen.“ Deshalb fordert er ein „Zurück zum menschlichen und achtsamen Miteinander“.

Noch mal Gläser schmeißen?

Nicht so recht in dieses Bild mag da seine Begeisterung für den Autokraten Viktor Orbán passen: „Wie Merkel ein Glücksfall für die Deutschen ist, so ist Orbán ein Glücksfall für die Ungarn“, sagt er 2016.

Um noch einmal zurück auf Dschingis Khan zu kommen: „Moskau, Moskau, wirf die Gläser an die Wand, Russland ist ein schönes Land“, schmetterte Mandoki einst diese Zeilen mit Dschingis Khan. Nun sagt er aber: „Ich habe dieses Lied seit 40 Jahren nicht mehr gesungen und werde es auch nie wieder singen – es gäbe nur einen einzigen Grund, das zu tun: wenn ich damit den Ukraine-Krieg beenden könnte.“

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