Politik als Erfindung Wunderbare Welt: Das Phantom

Ein Mann steht vor einer Backsteinmauer. Es ist die einzige Aufnahme, von der vermutet wird, dass sie Jakob Maria Mierscheid zei
Ein Mann steht vor einer Backsteinmauer. Es ist die einzige Aufnahme, von der vermutet wird, dass sie Jakob Maria Mierscheid zeigt. Der Politiker wirkt eher im Stillen.

Der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid ist am vergangenen Mittwoch 90 Jahre alt geworden. Seine Heimatgemeinde Morbach im Hunsrück hat anlässlich des runden Geburtstags zu einer Festveranstaltung eingeladen, zu der laut Bürgermeister Andreas Hackethal „hochrangige Besucher“ erwartet wurden. Der frühere Ministerpräsident Kurt Beck war unter den Gratulanten. „Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein fantastischer Geburtstag, der heute gefeiert wird“, sagte der Südpfälzer der Deutschen Presse-Agentur. Er habe Mierscheid schon gekannt, bevor dieser 1979 in den Bundestag kam. Man habe aber „immer indirekten Kontakt“ gehabt, fügte Beck hinzu.

Mierscheid, ein gelernter Schreiner, katholisch und vierfacher Vater, hat mit politischen Initiativen großes Aufsehen erregt. So setzte er sich dafür ein, den Bundesrechnungshof von Frankfurt in das kleine Eifeldorf „Filz“ zu verlegen. Sein Antrag, Neufundländerhunde als wohngeldfähig anzuerkennen, kam in die Schlagzeilen. Sein Vorschlag für ein U-Bahn-Netz in Morbach, um die Ortsgemeinden zu verbinden, scheiterte zwar an den Kosten, doch wie gut unterrichtete Kreise versichern, stieg die Zahl der Bushaltestellen. Spektakulär war Mierscheids Olympia-Bewerbung für den Hunsrück. Die Region scheiterte seinerzeit nur knapp an Sydney.

Spätestens jetzt, liebe Leserinnen und Leser, werden Sie sich fragen, ob der Schreiber dieser Zeilen Sie nicht vergackeiern möchte, was ja zu der ländlichen Gegend passen würde, in der diese Geschichte spielt. Na ja, die Vermutung stimmt nicht ganz. Erfunden wurden die Fake News bereits im Dezember 1979 im Restaurant des Bundestags, damals noch in Bonn. Eine fröhliche Runde um die SPD-Abgeordneten Karl Haehser und Peter Würtz beschloss, einen Nachrücker für den gerade gestorbenen Politiker Carlo Schmid in die Welt zu setzen. So erblickte Jakob Maria Mierscheid das Licht der Welt. Seine Biografie nahm auf der Rückseite der Speisekarte Gestalt an.

Die Idee der Genossen hinter dem Phantom: Man wollte die Abgeordneten „von Zeit zu Zeit an das wahre Leben erinnern, was durchaus auch mal lustig sein darf“. Schon vor zehn Jahren hat das hervorragend geklappt: Zum 80. Geburtstag hat der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert Mierscheid sogar persönlich in einer Sitzung gratuliert – nur das Phantom war wie üblich wieder mal nicht anwesend.

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