Architekt(o)uren Das Schau-raus-Haus am Hang in Erlenbach von dury et hambsch

Von Weitem steht das Erlenbacher Haus wie schwebend am Steilhang.
Von Weitem steht das Erlenbacher Haus wie schwebend am Steilhang.

Das Holzhaus am Hang des Landauer Büros dury et hambsch steht wie schwebend über Erlenbach auf einem Waldgrundstück der Burg Berwartstein gegenüber. Es ist wie gemacht für die Gegenwart, in der täglich 56 Hektar Land als Versieglungsfläche ausgewiesen werden. Komplett rückbaubar ist es auch. Der Blick spricht ohnehin für sich.

Erlenbach, Wasgau, Dahner Felsenland, eine der Herzkammern des Pfälzerwalds, ein Dorf, 350 Seelen, im Bachtal liegt der Naturbadesee Seehof, die Burg Berwartstein präsidiert – oben, sagenumwoben. Wie schwebend steht das Haus gegenüber am Hang. Eine steile Treppe führt hinauf, die – noch – am Grundstücksrand endet. Der Rest ist Wiesengrün und Baumbestand. Der Wald grenzt. Die aufgeständerte Satteldach-Architektur des Landauer Büros dury et hambsch ruht auf abgetreppten Streifenfundamenten. Ein Nestbau, der als zweite Schicht in der wie ein offenes Buch daliegenden Tragstruktur liegt. Der Topographie angepasst, aus Vollholz, heimische Douglasie, die Ausführung herausforderndes Zimmermannshandwerk. Im Übrigen ist, dass die Architektur so unprätentiös und zurückhaltend wirkt, so gewollt. Wie ein Gast, der schon länger, aber, wenn es sein muss, nicht ewig bleiben will, gibt sie sich. Sie ist, ganz auf der Höhe der Nachhaltigkeitsdiskussionen, theoretisch jederzeit komplett und so gut wie rückstandsfrei rückbaubar.

Für die Anforderungen gebaut, die gerade virulent sind: Extremwetter zum Beispiel.
Für die Anforderungen gebaut, die gerade virulent sind: Extremwetter zum Beispiel.

Draußen, wow

Das Innere, mit dem Kapellen-großen, lichtenden Gemeinschaftsraum, betritt man über eine beplankte Bootshausterrasse – die hoch aufgeschossenen Eichen im Rücken – durch eine geöffnete Glasfront. Unmittelbar fällt der erhabene Wow-Blick auf den thronenden Berwartstein vis-à-vis. Man ist von warmstrahlendem Holz umgeben. Der Holzofen, der die 102 Quadratmeter Lebensraum heizt, ist angeworfen, Herbst. Das Haus erfüllt die Effizienzhaus-Stufe 40, was bedeutet, dass es nur 40 Prozent der Primärenergie eines vergleichbaren Gebäudes benötigt. Am Tisch jetzt mit Stephanie Hambsch und Philipp Tobias Dury, die das alles geplant haben.

Zimmermannshandwerk: Die Tragstruktur ist ein offenes Buch.
Zimmermannshandwerk: Die Tragstruktur ist ein offenes Buch.

Die Architektur der beiden reagiert auf die virulenten Bauaufgaben. Die immer weitere Versiegelung der Böden, ihr Haus steht auf Stelzen am Hang. Die Extremwettersituation, hier kann der Regen absickern, wenn es sein muss, das Gebäude auch unterströmen. Das Recyclingproblem? Stellt sich gar nicht, weil nur die Fliesen im Bad verklebt sind, der Rest ist mit Schraubverbindungen gefügtes Holz. Schließlich: die Flexibilität? Ist dadurch gegeben, dass sich – zum Beispiel durch den Einzug einer Wand – aus dem Haus für zwei problemlos Familientauglichkeit mit zwei Kinderzimmern herstellen lässt.

Architekt Dury ist in Landau geboren, 1974. Seine Partnerin Hambsch drei Jahre später in Bruchsal. Beide haben die FH in Kaiserslautern absolviert. Früh zusammengefunden und mit der Absicht, sich selbstständig zu machen, komplementär Erfahrungen akkumuliert. Er bei einem zusätzlichen Studium der Baukunst an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Max Dudler, Laudris Ortner und Axel Schultes. Später war er dann im Büro Ortner & Ortner unter anderem beim Bau des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen in Bonn beteiligt. Sie assistierte unter anderem Ludwig Wappner am Karlsruher Institut für Technologie, wo er wiederum von 2017 bis 2022 einen Lehrauftrag innehatte. Seit 2011 firmieren sie als dury et hambsch in Durys alter Landauer Heimatgefilden. Was man von ihnen kennt?

Kein Haus fürs Feuilleton

Vielleicht die Stadtplatz-Rekonstruktion „Alte Post“ in Pirmasens, eine ungewöhnlich gelungene Aufwertung des Areals. Oder ihr Mehrfamilienhaus in der Quodgasse in Annweiler, die noch im Bau befindliche städtebauliche Interpretation alter Patrizierhäuser ist Stadtreparatur im besten Sinn. Vergangenes Jahr dann haben die beiden den Wettbewerb für das Baden-Badener Stadtarchiv mit einem Entwurf gewonnen, der leichthändig Bautypen wie die eines Lagergebäudes und Silos oder einer wehrhaften Trutzburg umdefiniert.

Auftraggeber für den von einem lichten horizontalen Streifen durchzogenen Kubus ist die seit 2021 als Teil der „Great Spa Towns of Europe“ Welterbestadt an der Oos. Das Erlenbacher Haus am Hang, gerade mit einer Anerkennung beim Landes-Holzbaupreis geehrt, ist im Auftrag eines Karlsruher Ehepaars entstanden, beide im Lehramt Kunst in der Schule tätig. Interessierte Leute, erzählen Dury und Hambsch, die ein pragmatisch-praktisches Haus für sich und „nicht fürs Feuilleton“ haben wollten.

Gekommen, um zu bleiben

Eine Geschichte, die – kann sein – bei vielen im Urlaub im Raum steht. Die Veigels waren Erlenbach-Touristen erst, Wanderer, Burgfans, Immer-wieder-Kommer, die zunächst an ein Ferienhaus mit Aussicht gedacht hätten, Atelier anbei für ihr freies Kunstschaffen. Über eine Internetrecherche seien sie auf das Landauer Architektenpaar gekommen. Es habe, sagt Stephanie Hambsch, sofort „gematcht“.

Der Wow-Blick im Innern. Im Hintergrund: die Burg Berwartstein.
Der Wow-Blick im Innern. Im Hintergrund: die Burg Berwartstein.

Die freistehende Küche erzählt sie, habe das Lehrerpaar selbst gebaut, mit Bauteilen von Ikea. Ein Sabbatjahr hätten sie auch daran gehängt, um, wo es nur geht, mitzuhelfen – wie bei der Deckenverkleidung. Ansonsten: Vertrauen und so gut wie freie Hand. So wie sich das anhört: eine Bauherrschaft, die sich nicht besser backen lässt.

Am Tisch ihres Schau-raus-Hauses gibt es jetzt Stückchen. Der Blick geht in Richtung der bodentief verglasten Empore im Giebel, die zunächst als Stauraum oder provisorische Gästeunterbringung geplant gewesen ist. Inzwischen aber steht – eine Treppe, die an Speicherzugänge gemahnt , hoch – ein Schreibtisch dort unterm hochfliegenden Dach. Ein Sofa ist vorhanden, ein Lieblingsplatz ist entstanden. Derweil sind unterhalb der Empore das Bad und eine sehr puristische Schlafkammer untergebracht. Die dienenden Bereiche, wie das so schön heißt, derweil in der anderen der symmetrisch gebauten seitlichen äußeren Seitenspangen ein Atelier siedelt.

Ein Refugium, wie überall: Ausblick nach draußen. Von dort schaut nur der Wald zurück. Malutensilien liegen griffbereit. Bilder lehnen überall an der Wand, auf denen Landschaften, der Wasgau, das Dahner Felsenland wo möglich. Kunst, die eine neue Heimat zu spiegeln scheinen. Wie das Architektenpaar erzählt, können sich die Besitzer sehr gut vorstellen, nicht nur jede Gelegenheit zu nutzen, sich ihr Haus immer mehr anzueignen, sondern: irgendwann, nein bald, ganz herzuziehen. Erlenbacher dann, ganz und gar.

Platz für alle: der Kapellen-große Gemeinschaftsraum.
Platz für alle: der Kapellen-große Gemeinschaftsraum.
x