Kolumnen Online-Kolumne: Das Donaulied war schon immer sexistischer Müll

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In einer meiner früheren Kolumnen ging es um Mansplaining: Männer erklären Frauen lang und breit Sachen, die sie bereits wissen oder gar nicht wissen wollen. Wer Mansplaining-Bundesliga spielt, erklärt Frauen zusätzlich alles übers Frausein, zum Beispiel, über was man sich als Frau durchaus mal beschweren kann und wo eher Klappe halten angesagt ist.

Momentan der Renner: Frauen erklären, warum sie sich beim Donaulied und anderen Bierzelt-Reißern doch bitte nicht gestresst oder unwohl fühlen sollen. Weil es in dem Lied, ja, gut, vielleicht ein bisschen rustikal zugeht, aber das ist ja bei vielen Liedern so, es ist ja ein Volkslied, deutsches Kulturgut sozusagen, und es ist ja auch nicht persönlich gemeint, eher so allgemein, und man hat es ja schon immer gesungen, und wäre es nicht viel besser und entspannter für alle, wenn diese frustrierten Schreckschrauben einfach mitgrölen würden, statt jetzt wieder rumzunörgeln und allen den Spaß zu verderben? Ist doch nur ein Lied! Und jeder weiß doch, dass Frauen mit Humor und positiver Ausstrahlung viel besser ankommen als beleidigte Zicken, die einem nicht mal mehr ein harmloses Liedchen gönnen, und wenn das so weiter geht, darf man ja bald gar nichts mehr!

Menschliche Höherentwicklung

Da ist man als Frau doch froh, dass man das mal so ausführlich erklärt bekommt. Da fühle ich mich doch gleich besser. Ich wusste ja bislang nicht, dass Vergewaltigungsfantasien in Liedform zum deutschen Kulturgut gehören, dass Lieder wie das Donaulied überhaupt im Bereich Kultur anzusiedeln sind, die doch als „Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung“ gilt, so steht es zumindest im Lexikon. Aber doch, wenn man genauer hinhört, erkennt man es: Bei Liedzeilen wie „Ich machte mich über die Schlafende her, ohohoholalala/Da hört sie das Rauschen der Donau nicht mehr, ohohoholalala“ ist die menschliche Höherentwicklung doch sehr präsent. Gut, dass ich da jetzt mal Bescheid weiß.

Kein Augenrollen mehr

Da muss ich dann auch künftig nicht mehr die Augen rollen, wenn mal wieder irgendwo beim Feiern das schöne Donaulied angestimmt wird. Da kann ich dann den gutgemeinten Ratschlag, mich nicht anzustellen, direkt beherzigen und mich nicht schon wieder am Klo anstellen, obwohl ich gerade erst dort war, wie ich es in den vergangenen 20 Jahren immer gemacht habe, sobald es hieß „Einst ging ich am Rande der Donau entlang…“ Es ist ein deutsches Volkslied, werde ich mir sagen, und bei deutschen Volksliedern ist Frauenfeindlichkeit normal und trägt zur Unterhaltung bei.

Die Bitches applaudieren begeistert

Eine Eigenschaft, die sich das Bierzelt-Mitgröl-Volkslied mit der Bitches-Huren-Schlampen-Lyrik deutscher Hip-Hop-Stars wie Sido teilt. Auch sie berufen sich auf die Kunstfreiheit, auch hier singen die Bitches im Publikum zu Tausenden mit und applaudieren begeistert. Sie haben halt begriffen, um was es geht: Kultur, Humor und positive Ausstrahlung. Und nicht mit hochgezogenen Augenbrauen nerven und was von Gewaltverherrlichung labern, wenn alles auf den Tischen steht.

Ein Prinzip – viele Anwendungen

Beliebt ist, wer als Frau selbst über frauenverachtenden Schrott lacht. Gilt bei Vergewaltigungsliedern ebenso wie bei anzüglichen Sprüchen, begrapscht werden, etc. pp. Dasselbe Prinzip kann 1:1 auf Schwarze angewandt werden: Sie tun besser daran, rassistische Witze auch lustig zu finden, sonst kommen sie schnell in den Ruch, keinen Spaß zu verstehen und uncool zu sein. Stellt euch nicht so an.

Andererseits …

Also, ich arbeite daran, beim nächsten Donaulied mit am lautesten zu grölen und zu lachen, um nur ja nicht als verklemmte Spaßbremse dazustehen. Andererseits muss ich jetzt auch mal was erklären: Das Lied war schon immer scheiße. Endlos zieht es sich dahin in quälend vielen Strophen, Text und Melodie gleichermaßen dumpf wie dämlich, das ganze plumpe Konstrukt irgendwie ein liedgewordener Dorfdepp im Männlichkeitswahn. Ohohoholalala. Ich glaub„, da stell ich mich doch lieber wieder an. So schlecht ist es auf dem Klo gar nicht.

Die Autorin

Sigrid Sebald (51) ist seit 2000 RHEINPFALZ-Redakteurin in Zweibrücken, wo sie mit Mann und Tochter auch lebt. Über die Beiträge für die „Zweibrücker Rundschau“ hinaus schreibt sie regelmäßig in der RHEINPFALZ-Sommererzählreihe sowie Weihnachtsgeschichten.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne „Ich sehe das ganz anders“ über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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