KLASSIK-MEDIATHEK Französischer Fagott-Gesang: Sophie Dervaux’ „Impressions“

Albumcover (Ausschnitt).
Albumcover (Ausschnitt).

„Ich kann nicht schön singen“, bekennt die Fagottistin Sophie Dervaux, „aber mit dem Instrument geht es. Singen ist wirklich das Wort: das versuche ich mit meinem Spiel.“

Nun stehen freilich andere Instrumente weitaus stärker als das Fagott in dem Ruf, der menschlichen Singstimme zu ähneln. Die Klarinette zum Beispiel. Oder auch das Cello. Beim Fagott denkt der Klassikfreund allenfalls an den brummigen Großvater in Prokofjews Musikmärchen „Peter und der Wolf“ – nicht so sexy! Auf Dervaux’ just veröffentlichtem Debütalbum aber macht das Fagott dem Cello und der Klarinette nun ernstlich Konkurrenz. So kantabel und geschmeidig wie in diesen „Impressions“ hat man das tiefe Holzblasinstrument zuvor kaum wahrgenommen.

Weiche Gesänge der Belle Époque

Dass im Konzept der 1991 in Paris geborenen Musikerin, die seit 2015 bei den Wiener Philharmonikern und im Wiener Staatsopernorchester als Solofagottistin wirkt, Transkriptionen von Liedern keine unwesentliche Rolle spielen, liegt auf der Hand. Egal, ob Dervaux zur raffinierten Klavierbegleitung des Pianisten Sélim Mazari mit Debussy den Sonnenuntergang „besingt“ (Beau soir) oder mit Fauré einem Traum nachsinnt (Après un rêve) – ihr Fagott verströmt einen ebenso vollen wie weichen Gesang. Und ja, in Ravels Vokalise in Form einer Habanera tönt es sogar richtig sexy.

Neoklassizistisches von Saint-Saëns

Das alles schmeichelt sich schnell ins Ohr. Substanzieller jedoch erscheinen zwei der wenigen Originalwerke für Fagott und Klavier: die Sonaten von Camille Saint-Saëns und Charles Koechlin. Das Werk des Ersteren, 1921 und damit im Todesjahr des Komponisten entstanden, kombiniert Witz und Esprit mit Anmut und musikhistorischen Anspielungen und steht damit dem Neoklassizismus eines Francis Poulenc nahe. Durchs munter barockisierende Passagenwerk des Allegro scherzando stürmt Dervaux mit Drive und langem Atem, aber auch mit hörbar klackenden Ventilen. Im Adagio lässt sie über dem ostinaten Schreitmotiv des Klaviers eine der schönsten Kantilenen des späten Saint-Saëns erblühen.

Fagott-Meditation in Koechlins „Nocturne“

Eine veritable Entdeckung ist die Fagottsonate von Charles Koechlin (1867-1950) in ihrer Mischung aus balladenhaftem Ton, impressionistischer Zartheit und den Jazz-Anklängen des dritten Satzes. Ihr Herzstück ist ein meditatives „Nocturne“, dessen weit ausschwingender Nachtgesang in einer Art Wellenbewegung zwischen den sonoren Tiefen und den hohen Registern des Fagotts vermittelt. Mit Henri Dutilleux und Roger Boutry geht es abschließend noch mehr in Richtung Jazz, was dieses gelungene Debüt nur noch eigenwilliger und reizvoller macht.

Info

Sophie Dervaux: „Impressions“ – Berlin Classics, VÖ-Datum: 16.4.2021, www.berlin-classics-music.com

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