Kolumnen Männer erklären mir Sachen

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Als mir vor Jahren ein Kollege erklärte, wie telefonieren geht, hätte ich ihn abwürgen können mit einem resoluten „Verschon mich mit deinem Mansplaining!“ Leider kannte ich das Wort damals noch nicht. Also versuchte ich es mit Ironie. Für den Ratschlag des Kollegen, dass, sollte ich meinen gewünschten Gesprächspartner auf dem Festnetz nicht erreichen, ich es auch mal auf dessen Handy versuchen könne, bedankte ich mich übertrieben überschwänglich: „Echt? Wahnsinn, da wäre ich ja von selbst nie drauf gekommen!“ Worauf der Kollege generös abwehrte, es sei doch selbstverständlich, dass man einer Kollegin in Not hilft, und dafür müsse ich mich doch nicht bedanken. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass er später noch irgendwo anderen Frauen erklärte, wie er morgens einer Kollegin durch sein umfassendes Wissen und seinen Willen, dieses zu teilen, den Tag gerettet hatte.

Die eigene Cleverness als Basis von allem

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Dieser offenbar tief verwurzelte und durch nichts zu erschütternde Glaube, es besser zu wissen, ja, es überhaupt zu wissen, wohingegen ich offenbar gar nicht wissen konnte, wie die Sache mit dem Telefonieren so geht, hat mich schon irgendwie beeindruckt. Es muss schön sein, so fest von der eigenen Cleverness überzeugt zu sein.

Keine muss dumm sterben

Mansplaining ist eine ganz hervorragende neue Wortschöpfung. Griffig. Selbsterklärend. Selfplaining sozusagen. Geht angeblich zurück auf ein Essay von 2008 der Publizistin Rebecca Solnit mit dem schönen Titel „Men explain things to me“. Darin beschreibt sie, wie ein Mann ihr ein Buch erklärt, das sie selbst geschrieben hat. Erst nach mehreren Hinweisen kommt das in seinem Hirn an, aber besonders peinlich ist ihm sein Gegockel auch dann nicht, und er schwadroniert munter weiter. Liest man mal so nach, was andere Frauen zum Thema Mansplaining berichten – Tipp: Wenn man dazu in Büchern nichts findet, kann man es auch mal bei Google versuchen – wundert einen das nicht. Es gibt da zum Beispiel einen Chat, in dem ein Mann einer ihm unbekannten Frau ihre Periode erklärt. Weil er sich da einfach besser auskennt. Kann er ja auch nix für! Soll er die Frau etwa dumm sterben lassen?! Also.

Der weibliche Zusatz

Bei Wikipedia heißt es: „Mansplaining bezeichnet herablassende Erklärungen eines Mannes, der fälschlicherweise davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht.“ Gute Erklärung. Wahrscheinlich von einem Mann. Deshalb hier noch ein Zusatz von einer Frau: „ (…) oder der fälschlicherweise davon ausgeht, die Frau interessiere sich für das von ihm ausgewählte Sujet und kämpfe bei seinem Vortrag nicht gegen ein plötzlich einsetzendes, sehr starkes Schlafbedürfnis.“

Zwischen fünf und sieben Grad

Wenn ich so drüber nachdenke: Mir wurde auch schon ganz schön viel die Welt erklärt. Im Laufe der Jahre informierten mich Männer ungefragt über die Geschichte der Luftfahrt, die richtige Temperatur im Kühlschrank, den Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt oder auch das persönliche Schicksal, das Bruce Springsteen in den 90er Jahren zu so sinnsuchenden und politischen Songs wie „The Ghost of Tom Joad“ veranlasste. Um mal ein paar Beispiele zu nennen. Weil „Pfffff, mir doch egal!“ so negativ klingt, bin ich inzwischen Meisterin im Unterdrücken von Gähnen beziehungsweise dem raschen Umwandeln des Gähn-Gesichtsausdrucks in einen mit vor Staunen offenem Mund. „Echt? Zwischen fünf und sieben Grad? Wahnsinn, da wäre ich ja von selbst nie drauf gekommen!“

Unsicherheit überwinden mit Sigspleading

Neulich habe ich mich mit einem Mann über Mansplaining unterhalten, und er erklärte mir, weil ich es nicht wissen konnte, dass es oft von einer gewissen Unsicherheit herrühre, wenn Männer ewig über irgendwas dozieren, das gar niemand wissen will. Aha. Unsicherheit also. Wahnsinn. Da wäre ich von selbst nie drauf gekommen. Dann plädiere ich hiermit mal für Folgendes und nenne es Sigspleading: Sollte das nächste Mal Unsicherheit aufkommen, kann man auch einfach mal ruhig sein und fest mit dem Kopp über die Geschichte der Luftfahrt nachdenken.

 

Die Autorin

Sigrid Sebald (50) ist seit 2000 RHEINPFALZ-Redakteurin in Zweibrücken, wo sie mit Mann und Tochter auch lebt. Über die Beiträge für die „Zweibrücker Rundschau“ hinaus schreibt sie regelmäßig in der RHEINPFALZ-Sommererzählreihe sowie Weihnachtsgeschichten.

 

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne „Ich sehe das ganz anders“ über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags. Hier finden Sie alle anderen Kolumnen.

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