Rheinpfalz Verwurzelt im Geburtsort

Die kleine Isabelle weiß genau, wo ihr Name steht. Dabei ist das Mädchen keine drei Jahre alt und lesen kann es längst noch nicht. Unter den 41 Vornamen mit Geburtsdatum, mit denen die Tafel für die Neugeborenen des Jahrgangs 2012 in Weilerbach beschriftet ist, findet es dennoch genau die Stelle. Das ist selbst für ihre Eltern, Stefanie und Marc Kutscher, eine Überraschung. Mittlerweile zu viert – Sohn Sebastian wurde im April 2014 geboren – spaziert die Familie öfter an der Storchenwiese vorbei, die etwas außerhalb liegt. Seit 2002 werden hier Obstbäume gepflanzt, etwa 300 Stück sind es mittlerweile. Erhielt in den ersten Jahren jedes Neugeborene seinen eigenen Baum, wird wegen Platzmangels seit 2009 nur noch ein Jahrgangsbaum gesetzt. Zu der Pflanzaktion im Frühjahr werden die Eltern mit ihrem Nachwuchs eingeladen. Am Tag darauf heißt die Ortsgemeinde die Jüngsten mit einem 100-Euro-Gutschein willkommen, vom Gewerbeverein erhalten sie ein Begrüßungsgeschenk in Form eines Präsentkorbes und von Einkaufsgutscheinen. Ob ein Kirsch-, Apfel-, Birn- oder Mirabellenbaum Wurzeln schlägt, entscheidet eine örtliche Gärtnerei, die auch beim Setzen anpackt. Für die Pflege der Wiese ist der Bauhof der Ortsgemeinde zuständig, den Schnitt übernehmen Obst- und Gartenbauverein oder die Freien Wähler. „Das ist eine schöne Sache“, meint Ortsbürgermeister Horst Bonhagen (SPD) über die Storchenwiese. Für ihn steht neben dem Naturschutzgedanken auch die hinter einem Baum stehende Symbolik des Lebens im Vordergrund. Damit können auch Isabelles Eltern etwas anfangen, denn neben dem „Bäumchen für alle“, wie das Mädchen die Zwetschge auf der Storchenwiese nennt, haben sie kurz nach der Geburt eine Mirabelle auf einem Privatgrundstück gesetzt. Wenn im Frühjahr der Jahrgangsbaum für Sebastian gesetzt wird, wird die gesamte Familie dabei sein. Auch Carine und Stefan Friedrich haben für ihr 2010 geborenes Zwillingspärchen Alyssa und Mathis einen Kirschbaum im Garten gepflanzt, aber die Storchenwiese in Mittelbrunn hat für sie dennoch eine besondere Bedeutung. 2011 wurden darauf ein Birn- und ein Zwetschgenbaum gesetzt. Die beiden Kinder haben dabei mit kleinen Schaufeln mitgeholfen. Mehrmals im Jahr zieht es die junge Familie zu der Wiese in direkter Nachbarschaft eines Spielplatzes. „Wir schauen, wie groß die Bäume geworden sind“, erzählt das deutsch-französische Ehepaar. Denn wie die Kinder, wachsen auch die Bäume – und tragen sogar Früchte: Zwei Birnen hingen im vergangenen Sommer an den Zweigen. Sie wurden allerdings nicht geerntet, sondern blieben als Nahrung für Tiere hängen. „Ich finde es gut, dass die Ortsgemeinde an die Kinder denkt“, meint der Familienvater und freut sich auf ein Zurückblicken in späteren Jahren. Etwa 40 Bäume sind bereits gepflanzt. Laut Ortsbürgermeister Walter Altherr kommen jährlich im Herbst zwischen acht und zehn hinzu. Eine Gärtnermeisterin berät bei der Auswahl der historischen Sorten, Pflege und Schnitt übernehmen der Bauhof der Verbandsgemeinde und der örtliche Obst- und Gartenbauverein. Über 20 Obstbäume haben auf der Storchenwiese von Linden Wurzeln geschlagen. Einer davon, ein Apfelbaum, wurde 2012 für Tim Baqué gepflanzt. Der heute dreieinhalbjährige Junge findet seinen Baum auf Anhieb, obwohl wie an all den anderen kein Schild daran befestigt ist. Im Grunde handelt es sich bei dem 450 Quadratmeter großen Areal nicht um eine reine Storchenwiese, vielmehr ist es eine Storchen- und Hochzeitswiese, denn es werden nicht nur Neugeborene mit einem Obstbaum begrüßt. Auch zu Ehren frisch vermählter Paare und von Ehejubilaren, die ihre Goldene oder Diamantene Hochzeit feiern, kommt ein Stämmchen in den Boden. Sie erhalten genauso wie die jungen Eltern eine Einladung von der Ortsgemeinde für die Pflanzaktion und übernehmen die Patenschaft für den Baum. Diese hat jedoch eher symbolischen Charakter, denn der Gemeindearbeiter kümmert sich um das Mähen der Wiese und den Schnitt der Zweige. Auch die Jugendfeuerwehr führt in einer sommerlichen Trockenphase eine Übung durch und wässert so ganz nebenbei die durstigen Bäume. Familie Baqué wohnt nur unweit des Geländes und schaut bei ihren Spaziergängen häufig hier vorbei, zumal direkt daneben ein Spielplatz angelegt ist. Die Eltern Yvonne und Andreas freuen sich über die Initiative. „Es ist uns wichtig, dass die Kinder einen Bezug zur Natur entwickeln“, erzählen sie. Papa Andreas nimmt Klein-Tim häufig mit in den Wald, um ihm die verschiedenen Baumarten zu zeigen. Aber auch daheim kann der Bub etwas lernen, denn sein Vater hat für ihn im Garten einen Kirschbaum gepflanzt. Auch für Tochter Mia, die im Oktober 2014 zur Welt gekommen ist, wird der Vater den Spaten in die Hand nehmen. „Vielleicht setze ich für sie einen Pfirsichbaum“, ist er sich noch nicht ganz sicher.

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