Kultur Das Ende der Bläser-Herrlichkeit

Das „Rennquintett“ in der Besetzung mit (von links) Uwe Zaiser, Uwe Tessmann, Ralf Rudolph, Jochen Scherer und dem Ende Oktober
Das »Rennquintett« in der Besetzung mit (von links) Uwe Zaiser, Uwe Tessmann, Ralf Rudolph, Jochen Scherer und dem Ende Oktober verstorbenen Peter Leiner.

Es war zu befürchten: Nach dem Tod von Trompeter Leiner wird sich das beliebte „Rennquintett“, das über 30 Jahre lang die Musikfreunde nicht nur in der Region begeisterte, auflösen. Das bestätigten die verbliebenen Ensemblemitglieder in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ.

„Wir hätten uns den Schluss gerne selbst ausgewählt. Das kam jetzt schon sehr abrupt“, erzählt Trompeter Uwe Zaiser bei einem Treffen im Ludwigshafener Café Laul. Sein Kollege, der Tubist Ralph Rudolph, ergänzt: „Ein neues Ensemble steht derzeit nicht im Raum.“ Jeder werde jetzt für sich selbst entscheiden, was er noch neben seiner Tätigkeit bei der Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern beziehungsweise bei der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mache, betont Posaunist Jochen Scheerer. Man müsse aber nach über 30 erfolgreichen Jahren mit dem „Rennquintett“ niemandem mehr etwas beweisen. So wird also der Auftritt bei der Beerdigung und der Trauerfeier am 3. November in Landau der letzte des „Rennquintetts“ gewesen sein, das 1986 gegründet wurde und seitdem mit seiner Mischung aus Unterhaltung und Klassik sein Publikum weit über die Grenzen der Region hinaus begeistert hatte. Das Ensemble spielte – zum Teil unterstützt von Peter Leiners Sohn Johannes, der ebenfalls Trompeter ist – sowohl in der Landauer Stiftskirche als auch auf dem Hauptfriedhof. Dort erklang auf Wunsch des Verstorbenen Dixieland-Musik: „Just a closer Walk“. In der Kirche gab es die Pachelbel-Version von Eric Claptons „Tears in Heaven“, arrangiert von Tubist Ralf Rudolph. „Das war mein Abschiedsgeschenk an Peter“, erzählt Rudolph, der in den vergangenen Jahren zahlreiche Arrangements für das Quintett geschrieben hat. „Wir konnten alle spielen, aber so zwei, drei Takte habe ich dann doch geweint“, so Rudolph über die bewegenden, von Peter Leiner bis ins Detail geplanten Trauerfeierlichkeiten. Johannes Leiner wird überdies in der Landauer Stiftskirche eine Tradition des „Rennquintetts“ fortführen. Zusammen mit seinem eigenem Ensemble „LJO-Brass“ wird er dort am 26. Dezember ein Weihnachtskonzert gestalten. Ein „Rennquintett“ aber ohne Peter Leiner wird es nicht mehr geben. Auch kein anderes Ensemble unter anderem Namen. Das Kapitel ist für die Freunde des Verstorbenen abgeschlossen. „Er war die Lokomotive, die uns gezogen hat, mit seinem Fleiß und seiner Hingabe für dieses Quintett“, unterstreicht Zaiser die Bedeutung, die Leiner für das Ensemble hatte. Dem Publikum ist er nicht nur als Trompeter in Erinnerung, sondern auch als ebenso charmanter wie witziger Moderator der Programme, welche die fünf Musiker vor allem in der Pfalz vorgestellt haben. Das habe sich Leiner allerdings erst mit der Zeit aneignen müssen, so Zaiser: „Als er 1986 zum SWF-Orchester nach Kaiserslautern kam, war er ein sehr zurückhaltender Mensch“, so Zaiser. Dass das Quintett vor allem in der Pfalz unterwegs war, habe auch mit der Heimatverbundenheit von Peter Leiner zu tun gehabt. „Er liebte seine Heimat. Da gibt es eine kleine Bank mit Blick über Ilbesheim, da ist er noch bis kurz vor seinem Tod hingegangen“, berichtet Zaiser. Die Verbundenheit mit der Region hatte er aber auch logistische Gründe. Schließlich mussten in den Hochzeiten bis zu 50 Termine mit den Diensten in zwei Orchestern koordiniert werden. „Um Logistik und Planung hat sich immer Peter Leiner gekümmert“, berichtet Zaiser. „Er hatte immer Angst, dass wir anderen etwas vergessen könnten. Was auch begründet war. Das konnte ihn in den Wahnsinn treiben.“ Ralf Rudolph berichtet von einem Auftritt, für den ihm der Kellner schwarze Schuhe ausleihen musste, weil seine eigenen zu Hause im Flur standen. „Die typischen Nachrichten von Peter begannen mit: ,Ich will euch ja nicht nerven, aber ...’“, erzählt Rudolph. Aber der Erfolg gab Peter Leiner Recht: „Die Veranstalter konnten sich immer zu 100 Prozent auf uns verlassen, auch das war ein Grund, warum wir immer wieder engagiert wurden“, betont Uwe Zaiser. Doch trotz aller Liebe zur Pfalz gab es natürlich auch Auftritte jenseits der pfälzischen Grenzen. In China etwa oder in Florenz, bei zahlreichen renommierten Festivals: sei es beim Rheingau-, beim Mosel Musikfestival oder bei den Mittelrhein-Momenten. Was Ende der 1980er Jahre aus der Bewunderung für Canadian Brass entstanden war, an deren Repertoire sich auch die fünf Bläser orientierten, entwickelte sich schon bald zu einer alle Genres überspannenden Form von gut gemachter Unterhaltungsmusik auf allerhöchsten Niveau. Denn hinter aller Show und Inszenierung, hinter dem locker-witzigen Auftritt, lag auch harte, intensive Arbeit. Und immer wieder sei es Peter Leiner gewesen, der zum Proben angetrieben habe, berichten die Musiker. „Manchmal auch noch spät abends um elf Uhr“, so Zaiser. Wie das Ergebnis dieser Arbeit klingen konnte, kann man sich künftig nur noch auf CD anhören. Aber auch die Konserve vermag zu erklären, was das Erfolgsrezept des „Rennquintetts“ war. 1998/99 erschien die CD „Das literarische Quintett“. Schon das Booklet zeigt, mit wie viel Selbstironie die fünf Musiker ihrer Leidenschaft nachgingen. Dem Titel entsprechend sind sie allesamt lesend abgebildet. Eisenbahn-Fan Ralf Rudolph etwa mit dem „Eisenbahn-Kurier“, Peter Leiner mit einem antiquarisch anmutenden wertvollen Buch. Uwe Zaiser dagegen mit dem „Playboy“, irgendwie entrückt vor sich hin grinsend. Auf der CD dann eine echte Herausforderung für die fünf Blechbläser: Ein ebenso witziges wie höchst anspruchsvolles Arrangement von Richard Strauss’ Tondichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“. Man fürchtet alleine beim Zuhören Finger-Verknotungen. Geschrieben hat das Arrangement Tubist Rudolph. Und er hatte seinen Kollegen einiges zugemutet: „Das war sauschwer arrangiert“, so Trompeter Uwe Zaiser. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Eine Anekdote nach der anderen sprudelt aus den Musikern hervor. Ein Höhepunkt für alle, da sind sie sich einig: die Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern 1991. „Wir hatten noch ein Konzert mit der Staatsphilharmonie, haben da unter anderem ,La Valse’ von Ravel gespielt, danach ging es ins Studio, um unseren Meistersong aufzunehmen. Dann alle ins Stadion in Köln, und von Köln bis Koblenz haben wir auch auf dem Schiff gespielt. Nur hat das an dem Tag keinen Menschen interessiert“, erzählt Rudolph von Zeiten, von denen FCK-Fans aktuell nur träumen können.

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