Online-Kolumne Das Leben im Rudel

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Seit einiger Zeit werde ich geschlagen und gestalkt. Was für ein doofes Wort: stalken. Aber es ist so. Mich verfolgt unablässig ein Augenpaar. Dieses Gefühlt kennt jeder. Wenn man merkt, dass man beobachtet wird. Es ist zu einer Konstante in meinem Leben geworden. Ja, man muss alles einmal er-lebt haben.

Aber keine Angst, die Polizei, meinen Freund und Helfer, brauche ich nicht und ich brauche auch sonst keine Hilfe. Ich bin ganz einfach nur auf den Hund gekommen, pardon, auf die Hund. Sie heißt Merle. Und sie ist eben wie sie ist. Merle ist ein Rudeltier. Und ich bin der Rudelführer. Nicht, dass ich das gebraucht hätte. Aber nach einem guten halben Jahr des Zusammenlebens weiß ich nun: Der Galgo ist ein anhängliches Wesen. Wenn mir die Augen nicht folgen, höre ich die Tapser hinter mir. Sie folgt mir auf Schritt und Tritt. Es könnte ja auch was Fressbares geben!

Löcher buddeln ist toll

Der Galgo Espanyol ist eine Windhund-Art. Das sind die dünnen Dinger, von denen jeder zu wissen glaubt, dass sie gaaaanz viel rennen und laufen müssen. Ich weiß nicht, wie es war, als sie klein war. Aber ein neunjähriger Galgo will ganz viel schlafen, noch mehr fressen und buddelt für sein Leben gerne große Löcher. Doch das mit dem Gassigehen? Ich dachte ja auch, wie schön, nun bekomme ich ordentlich Bewegung. Aber sie ist noch fauler als ich. Jedenfalls im Sommer. Da habe ich herzerweichende Blicke geerntet. Wie, ich soll mich bewegen? Nein, natürlich nicht, wenn dir das solche Schmerzen bereitet.

Ruppiges Spielen

Bleibt die Frage, weshalb ich von der Hundedame Schläge beziehe? Sie hat einen Beruf. In Spanien sind die Galgos für die Hasenjagd berühmt. Das ist ihre Aufgabe, dafür werden sie gezüchtet. Dass Merle in Deutschland ist, kann nur damit zu tun haben, dass sie sich bei der Hasenjagd irgendwie nicht ganz so angestellt hat wie das von ihr erwartet worden war. Für sehr viele dieser sensiblen Hunde bedeutet das den sicheren Tod. Merle hatte Glück. Sie lebt. Und wenn wir Wettrennen machen, schaltet sie in den Spielmodus um. Dann fliegt sie vor Vergnügen durch die Luft und ihre Beine werden zu Schlagstöcken, die ich auch mal in die Hacken bekomme. Einem Menschen würde ich die Zähne zeigen. Aber bei der sensiblen Hundedame habe ich beim Reagieren keine Wahl: ich drehe mich zu ihr um, lobe sie und streichle ihr über das kleine Köpfchen.

Die Autorin

Christine Kamm (54) aus Ludwigshafen arbeitet in der Onlineredaktion der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne „Ich sehe das ganz anders“ über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags. Hier finden Sie alle anderen Kolumnen.
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