Kolumnen Der neue Schulalltag: Hinten rein und vorne wieder raus

Kolumne_2020_05_07_BOISELLE

Plötzlich gibt es neue Kann-Kinder. Corona macht's möglich. Kann-Kinder sind in diesem Mai diejenigen, die beim Halbieren einer Klasse das fünfte Rad am Wagen sind. Für die, die nun wieder in die Schule müssen oder dürfen oder sollen oder wollen, gilt der Sicherheitsabstand. Wenn nun nicht mehr zwei Schüler in einer Bank sitzen dürfen, gibt es eine Woche Schule und eine Woche nicht. Wer in einer 25-Mann-Klasse die Nummer 13 ist, der gehört entweder der A bis Ebbes – oder eben der Ebbes bis Z-Gruppe an. Das aber auch nur, wenn es keine Mitschüler gibt, die einer Risikogruppe zuzuordnen sind und deshalb vom Unterricht freigestellt sind (aber nicht vom Lernen, Stichwort Homeschooling).

Normalität hat Sendepause

Seit Montag sind viele wieder in der Schule. Aber längst noch nicht alle. Die Normalität hat immer noch Sendepause. Der Unterricht der Schulbesucher will aber trotzdem nicht so richtig in die geordneten Bahnen zurückkehren. Vom Alltag sind wir noch Lichtjahre entfernt. Denn auch in den Lehrer-Kollegien tun sich risikobedingte Lücken auf. Die schließen dann Vertretungslehrer – oder der betreffende Stoff wird via Computer vermittelt. Manche haben auch nur im Zwei-Wochen-Rhythmus Unterricht: eine Woche Haupt- und eine Woche lang Nebenfächer. Beispielsweise am Dienstag Reli in der siebten und achten Stunde.

Lehrer stehen in Krise in der Pflicht

Es war kürzlich schon ein sehr kurioses Bild, als mitten im Hof einer Grundschule in Ludwigshafen in einem schönen großen Abstands-Kreis die Lehrer auf den Kinderstühlchen saßen. Es war zwar einer dieser schon viel zu schönen Tage und die Sonne lachte. Aber zum Genießen war da nichts. Die Lehrer werden in der Krise ganz schön durchgeschüttelt. Und sie sind keine Kann-Pädagogen: Sie stehen in der Pflicht. Sie müssen ihren Stoff an den Nachwuchs bringen. Aber plötzlich ist alles anders. Sie haben mit ihrem eigenen Stress dabei, mit dem der Kinder und Jugendlichen und Eltern, dem der Kollegen, des Rektors, der für sie zuständigen Behörden zu kämpfen. Wer seit dieser Woche wieder unterrichtet, darf das mit einer Maske – mpfllbra apfffhhh (wie bitte, was haben Sie gesagt???) – und ist zwischen den Stunden nun auch noch als Corona-Sheriff gefragt. Denn die Familien sind alle über die Hygiene-Vorschriften in den Schulen informiert worden. Weil Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist, sind die Pädagogen also auch noch als Regelhüter im Einsatz.

Einbahnstraße auf Schulkorridoren

Ja klar ist es sinnvoll, dass nun in engen Korridoren der Schulen nur noch in eine Richtung gelaufen werden darf. Wenn Bio aus ist, müssen dann alle hinten zur Schule raus und vorne wieder rein, wenn es wieder klingelt und Reli los geht. So hätten die Schüler wieder eine schöne neue Ausrede fürs Zuspätkommen. Der Weg war so weit … Und wenn Pubertiere nur noch maximal zu zweit auf die Toilette dürfen … Gut, dann geht das Klopapier wenigstens nicht so schnell alle.

Wie sagt ein Sprichwort doch so schön: Nicht für die Schule lernen wir, sondern fürs Leben. Und dafür haben alle schon so viel mitgenommen bisher, dass in diesem Jahr auch keiner sitzen bleibt.

Die Autorin

Christine Kamm (54) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne „Ich sehe das ganz anders“ über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags. Hier finden Sie alle anderen Kolumnen.

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