Kultur Auch ein später Strauss kann überraschen

Es gehört zu den guten und lobenswerten Gepflogenheiten von Orchestern, ab und an Musiker aus den eigenen Reihen als Solisten vorzustellen. Jetzt war es wieder so weit. Im Mannheimer Rosengarten spielten Patrick Koch und Antonia Zimmermann vom Nationaltheater-Orchester das Duett-Concertino F-Dur für Klarinette und Fagott von Richard Strauss, dazu gab es eine Haydn-Sinfonie, den „Chasseur maudit“ von César Franck und „Les Préludes“ von Franz Liszt.

Ein später Strauss? Sage keiner, dass er es mit „nur für die Schublade“ bestimmten Nebenwerken zu tun habe. Strauss bleibt Strauss, auch im von Resignation durchzogenen Alter. Zumal dann, wenn die Soloparts so verständig-kompetent geblasen werden wie von Patrick Koch und Antonia Zimmermann er erster Soloklarinettist, sie Solo-Fagottistin. Nahtloses geschmeidiges Zusammenspiel und Aufeinanderhören ist selbstverständlich, die musikalische Feinfühligkeit ist es auch. Der Dreisätzer beginnt in gebremster Strauss-Süße mit einem Dialog von Klarinette und Geige (von Konzertmeisterin Olga Pogorolova), allmählich mischt sich das Fagott immer selbstbewusster ein, das „Duett-Concertino“ gewinnt an Schwung und Raffinesse: Ein echter Strauss. Man war und das zu recht entzückt und feierte Solisten und Orchester nachhaltig und mit mehr als großem Nachdruck. Als Zugaben-Überraschung dann – begleitet allein von den ersten Pulten der Streicher – einen spätromantisch fein gedrechselt vor sich hin wienernden „Fantastischen Tanz“ des in Moskau geborenen Schweizer Komponisten Paul Juon (1872 – 1940). Mit Haydn zu beginnen, hier der 73. Sinfonie mit dem vom Verleger ersonnenen Titel „La chasse“ (Die Jagd) birgt kein Risiko? Tut es aber doch. Denn so sorgfältig, ja fast hasenfüßig Gastdirigent Sebastian Tewinkel das (für Haydn zu) groß besetzte Orchester spielen ließ, es hatte einfach keinen Schmiss, da fehlte die Straffheit im Zugriff – kurzum das, was man bei Haydn „Witz“ (im Sinne von geistreich) nennt. Klang wie ein falscher Mozart und hatte seine Meriten allenfalls im aus einer Opern-Ouvertüre („La fedeltà premiata“, Die belohnte Treue) übernommenen finalen Jagdstück. In diesem Sinne ein dröhnender Selbstläufer war César Francks auf Bürgers Ballade vom wilden Jäger zurückgreifender „Chasseur maudit“, denn man am besten als überwältigendes und überwältigen wollendes Ohrenkino beschreibt. Die Geschichte vom verfluchten, selbst Objekt einer Hetzjagd werdenden Sonntagsjäger muss man nicht mal kennen, um das Stück zu verstehen. Diesmal gab Tewinkel seinem Affen Zucker. Das Orchester war mit Elan bei der Sache und spielte in allen Gruppen tadellos: Glamour wie bei einem Fantasyfilm. „Les Préludes“ hörte sich danach fast befriedet an; die leidige Tatsache, dass die Fanfare einmal als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtsbericht löhnen musste, war zu vergessen, weder Werk noch Komponist müssen sich für den unverschuldeten Missbrauch schämen. Man lief zur Großform auf und gab Liszts „Vorspiel zur Melodie des Todes“ ein anspruchsvolles, musikalisch packendes Gewand. Viel Sound am Ende eines Akademiekonzertes, das in Hinsicht auf die Programmgestaltung etwas ungewöhnlicher war als sonst, indessen kommt es immer auf die Mischung an. Und die stimmte.

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